Auf dieser Arbeitsfläche kreiert Hermann Haug seine Backwaren: vom Brot bis zur Torte.Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder Bote

Porträt: Hermann Haug denkt nicht ans Aufhören / Seit Corona kommen mehr Auswärtige in sein Geschäft

Backen? Nein, das wäre für Hermann Haug zu simpel. Er spricht lieber vom "Backparadies". Das ist einfach zu schön, um damit aufzuhören: Der rüstige 70-Jährige denkt nämlich noch lange nicht an den Ruhestand – auch nach fast 55 Jahren in seinem Beruf.

Grosselfingen. Hermann Haug blättert in seiner Backküche einen alten Kalender durch. Auf den Blättern zu sehen: Bilder, bei denen einem Betrachter das Wasser im Mund zusammenlaufen könnte. Darüber steht etwa: "Mocca-Cremetorte", "Vanille-Torte", "Mailänder-Torte", "Torte Birne Helene", "Haselnusstorte". Der Kalender ist von 1976, eigentlich ein Werbegeschenk. Haug hat es aufgehoben und lässt sich inspirieren. Während er eine um die andere Seite aufschlägt, sagt er: "Das sind lauter so Ideen." Und lachend weiter: "Man darf nur Langeweile dazu haben. Das Backparadies ist unendlich."

Das Backen ist ihm in die Wiege gelegt: Sein Vater hat den Laden an der Hohenzollernstraße 1948 eröffnet. Dort hat er auch seine Ausbildung absolviert. "Mein Glück war, dass ich so grusig interessiert war", und so ging ihm auch das Lernen leicht von der Hand. Was ihn am Bäckerhandwerk fasziniert? Dass er seinen Ideen freien Lauf lassen kann. Dessert- und Feingebäck kreiert er am liebsten. 1994 hat er den übernommen.

Ob er schon mal daran gedacht hat, sich zur Ruhe zu setzen? Seine Strategie: Solange er keine "uf’d Gosch" kriegt, macht er weiter und weiter und weiter. Schließlich hat er seinen Beruf sehr gerne. Haug: "Es ist schön, wenn man den Leuten etwas bieten kann, über das sie sich freuen." Als Rentner würde er sich wohl langweilen. Er wolle ja nicht herumlaufen und nur noch an den Häusern hochschauen.

Stattdessen steht er in seiner Backwerkstatt, die er kennt wie seine Westentasche – ein Meister vom alten Schlag. Er zieht die Schublade auf, zeigt einen Eisportionierer, mit dem er Quarkbällchen machen kann, erklärt wie sich der Geschmack ändert, wenn man mehr oder weniger Eier, mehr oder weniger Butter verwendet. Die wenige Technik, die er nutzt, ist altbewährt: Seit 40 oder 50 Jahren würden die Maschinen schon zuverlässig ihren Dienst tun. "Die sind besser als die mit viel Elektronik", sagt er. Viele seiner Kunden kennt er sehr gut, so gut wie seine Backküche.

Doch seit der Coronakrise gehen bei ihm mehr Auswärtige einkaufen, auch solche, die vorher noch nie da gewesen sind. Er vermutet: Sie meinten, in seinem Geschäft sei die Infektionsgefahr niedriger als in den großen Supermärkten. Die Backwaren erhalten Kunden bei ihm sogar teilweise etwas günstiger. Seit Corona "muss ich mehr machen", vor allem Feingebäck und Wecken. Brot werde ähnlich oft gekauft – wie vor der Coronakrise auch.

Und so sicher wie Haug morgen wieder früh aufsteht, um in der Backküche zu arbeiten, steht für ihn fest: "Ich bin von meinem Beruf immer noch begeistert."

Weitere Informationen: Auch in Zeiten der Coronakrise hat Hermann Haug neben anderen Lebensmittelgeschäften in Grosselfingen (siehe Info) seinen kleinen Laden an der Hohenzollernstraße geöffnet: montags bis freitags von 7 bis 12.30 Uhr, freitags von 15 bis 17 Uhr und samstags von 7 bis 12.30 Uhr.