Künftig ändert sich der Text, doch die Melodie bleibt. So vertraut sie ist, liegt der Ursprung ihrer internationalen Karriere im Dunkeln.
In zeremonieller Dauerschleife hat die englische Nationalhymne nahezu alle Sondersendungen zum Tod der Queen die großen Momente ihrer Regentschaft umrankt. In London stimmte eine spontan zusammen gekommene Menge Trauernder vor dem Buckingham Palace noch einmal jenes „God save our gracious Queen“ an, das künftig einem „God save our gracious King“ weichen wird. So wandelbar die Zeilen, so unerschütterlich die Melodie. Dabei steht ihre weltweite Bekanntheit im umgekehrten Verhältnis zu dem unklaren Ursprung.
Eine umstrittene Geschichte, die man sich allerdings vor allem in Frankreich gerne erzählt, schreibt dem Hofkomponisten Ludwigs XIV., Jean-Baptist Lully, die Urheberschaft zu. Während einer schmerzhaften Zahnbehandlung soll der König mangels brauchbarer Anästhetika mit den narkotisierenden Klängen dieser Melodie abgelenkt worden sein, auf die Zeilen „Grand Dieu Sauve Le Roi“ (Großer Gott, schütze den König). Eine These, die im britischen Nachschlagewerk „The Oxford Companion to Music“ empört zurückgewiesen wird.
Auch der Zar mischt mit
Dort wird als eine der Quellen ein Cembalo-Stück von John Bull aus dem Jahr 1608 angeführt, neben Anklängen in Werken Henry Purcells und der Melodie eines gregorianischen Chorals. Unverkennbar ist dann der Beginn der vierten, 1727 komponierten „Coronation Anthem“ von Georg Friedrich Händel. Um den damaligen König Georg II. von Großbritannien und Irland zu ehren, wurde diese Anthem seit 1745 mit dem seither unveränderten Text in London gespielt, wenn der Monarch sich an öffentlichen Orten, in Konzerten oder Theatern zeigte – allerdings in einem Arrangement des Komponisten Thomas Arne. Daraus wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Nationalhymne des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland.
Doch damit ist die Karriere der getragenen Weise noch lange nicht am Ende. Liechtenstein verwendet seit 1850 für seine Nationalhymne „Oben am jungen Rhein“ (bis 1963: „Oben am deutschen Rhein“) die gleiche Melodie. Bei der bis 1961 gesungenen Schweizer Nationalhymne „Rufst du, mein Vaterland“ und der Kaiserhymne des Deutschen Reiches von 1871 bis 1918 „Heil dir im Siegerkranz“ entsprach die Melodie ebenfalls der britischen Hymne. Ebenso diente sie zwischen 1816 und 1833 in Russland unter dem Titel „Molitwa Russkich“ („Gebet der Russen“) dem Zaren.
Schließlich hat auch die Popkultur weiterkomponiert. Die britische Rockband Queen pflegte ihre Konzerte mit einer instrumentalen Version zu beenden. Die Sex Pistols arbeiteten sich zum silbernen Thronjubiläum an dem Stück ab. Was die Punkband nach Kräften ramponierte, baute der Queen-Gitarrist Brian May anlässlich des goldenden Thronjubiläums auf dem Dach des Buckingham Palace 2002 wieder auf: Pomp und Gloria. Mit Neil Young wanderte die Hymne auf sein Album „Americana“, und die Einstürzenden Neubauten collagierten zum 100. Jahrestag des 1. Weltkriegs „God save“ und „Siegerkranz“: „Hymnen“ – ein wildes Lamento über die Gräuel von Krieg und Nationalismus.