Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Leif Piechowski

Die Grabkapelle auf dem Württemberg ist ein Meisterwerk des Klassizismus.

Stuttgart - Gedanken an den Tod werden im Allgemeinen als unangenehm empfunden, weshalb der Mensch lieber in Schlössern lustwandelt als auf Friedhöfen. Die Architektur von Grabmälern prägt jedoch bisweilen Städte und Landschaften, vor allem, wenn es sich um Mausoleen handelt. Manchmal sind sie Touristenattraktion wie die als Grabmal des römischen Kaisers Hadrian erbaute Engelsburg oder das weltberühmte Tadsch Mahal bei der indischen Stadt Agra. Das Neckartal bei Stuttgart wird ebenfalls von einem Mausoleum geprägt – von der Grabkapelle auf dem Württemberg. Sie ist ein Meisterwerk des Florentiner Architekten Giovanni Battista Salucci (1769–1845) im Stile des Klassizismus.

Die Grabkapelle erhebt sich an der Stelle, an der einst die Burg Wirtemberg stand, die Stammburg des Hauses Württemberg. Sie ist die Grablege von Katharina Pawlowna (1788 –1819), zweite Frau König Wilhelms I. von Württemberg (1781–1864). Auch Wilhelm und seine Tochter Marie Friederike Charlotte haben dort ihre letzte Ruhe gefunden.

Salucci der Hofbaumeister

Der Schöpfer des Bauwerks, Giovanni Battista Salucci, hat außerdem das klassizistische Rosensteinschloss errichtet und das Wilhelmspalais und das Rosensteintor entworfen. Damit, so urteilt der einstige Leiter des Stuttgarter Stadtarchivs Paul Sauer, gehört er neben Thouret oder Leins zu denjenigen, die Stuttgart in architektonischer Hinsicht zur Königsresidenz gemacht haben. Sauer: „Diesen Rang machte Stuttgart keine andere Stadt mehr streitig. Ludwigsburg, unter König Friedrich noch Sommerresidenz, hatte sich damit zu begnügen, die wichtigste Garnisonsstadt, das schwäbische Potsdam, zu sein.“

Bevor Giovanni Battista Salucci nach Württemberg kam, hatte er ein bewegtes Leben hinter sich, das weniger mit erhabener Architektur als mit politischen Umbrüchen und Kriegen zu tun hatte. 1783 beginnt Salucci sein Architekturstudium an der Akademie der Schönen Künste in Florenz und erhielt seine ersten Aufträge bereits bei Studienreisen in Rom und in Venetien. Doch die vielversprechende Karriere endete jäh. Salucci verkehrte in Bologna unter Sympathisanten der Französischen Revolution und wurde wegen revolutionärer Umtriebe von der habsburgischen Regierung des Großherzogtums Toskana in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Die Konsequenz aus dem Urteil lag für Salucci auf der Hand: Er trat in die französische Italienarmee ein und arbeitete als Topograf und Militärarchitekt in der napoleonischen Vasallenrepublik Italien. Der Florentiner blieb dem Kaiser der Franzosen treu bis zu dessen politischem Ende: Er überlebte Napoleons Russlandfeldzug und geriet in der Schlacht von Waterloo in britische Gefangenschaft.

Durch die Empfehlung eines Schweizer Bankiers kam Salucci nach Württemberg, wo ihn Wilhelm I. 1818 zum Hofbaumeister ernannte.

Zur Grabkapelle kommt ein Museumsshop

Mit dem Bau der Grabkapelle begann Giovanni Salucci 1820 kurz nach dem Tod der Königin und stellte sie 1824 fertig. Stilistische Anleihen nahm der Baumeister von der Villa La Rotonda des Architekturgenies Andrea Palladio (1508–1580) in Vicenza. So umgeben den Zentralbau der frei in den Weinbergen über dem Neckartal stehenden Grabkapelle in allen vier Himmelsrichtungen vier identische, als Portiken bezeichnete Säulenhallen.

Der Innenraum der Kapelle ist rund 20 Meter hoch und hat den Durchmesser von 24 Metern. In Wandnischen stehen überlebensgroße Statuen der vier Evangelisten. Der Evangelist Johannes wurde vom Stuttgarter Bildhauer Johann Heinrich Dannecker (1758–1841), dem Meister des schwäbischen Klassizismus, der schon Goethe und Schiller verewigt hatte, aus weißem Carrara-Marmor gefertigt. Zwei weitere Statuen stammen aus den Händen seines Schülers Theodor Wagner nach Entwürfen des dänischen Bildhauers Bertel von Thorvaldsen, dessen Schiller-Statue den Schillerplatz ziert. Johann Nepomuk Zwerger schließlich hat die Figur des Evangelisten Markus geschaffen.

Umbau der Grabkapelle für 800.000 Euro

Giovanni Salucci hat auch das Priesterhaus, in dem heute die Verwaltung der Grabkapelle untergebracht ist, im Stil einer oberitalienischen Villa entworfen. Es entstand 1821 und beherbergte Priester der russisch-orthodoxen Kirche, die zwischen 1825 und 1899 die Grabkapelle als Kirche nutzten. Bis zum heutigen Tag gibt es in der Grabkapelle am Pfingstsonntag einen russisch-orthodoxen Gottesdienst.

Die orthodoxen Geistlichen waren es, die sich so lange über die Enge im Priesterhaus beklagten, bis es 1829 umgebaut wurde: Die kleine Säulenvorhalle und die darüber liegende kleine, offene Terrasse wurden zugunsten von mehr Wohnraum zugemauert. Weil die Dachhöhen dadurch unterschiedlich wurden, erhielt das Gebäude ein einheitliches Walmdach. Doch jetzt hat sich das Land, dem die Grabkapelle gehört, entschlossen, die Grabkapelle wieder in den Originalzustand zu versetzen. Die Kosten: rund 800 000 Euro. Darin enthalten sind aber auch die Einrichtung eines Museumsshops, eines Bereichs für Museumspädagogik und behindertengerechte Toiletten. Das störende Klohäuschen neben dem Gebäude verschwindet, und das benachbarte Gesindehaus, das allerdings nur im Sommer genutzt werden kann, wird ebenfalls saniert.

Mit Bauchgrimmen haben die Denkmalschützer grünes Licht für die Restaurierung gegeben. „Das Gesindehaus besteht in der heutigen Form 180 Jahre. Mit dem Rückbau verschwindet eine lange Nutzungsgeschichte endgültig“, sagt Bernd Sinzinger vom Stadtplanungsamt. Ausschlaggebend für die Zustimmung der Denkmalwächter war das Genie Saluccis: „Seine Architektur hat eine so hohe Qualität, dass der Schritt gerechtfertigt ist – auch wegen der Harmonie mit der Grabkapelle.“

Apropos Salucci: Der Toskaner hatte von 1823 bis 1829 das Rosensteinschloss entworfen. Als man 1839 im Schloss den Hausschwamm entdeckte lasteten die Beamten dies Salucci an, der entlassen wurde. 1840 kehrte der Mann, der Stuttgart so sehr bereichert hatte, verarmt in seine Heimat Florenz zurück, wo er 1845 starb.