Vor 45 Jahren versuchten die Nationaldemokraten, in Grenzach einen Fackelzug zu veranstalten. Dieses Ansinnen ging allerdings in die Hosen, denn rund 1000 Gegendemonstranten stellten sich ihnen entgegen. Bereits Tage davor herrschte Unruhe im Dorf.
Keine Lust auf braun eingefärbten Mummenschanz: Ausgerechnet die Doppelgemeinde hatte die NPD sich als Ort auserkoren, um dort am 19. Januar 1980 den Reichsgründungstag nachzufeiern. Den rund 60 eingetroffenen Parteimitgliedern schlug in Grenzach-Wyhlen aber eine Welle des Widerstands entgegen. Rund 1000 Gegendemonstranten stoppten den Fackelzug der NPD bereits nach 20 Metern.
Die Wellen schlagen hoch
Beim Blättern in den Ausgaben des Oberbadischen Volksblatts von damals wird deutlich, wie hoch die Wellen der Empörung im Januar 1980 auch über die Ortsgrenzen der Doppelgemeinde hinaus geschlagen haben müssen.
Parteien, Verbände, ein „Antifaschistisches Aktionskomitee“ (AA), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und auch eine „Demokratische Fraueninitiative“ aus Freiburg meldeten sich zu Wort beziehungsweise brachten sich in Stellung, um den geplanten Auftritt der Nationaldemokraten am Hochrhein entweder schon im Vorfeld zu verhindern oder im Verlauf zu stoppen.
Hotel „Drei König“ belagert
Nach Grenzach gekommen waren die Vertreter der NPD, um im Hotel „Drei König“ ihren Landtagsabgeordneten für die bevorstehende Wahl zu küren. Zugleich wollte die Partei an die Gründung des zweiten Deutschen Reichs (18. Januar 1871) erinnern und dazu einen Fackelmarsch inszenieren.
Schon Tage davor finden sich in den Ausgaben des Oberbadischen Volksblatts etliche Artikel zum Thema. Da ist zum Beispiel der SPD-Ortsverein unter Leitung von Dirk Feltes, der ankündigt, sich „als einzige etablierte Partei der Industriegemeinde“ an einer DGB-Kundgebung gegen den NPD-Fackelzug beteiligen zu wollen.
In einem anderen Zeitungsbericht zum Thema geht es um die Junge Union (JU). Die CDU-Nachwuchsorganisation bittet um eine differenziertere Betrachtung und distanziert sich „mit Nachdruck“ sowohl von der NPD als auch vom AA und dessen Flugblatt. Darin, so heißt es im Bericht, gehe es ausschließlich um nationalsozialistische Aufmärsche in der Weimarer Zeit. Das damalige Treiben der Kommunisten aber werde unterschlagen.
Resolution von Schülern
Weil „die gemäßigten Parteien“ damals nicht in der Lage gewesen wären, den extremen Kräften beider Seiten Einhalt zu gebieten, seien nun alle etablierten Parteien gemeinsam gefordert, sich dem braunen Spuk in Grenzach-Wyhlen entgegenzustellen. Dies jedoch ohne sich, wie der DGB, dazu „mit ultralinken Initiatoren zu verbrüdern“. Und sogar Lörracher Schulen meldeten sich zu Wort: Eine schriftliche Resolution gegen den geplanten NPD-Fackelzug kam von den beiden Schülermitverwaltungen vom Hans-Thoma- und vom Hebel-Gymnasium, heißt es dazu in einem Artikel.
Liederabend in Wyhlen
Am Tag vor dem NPD-Auftritt gab es dann eine erste große Protestaktion. Dabei standen die Liedermacher Walther Mossmann und Ernst Born auf der Bühne der Hochrheinhalle und sangen vor rund 500 Zuhörern gesellschaftskritische und antifaschistische Lieder. Der damals 76 Jahre alte Max Faulhaber, früherer KZ-Häftling, späterer Landtagsabgeordneter und Mitbegründer der badischen Gewerkschaftsbewegung, hielt im Anschluss eine Rede. „Mit einer Demonstration, wie sie der Landkreis Lörrach noch nie gesehen habe, sollte gegen den NPD-Marsch protestiert werden“, zitiert das Oberbadische Volksblatt aus Faulhabers Auftritt in der Hochrheinhalle Wyhlen.
Keine großen Zwischenfälle
All diese Aktionen verfehlten ihre Wirkung offenbar nicht. Am Samstag, 19. Januar 1980, stellten sich rund 1000 Gegendemonstranten der NPD entgegen und formierten sich zu einem Demonstrationszug „durch die Arbeiterviertel“ Grenzachs bis vor das Hotel, in dem die NPD tagte. Dieses wurde regelrecht belagert, die Hoteltür deshalb verriegelt, wie unsere Zeitung berichtete. Rund 70 Polizisten schützten das Gebäude. Als die etwa 60 Teilnehmer der NPD-Veranstaltung sich im Hinterhof vom „Drei König“ versammelten, um ihren Fackelzug zu formieren, gab es erste Pfiffe, und auch eine Flasche flog. Der Bus der NPD rollte aus dem Hinterhof, hinter ihm die Fackelträger. Doch nach etwa 20 Metern mühsamen Vorwärtsbahnens war auch schon wieder Schluss. Die Gegendemonstranten drückten Bus und Gefolge zurück zum Ausgangspunkt, ohne dass es zu größeren Handgreiflichkeiten gekommen war.
Weil Heinrich Tröscher, damals Leiter des Kreispolizeiwesens beim Landratsamt, laut Artikel „den Glauben an die Sicherheit der öffentlichen Ordnung verloren“ hatte, löste er den Fackelzug auf. Noch eine Stunde lang habe es heftige Wortwechsel gegeben, ehe die NPD-Vertreter dann – unter Polizeischutz – die Hochrheingemeinde wieder verließen. Als sie weg waren, löste sich die Gegendemonstration wieder auf.
Aufatmen im Dorf
„Es war vorüber. Grenzach-Wyhlen atmete auf“, schließt der Nachbericht des Oberbadischen Volksblatts vom 21. Januar 1980.