Die große Koalition versichert, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro nach einer Übergangsfrist bis 2017 flächendeckend gelten soll. Foto: dpa

Gewerkschaften sind unzufrieden, Wirtschaftsvertreter warnen vor den Folgen - nur die Koalition ist mit dem Mindestlohngesetz auf der Zielgeraden zufrieden. Für Änderungen bleibt wenig Zeit.

Gewerkschaften sind unzufrieden, Wirtschaftsvertreter warnen vor den Folgen - nur die Koalition ist mit dem Mindestlohngesetz auf der Zielgeraden zufrieden. Für Änderungen bleibt wenig Zeit.

 

Berlin - Angesichts anhaltender Gewerkschaftskritik versichert die große Koalition, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro nach einer Übergangsfrist bis 2017 flächendeckend gelten soll. Arbeitgeber und Gewerkschafter kritisierten die Pläne am Montag weiter. Verhandlungen zwischen Union und SPD betrafen noch Details. Nach Diskussionen in den Fraktionen an diesem Dienstag sollen die Gesetzespläne am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi wies am Montag Kritik als überzogen zurück. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sei wohl nicht rundum informiert oder teils fehlinformiert gewesen. „Keine Branche wird ausgenommen“, sagte Fahimi „Spiegel Online“. „Für mindestens 3,7 Millionen Beschäftigte bedeutet dies künftig eine bislang nicht gekannte Absicherung.“

Der Mindestlohn soll ab 2015 gelten. Union und SPD hatten sich zuletzt auf Änderungen für Zeitungsausträger, Saisonarbeiter und Praktikanten verständigt. Übergangsregeln seien notwendig und von Anfang an verabredet gewesen, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der Nachrichtenagentur dpa. Das Gesetz sei ein großer Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit. „Das ist eine Sozialreform von historischem Ausmaß.“ SPD-Vize Olaf Scholz sagte der dpa, Nahles habe einen klugen Vorschlag vorgelegt.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach von einer Verständigung auf fünf Ausnahmen, die bereits bekannten Regelungen für Jugendliche unter 18 und Langzeitarbeitslose eingeschlossen. Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, sagte: „Wir werden ab 2017 einen sehr robusten Mindestlohn in Deutschland haben.“ Dann gelte er auch für Zeitungsausträger wie für landwirtschaftliche Saisonarbeiter.

Es sei ein Vorhaben, „dem man guten Gewissens zustimmen kann“, sagte Tauber. Wichtig sei eine beschäftigungsfreundliche Übergangsregelung und dass die Tarifpartner über die künftige Höhe des Mindestlohns entscheiden. Übergangsfristen seien notwendig, weil es um die Erhaltung von Arbeitsplätzen gehe, sagte die CDU-Vize Julia Klöckner. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: „Wenn man dann die langfristige Umsetzung sieht, glaube ich, dass die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland das verkraftet.“

Die Linke hält geplante Regelungen für verfassungswidrig

Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die von der Union verfochtenen Änderungen am Entwurf von SPD-Ministerin Andrea Nahles. DGB-Chef Reiner Hoffmann erklärte anlässlich einer Expertenanhörung im Arbeitsausschuss des Bundestages: „Leider haben sich mächtige Lobbygruppen in den letzten Wochen auf den Weg gemacht, um das Mindestlohngesetz wieder zu durchlöchern.“

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte, der Gesetzentwurf verdränge Tarifverträge, schaffe neue Bürokratie und gefährde den Einstieg in Arbeit gerade für die Schwächsten am Arbeitsmarkt. Umstritten sind weiterhin die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt. Hier gebe es noch keine eindeutigen Untersuchungen, machte ein Vertreter des IAB-Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit bei der Ausschusssitzung deutlich.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer (CSU), sagte der „Bild“-Zeitung, viele Wirtschaftspolitiker der Union würden dem Gesetz nicht zustimmen.

Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Klaus Barthel, sagte „Handelsblatt Online“: „Die angedachten weiteren Ausnahmen beim Mindestlohn belegen, dass es einigen in der Union nicht um die sachgerechte Umsetzung des Koalitionsvertrages geht, sondern um die systematische Durchlöcherung des Mindestlohnes bis zur Unkenntlichkeit.“ Agrarminister Christian Schmidt (CSU) wies dies zurück. „Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn für Betriebe im Obst- und Gemüseanbau sind (...) ein Beitrag zur Überlebensstrategie heimischer Betriebe“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Montag).

Die Linke hält die geplanten Regelungen für verfassungswidrig. „Die Ausnahmen haben in Karlsruhe niemals Bestand, weil sie eklatant gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen“, sagte Parteichef Bernd Riexinger der „Frankfurter Rundschau“. Die Grünen-Expertin Brigitte Pothmer sagte: „Sonderregelungen und Ausnahmen sind das Einfallstor für die Umgehung des Mindestlohns.“