Narrenvogt Manfred Ostertag (Mitte): "Der bewegendste Moment war meine Abschlussrede. ich konnte es selbst nicht glauben, dass unser großartiges Venezianisches Reich schon wieder zu Ende war!" Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Narrenvogt zieht Bilanz / Spiel wird im Jahr 2023 stattliche 400 Jahre alt

Grosselfingen. Das nächste Narrengericht tagt in Grosselfingen erst 2023 wieder. Narrenvogt Manfred Ostertag zieht Bilanz. Und erklärt, warum Regierungspräsident Klaus Tappeser scheinbar vor den Husaren geflüchtet ist.

Sie haben die Promis teils ja ganz schön durch den Kakao gezogen. Plagt Sie das schlechte Gewissen?

Sinn und Zweck unseres Narrengerichts ist, auf Augenhöhe alle Verfehlungen schonungslos aufzudecken, die im Venezianischen Reich begangen wurden oder mit ihm etwas zu tun haben. Kinder und Narren sagen bekanntlich die Wahrheit, mein Gewissen hat mich da noch nie geplagt, wenn ich die "Urteile" gefällt habe!

Wie finden Sie es, dass Regierungspräsident Tappeser geflüchtet ist?

Herr Tappeser ist nicht geflüchtet, er hatte noch einen weiteren Termin, was er auch vorab angekündigt hatte.

Welche Anekdote vom Narrengericht 2019 werden Sie Ihren Kindern und Kindeskindern erzählen?

Wie alle Mitspieler von fünf Jahren bis über 80 mit viel Herzblut in ihren Rollen aufgingen und es so zu einer absolut hochklassigen Aufführung kam. Ich kann vor allen Mitspielern und Helfern nur meinen Hut ziehen und mich bei allen im Namen der Bruderschaft und des Kulturvereins Narrengericht recht herzlich bedanken. Unser historisches Narrengericht hat bewiesen, dass es zu Recht als immaterielles Kulturerbe von der deutschen Unesco anerkannt wurde. Alles war perfekt organisiert und hat deshalb bestens funktioniert.

Über Bürgermeister Möller haben Sie gesagt: Man könne bei ihm "nicht von großen Taten sprechen, denn wer nichts macht, macht auch nichts falsch". Was glauben Sie: Nimmt er sich Ihre Urteilsbegründung zu Herzen?

Manchmal sagen wir auch Dinge einfach umgekehrt, wie sie tatsächlich sind. Man muss sich vor Augen führen, wo die Gemeinde stand, als Herr Möller Bürgermeister wurde. So hatte Grosselfingen zum Beispiel jede Menge Schulden, die Kläranlage hatte keinen Tüv mehr und so weiter.

Als die Mitspieler Sie abgeholt haben, haben Sie den Vorhang beiseite geschoben, um einen Blick auf die Menschenmenge geworfen. Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf gegangen?

Als ich den Vorhang bei Seite schob, war ich sehr erfreut über die große Zuschauerresonanz und die Länge unseres Zugs. Außerdem musste ich die Pagen noch im Auge behalten, die bereits voller Tatendrang auf der Tribüne auf mich warteten.

Was war der bewegendste Moment für Sie?

Der bewegendste Moment war meine Abschlussrede am zweiten Spieltag, ich konnte es selbst nicht glauben, dass unser großartiges Venezianisches Reich schon wieder zu Ende war!

Wie beschäftigen Sie sich in den nächsten fünf Jahren mit dem Narrengericht?

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, da gibt’s genug zu tun, Uniformen katalogisieren, aufbewahren, Pagen-Säbel renovieren, mit diesen wurde offensichtlich mehr als sonst "gearbeitet" und so weiter.

Bis zum Jubiläums-Spiel im Jahr 2023 müssen Sie wieder gerüstet sein.

Das Spiel in vier Jahren ist ein absoluter Höhepunkt werden, das kann ich schon verraten. Wir feiern dann das 400-jährige Bestehen Gründung der Bruderschaft. Die Gründungsurkunde ist noch vorhanden und wird im Staatsarchiv aufbewahrt. Das Besondere daran ist, dass es sich dabei um eine positive Urkunde handelt, nämlich Gründung einer Bruderschaft, und nicht wie sonst üblich eine Erwähnung durch Verbote oder Bestrafungen. Das Narrengericht selbst ist wahrscheinlich noch älter, den Anfang haben wir noch nicht gefunden, aber wir sind dran.   Die Fragen stellte Alexander Kauffmann.