Die Seelbacher Ortsfasent ist ins immaterielle Kulturerbe aufgenommen worden. „Unheimlich stolz“ berichtet Oberzunftmeisterin Christiane Kupfer von der aufwendigen Recherche.
Ob „Inschnelle“ oder Fasentverbrennung, Rathaussturm oder Umzug, Gizig-Singen oder Geheimratsbefreiung – zur Fasent ist in Seelbach stets allerhand geboten. Dafür verantwortlich zeigt sich die Eulenzunft – und der wurde nun eine ganz besondere Ehre zuteil: Sie darf sich immaterielles Kulturerbe der Unesco nennen.
„Es macht uns unheimlich stolz, dass wir dieses Siegel erhalten haben“, erklärt Oberzunftmeisterin Christiane Kupfer im Gespräch mit unserer Redaktion. Für sie ist das Siegel eine Bestätigung, dass sich die „Eulen“ in besonderem Maße dem Erhalt des Brauchtums widmen. Ihre Freude ist auch deshalb so groß, da hinter der Auszeichnung harte Arbeit steckt. Mehr als 30 Seiten ist der Antrag lang, in dem die Geschichte der Fasent in Seelbach detailliert aufgearbeitet wurde.
Kupfer berichtet, dass die Vogtei den Zünften bereits Anfang 2024 empfohlen hat, sich für das Siegel zu bewerben. „Am Anfang war ich skeptisch“, so die Oberzunftmeisterin. Denn um als immaterielles Kulturerbe ausgezeichnet zu werden, musste die Zunft nachweisen, dass die Fasent im Ort lange Tradition hat. Kupfer hat sich dennoch in die Recherche gestürzt – und dank eines Buchs des Heimatchronisten Josef Himmelsbach einiges herausgefunden: „Es gab schon vor dem 20. Jahrhundert Fasnachtsspiele.“ Konkret wurde organisierte Fasent in Seelbach allerdings erst Ende der 1950er-Jahre, als sich Stammtischbrüder im Gasthaus Linde trafen und Pläne schmiedeten, die Dorffasent zu beleben. Kupfer erzählt, dass diese „Gründerväter“ auf die Sage des Geheimrats Dr. Schmidt und einer Erzählung über die Bedeutung der Eulen stießen.
Jurist soll Bauern um Geld betrogen haben
Der Geheimrat basiert auf Philipp Carl Edler von Schmidt zu Dautenstein. Er war ein Jurist, der einst im Ort eine Sparkasse gegründet, das Ersparte der Bauern jedoch veruntreut hatte. Nach seinem Tod im Jahr 1822 verfluchten und verwünschten ihn die Betrogenen, doch man befürchtete, der Geist des Geheimrats würde sich rächen. Also versuchten die Seelbacher, seinen Geist in einer Flasche zu fangen und vergrub diese im Wald. Alljährlich eine Woche vor der Fasent wird der Geheime Rat von den Narren aus einer überdimensionalen Flasche befreit und darf Narrenluft schnuppern. Er bekommt den Rathausschlüssel und die Gemeindekasse und verwaltet diese über die Närrischen Tage. Am Fasentzischdig muss er sich dem Narrengericht stellen und wird wieder für ein Jahr in seine Flasche verbannt.
Die Figur der Eule basiert ebenfalls auf einer lokalen Überlieferung. Demnach hätten sich die Geroldsecker Burgherren auf den Burgen Lützelhard und Hohengeroldseck einen Aberglauben zunutze gemacht. Sie fingen in umliegenden Wäldern Eulen ein und setzten sie auf die Burgzinnen. Bei Anbruch der Dunkelheit setzten die Eulen zu ihrem schaurigen Gejammer an. Da dies als unheilvolles Zeichen galt, hielten sich Diebe und anderes „Gesindel“ von den Burgen fern.
Viel Zuspruch bei Gastauftritt in Reichenbach
Inspiriert von diesen Sagen bauten die Fasenfreunde einen Wagen und besuchten die Fasent im benachbarten Reichenbach. Dort erhielt man so viel Zuspruch, dass sich der damalige Seelbacher Bürgermeister Alfred Dreyer für die Weiterführung der Aktivitäten einsetzte. Im März 1967 gründeten 16 Männer und Frauen die Eulenzunft.
Seit nunmehr 58 Jahren, in denen noch die Figur der Schägenesthexe und das Zopfwiebli hinzukamen, geht es den „Eulen“ bei der Fasent um viel mehr als nur ums Feiern. „Wir wollen die emotionale Bindung zur Fasent aufrechtzuerhalten“, sagt Kupfer. Dies erreiche man mit nicht weniger als 17 Terminen zur Hauptfasentzeit im Ort. „Wir versuchen, die Fasent auch den Kindern näherzubringen. Wir gehen in die Schulen, geben närrischen Unterricht, da können die Kinder auch mal Masken anziehen.“ Kupfer ist sich sicher: Wer einmal auf diese Weise von der Fasent begeistert wurde, ist auch im kommenden Jahr wieder dabei.
Die Oberzunftmeisterin legt Wert darauf, dass Tradition auch weiterentwickelt werden muss, weshalb nicht alle Abläufe starr seien. Das klassische Häs oder Figuren wie der Geheimrat stehen jedoch außer Frage, so Kupfer lachend.
„Eulen“ erhoffen sich bürokratische Erleichterungen
Von dem Siegel, das in der Region auch die Friesenheimer Fasentzunft sowie die Kruttstumpe aus Schuttern erhalten haben, erhofft sich die Eulenzunft einige Vorteile. Etwa bei Genehmigungen oder anderen bürokratischen Fragen, so Kupfer, könne der Status als immaterielles Kulturerbe bewirken, dass es den „Eulen“ etwas leichter gemacht wird, sie bürokratische Hürden überspringen können. Das Logo dürfen sie auf ihrer Internetseite und in ihrem Briefkopf präsentieren.
Vor allem in einem Jahr, in dem der große Umzug in Seelbach und damit die Haupteinnahmequelle der Zunft aufgrund der Bundestagswahl ausfallen musste, ist die Auszeichnung Balsam für die Seele der Eulen, sagt Kupfer. Extra gefeiert wird erst einmal nicht, die Narren sind ja quasi im Sommerschlaf. Doch umso fröhlicher soll die kommende Fasent werden.
Federn von Marabus
Die ersten Häser der Eulenzunft, erklärt Kupfer, wurden damals noch aus Schlafanzügen gefertigt, die mit Hühnerfedern beklebt wurden. Auch echte Eulenfedern waren über die Jahre einmal im Einsatz, sie seien heute aber nur noch vereinzelt auf alten Modellen zu finden. Inzwischen werden überwiegend eingefärbte Marabu-Federn benutzt.