Christof Faller (CDU) Foto: Schwarzwälder Bote

Greensill: Bürgermeister muss reichlich Kritik einstecken / Harte Worte vor allem für Kollmeiers Handeln

Es geht um drei Millionen Euro und um viel Kritik, die Bürgermeister Kollmeier einstecken muss.

Vier Fraktionen, vier Meinungen? Das trifft im Falle von Greensill und den drei Millionen Euro, die die Stadt Hüfingen Anfang Januar bei der mittlerweile insolventen Bank angelegt hat, nicht zu.

Hüfingen. Doch deutlich haben sich in diesem Falle die Trennlinien im Hüfinger Gemeinderat verschoben.

Während zu Beginn der Legislaturperiode die neue BFSO/Grünen-Fraktion mit ihrer Meinung oft allein da stand und auch das ein oder andere Mal ordentlich Gegenwind bekam, war nun deutlich zu beobachten: Im Falle Greensill ist vieles anders. Harsche Kritik muss Bürgermeister Michael Kollmeier gleich von drei Fraktion einstecken: SPD, FDP/FW und BFSO/Grüne beziehen deutlich Stellung, und es fallen zum Teil harte Worte, während die CDU wesentlich moderater unterwegs ist.

Christof Faller (CDU): "Keiner in der Festhalle hätte sich wohl träumen lassen, dass wir einmal so einen Punkt auf der Tagesordnung haben. So eine Situation kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen." Der Anwalt, der die Vorgänge im Rathaus aufarbeitet, habe nun "ein kleines bisschen Licht in den Dschungel" gebracht. "Wir wollen nun nicht den Stab brechen, aber auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagt Faller. Die Stadt lege oft Geld an, und es könne auch ein Fehler passieren. "Aber ein Fehler, der so gravierende Auswirkungen hat, darf nicht passieren."

Das Umfeld auf den Finanzmärkten sei schwieriger geworden, und deshalb sei eine größere Sorgfaltspflicht wichtig. "Wir haben ein Vier-Augen-Prinzip festgelegt, das in diesem Fall jedoch versagt hat", so Faller und fügt hinzu: "Was wir aber erwartet hätten, wäre ein klein wenig Demut gewesen."

Damit spielt Faller auf den Bürgermeister an, der zwar wiederholt von Demut gesprochen hatte, wohl aber nicht genug gezeigt hatte. Kritik gibt es auch dafür, dass in den Sitzungsunterlagen unter dem Punkt "Was lief schief?" erst an letzter Stelle die Vorgänge im Hüfinger Rathaus aufgeführt und zuvor die Bundesanstalt für Finanzaufsicht und die Wirtschaftsprüfer aufgelistet worden waren. "Wir können alles unterschreiben. Aber der Fehler, der uns das Geld gekostet hat, ist in Hüfingen passiert." Allerdings: "Wenn das Geld früher angelegt worden wäre, säßen wir nun auch hier." Gegen Kritik, dass die Stadt zu viel gespart hat und lieber investieren soll, wehrt sich Faller. "Nur durch gutes Wirtschaften kann sich die Stadt seit Jahrzehnten eine gute Infrastruktur leisten." In den nächsten Jahren sei sehr viel geplant und die Finanzreserven würden zusammenschmelzen. "Befremdlich" sind für Faller allerdings die Spekulationen, wie lange sich der Bürgermeister noch halten werde. "Ich glaube nicht, dass in irgendeiner anderen Kommune, die Geld bei der Greensill-Bank angelegt hat, so über die Verwaltung und Gemeinderäte hergezogen wurde."

Kerstin Skodell (SPD): Deutliche Kritik gibt es von Kerstin Skodell, und das nicht nur im Bezug darauf, dass Hüfingen eine der "allerletzten" Kommunen gewesen ist, die Festgeld bei der Greensill Bank angelegt habe – zu einem Zeitpunkt, zu dem "jeder Laie schon im Internet über die Schieflage der Greensill Bank recherchieren" habe können. Die Zinssituation stelle die Stadt vor Herausforderungen, das entschuldige aber nicht überstürzte und unüberlegte Anlagengeschäfte. Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es nie, die habe es auch noch nie gegeben. "Es gab aber Bürgermeister, die sich mit diesen Anlagegeschäften intensiv beschäftigt haben oder dann aber externe Berater hinzugezogen haben."

Von einem "riesigen Vertrauensbruch" spricht die SPD-Fraktionssprecherin im Bezug auf die Auflistung, wo die Stadt ihr Geld angelegt habe. Auf dieser Liste, die die SPD-Fraktion im Januar beantragt habe und die nach "erneutem Anmahnen" dann Anfang März den Stadträten zur Verfügung gestellt wurde, stehe die Greensill-Bank nicht. "Herr Kollmeier, Sie haben den Gemeinderat hinters Licht geführt. Das ist unglaublich und fördert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in keiner Weise", sagt Skodell. Nach sechs Wochen höre man zum ersten Mal, dass der Bürgermeister auch die Verantwortung übernimmt. "Einen Schuldigen zu suchen und dann erst an die Öffentlichkeit gehen, ist nicht die feine Art. Von einem Bürgermeister, der Chef der Verwaltung ist, erwarten wir hier etwas anderes", sagt Skodell und fügt hinzu: "Der Chef trägt immer die Verantwortung." Die drei Millionen würden die Stadt schmerzen. "Wir müssen und wollen alle eine Lösung finden, wie wir in Zukunft so eine Misere möglichst vermeiden können", so Skodell. Dabei sei klar, der Gemeinderat gebe nur die Richtlinien vor und werde nicht in die innere Organisationshoheit der Verwaltung eingreifen. "Hinweise, wer innerhalb der Verwaltung was zu machen hat, obliegt dem Bürgermeister als Chef der Verwaltung und nicht dem Gemeinderat."

Adolf Baumann (FDP/FW): "Wir sind alle seit dem Bekanntwerden mit einer nie da gewesenen Situation konfrontiert", sagt Adolf Baumann. Der Verlust von drei Millionen Euro werde das Denken und Handeln der Stadträte im Bezug auf den Haushalt maßgeblich verändern, und der "Totalverlust" errege die Gemüter in der Stadt. Gemeinderäte würden sogar anonyme Anrufe erhalten, in denen sie gefragt würden, ob sie noch ganz bei Trost seien. Deutlich kritisiert Baumann, dass Kollmeier sechs Wochen habe verstreichen lassen, bis er mit dem Thema öffentlich in den Gemeinderat gekommen ist. Andere Kommunen hätten da schneller gehandelt. Er selbst habe den Bürgermeister am 19. März um 9.50 Uhr angerufen und gebeten, bald eine Gemeinderatssitzung einzuberufen. Der Bürgermeister habe das Telefonat allerdings schnell mit der Begründung, er habe keine Zeit, beendet. So etwas sei ihm noch nie passiert: "Der Landrat hätte innerhalb von 24 Stunden zurückgerufen und die früheren Hüfinger Bürgermeister auch." Hoffnung, dass Hüfingen noch einmal an das Geld kommt, hat Baumann nicht. "So eine Bankeninsolvenz kann vier bis fünf Jahre dauern und bis dahin ist längst kein Geld mehr da."

Oft habe er darauf hingewiesen, dass bei den Hüfinger Finanzen Sicherheit vor Ertrag gehen müsse. "Aber offensichtlich ist da nicht zugehört worden." Bei Geldanlagen müssten Risiken bekannt, begrenzt und beherrschbar sein, und sie müssten vor allem mit Sachkenntnis erfolgen. "Die drei Millionen Euro sind sehr schmerzhaft, und sie werden immer wieder für Spannungen zwischen Rat und Verwaltung, aber auch mit den Bürgern sorgen", sagt Baumann und fügt hinzu: "Die Bürger werden das nicht so schnell vergessen." Neue Richtlinien dürften nicht "übersteuert" sein, und vor allem würden die besten Richtlinien nichts nützen, wenn man sie nicht beachte. "Herr Kollmeier, Sie müssen kräftig arbeiten, damit das Vertrauen wieder wächst und nicht das Misstrauen noch größer wird."

Michael Steinemann (BFSO/Grüne): "Der Imageschaden für unsere Stadt ist riesig", sagt Michael Steinemann, der sich auch fragt, wie andere betroffene Kommunen mit dem Thema umgehen. "Wenn ich die Unterlagen anschaue, fällt mir einiges auf, was man hinterfragen muss", findet er und fügt hinzu: "Warum wird die Schuld zuallererst bei anderen gesucht? Wir als Stadt und sonst niemand haben ohne Überprüfung des Geschäftsmodells der Greensill-Bank auf Plausibilität einen großen Teil unserer Gelder angelegt." In den Unterlagen werde die städtische Transparenz gelobt. "Ja, es wurde kommuniziert. Nach meinem Empfinden ging die Stadt aber nur durch den immer größer werdenden Druck anderer mit diesem Thema überhaupt an die Öffentlichkeit", sagt der BFSO/Grünen-Fraktionssprecher. Kollmeier habe Anfang März gesagt, man wolle erst einmal abwarten. "So blieb halt immer ein Gschmäckle, das Thema aussitzen zu wollen", so Steinemann. Auf der städtischen Facebook-Seite werde über jeden "umgefallenen Reissack" berichtet, aber Informationen über den Greensill-Fall habe man dort vergeblich gesucht. Am 16. März hatte der BFSO/Grünen-Stadtrat einen offenen Brief geschrieben. Eine Antwort habe er ja nicht erwartet, aber schon, dass wenigstens ein paar Anregungen umgesetzt worden wären. Beispielsweise eine Einwohnerversammlung einzuberufen. "Die Bürger fordern Transparenz und Offenheit, Teilhabe und Anteilnahme. Verlorenes Vertrauen muss wieder zurückgewonnen werden."

Neben dem "schmerzlichen Verlust" des Geldes müsse man auch den "ungewöhnlichen Umgang" mit Verwaltungsmitarbeitern hinterfragen. "Herr Bürgermeister, der Umgang mit dem Hauptbeteiligten wurde von vielen Bürgern als Schwäche ausgelegt", sagt Steinemann und fügt hinzu: "Der betroffene Mitarbeiter wurde öffentlich gebrandmarkt. Fair war das nicht." Es hätte ihn menschlich gefreut, wenn man das öffentlich hätte gerade biegen können. Das obliege aber Kollmeiers Verantwortung.