An jeden der verstorbenen Zwangsarbeiter erinnert eine kleine Grabplatte mit dem Namen. Foto: Eyrich

164 Personen aus Osteuropa sind als Zwangsarbeiter im heutigen Albstadt gestorben und auf dem Ebinger Friedhof begraben. Dass ihrer wieder würdig gedacht wird, ist bürgerschaftlichem Engagement zu verdanken.

Albstadt-Ebingen - Petro Schkula kennt in Ebingen keiner mehr, ebenso wenig wie Anelka Rogosa, Iwan Boschox oder Natalia Tereschenko. Ihre Namen sind mit roter Farbe auf schlichten, schmucklosen Grabsteinen verewigt, die auf dem Ebinger Friedhof daran erinnern, dass nicht alle Menschen, die im heutigen Albstadt gelebt haben, gerne dort waren.

Die Grabsteine erinnern an die Verstorbenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Polen und der damaligen Sowjetunion, die während der Diktatur der Nationalsozialisten – konkret: zwischen 1940 und 1945 – auf die Schwäbische Alb verschleppt worden waren.

Selbst Kinder waren unter den Zwangsarbeitern

164 Menschen sind dort begraben – darunter auch Kinder. In Zügen waren nach sie nach Ebingen gebracht worden und arbeiteten bei Firmen in der Region – laut Staatsarchiv Sigmaringen zum Beispiel bei Hakenmüller, Elektra, Bizerba, August Beck, Fischer-Draht, Conrad Maier, Mayer & Cie. und Blickles Witwe. Auch eine Ebinger Waffen- und Munitionsfabrik beschäftigte die Zwangsarbeiter, und zwar unter widrigsten Bedingungen, was Leben und Arbeit anbelangte – Elke Rapthel, Stadträtin des kommunalpolitischen Wahlbündnisses Z.U.G. hat in ihrer "Rede zum Gedenken an die verstorbenen Zwangsarbeiter-Innen in Ebingen aus Anlass des Tags der Befreiung vom Hitlerfaschismus am 8. Mai 1945" daran erinnert.

"Die meisten der Zwangsarbeiter-Innen stammten aus der Ukraine, und sie starben jung, viel zu jung", so Rapthel. "Die bekamen Lebensmittelzuteilungen, die für die Versorgung und das Leben viel zu wenig waren, sie lebten unter schlechten hygienischen Bedingungen und in alten Schulen oder Baracken" – in Ebingen gehörten die Bleuelwiesenbaracken dazu, wo sich die Bewohner ein Abort teilen mussten, kein fließendes Wasser hatten und an Krankheiten verschiedenster Art litten, wie eine Ebinger Ärztin dokumentiert habe.

Viele starben an einer Hungerkrankheit

"Viele starben an Tuberkulose, damals eine Hungerkrankheit", erinnerte Rapthel. "Heinrich Himmler als Führer der SS ordnete damals die schlechte Behandlung, insbesondere der Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, an."

1950 war ein Gedenkstein auf dem ansonsten anonymen Gräberfeld gesetzt worden, um an die Zwangsarbeiter zu erinnern, die im heutigen Albstadt gestorben waren. 1967 dann seien die kleinen Grabsteine gesetzt worden – jeder von ihnen trägt den Namen eines Verstorbenen.

Die Namen waren im Lauf der Zeit verblasst

Diese Namen waren im Lauf der Zeit verblasst, die Gräber vermoost und verdreckt – "und wirklich eines Andenkens nicht mehr würdig", wie Elke Rapthel kritisierte. Sie weiß auch von Albstädtern, zum Teil mit Wurzeln in der Ukraine, die sich deshalb an die Friedhofsverwaltung gewandt hatten. Einer von ihnen war der frühere Stadtarchivar Peter Thaddäus Lang, der den Zustand des Gräberfeldes kritisierte. Mit ihm nahm Elke Rapthel ebenso Kontakt auf wie mit Andreas Bodmer, dem Leiter des Betriebsamtes Albstadt, das für die Friedhöfe zuständig ist. Der hatte gute Nachrichten für die Z.U.G.-Stadträtin: Gelder zur Renovierung des Gräberfeldes seien beantragt und bewilligt worden.

Inzwischen ist das Gräberfeld renoviert und wieder würdig hergerichtet worden. Das kommunalpolitische Bündnis will künftig aus seiner Gedenkveranstaltung eine jährliche Tradition machen – und dabei auch mit einigen Falschangaben aufräumen: "Auf dem Ebinger Friedhofsplan steht, dass hier die ›russischen Kriegsgräber‹ sind", berichtet Elke Rapthel und stellt klar: "Das ist so nicht richtig, denn diese Toten hier sind keine direkten Opfer des Krieges, sondern Opfer der Deportation und der Zwangsarbeit."

Viele von ihnen waren Frauen

Mehr als 1600 Zwangsarbeiter seien ab Juni 1942 nach Ebingen verschleppt worden, die Hälfte von ihnen aus der Sowjetunion, darunter viele Frauen, weiß Rapthel. An sie erinnere auch der Gedenkstein mit einem kyrillischen Schriftzug, der besage: "Hier sind 158 sowjetische Zwangsarbeiter begraben. Sie wurden von den Nationalsozialisten getötet. Die hier Lebenden vergessen die Ruhenden nicht. Im Jahr 1950."

Am anderen Ende des Friedhofes liegen sechs weitere polnische Zwangsarbeiter an der Friedhofsmauer begraben, wo Kreuze mit ihren Namen darauf an sie erinnerten.

Das Erinnern ist den Menschen wichtig

Wie wichtig diese Erinnerung vielen Menschen ist, hat Elke Rapthel bei ihren Recherchen und Bemühungen um eine bessere Pflege des Gräberfeldes selbst erfahren: Als sie mit Freundinnen vom Bündnis "Courage" dort war, sei ein Mann ukrainischer Herkunft gekommen, habe Kerzen angezündet und berichtet, dass seine Schwiegereltern früher Blumen um den Gedenkstein herum gepflanzt hätten.

Geschichtslehrerin war abgeblitzt

Eine frühere Geschichtslehrerin aus Balingen, die mit ihrer Initiative für eine Gedenkveranstaltung für die Zwangsarbeiter bei der Stadtverwaltung abgeblitzt war, habe sie angerufen, nachdem Z.U.G. sich mit Erfolg für das Gräberfeld eingesetzt hatte. "Sie war so tief berührt über das, was wir hier machen, und wir sollen weitermachen", berichtet Elke Rapthel und verspricht: "Das werden wir! Es ist ein wichtiger und antifaschistischer Erziehungsauftrag, diese Gedenkstätte zu erhalten, zu pflegen und zu würdigen."