Auf der Konferenz Global Connect werben Vertreter der ukrainischen Regierung eindringlich um Unterstützung beim Wiederaufbau ihres Landes – die Landesregierung sieht Unternehmen aus Baden-Württemberg prädestiniert.
Die Ukraine liegt nach mehr als 1000 Kriegstagen am Boden, doch die baden-württembergische Wirtschaft soll ihr zu einer guten Zukunft verhelfen – und zwar möglichst bald. Dieser Appell ging am Mittwoch von der Außenwirtschaftskonferenz Global Connect in Stuttgart aus. „Warten Sie nicht, bis der Krieg aufhört“, riet der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, dem unternehmerisch tätigen Publikum. „Prüfen Sie jetzt Ihre Möglichkeiten.“
Nach seinen Worten haben viele international agierende Unternehmen trotz Krieg ihre Geschäfte vor Ort noch ausgebaut. Die Rüstungsindustrie sei mit ihren „Leuchtturmprojekten“ der „Vorreiter“. In einer Liveübertragung aus dem Wirtschaftsministerium in Kiew wirbt auch der Vizeminister Taras Kachka, dass das Land eine große Entwicklung durchgemacht habe, um gute Geschäfte zu fördern – bei Logistik, Infrastruktur oder Finanzwirtschaft etwa.
„Die Wirtschaft in der Ukraine läuft“
Reiner Perau, Geschäftsführer der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK), schildert, dass er sich oft in dem von Russland angegriffenen Land aufhält: „Am Montag fahre ich wieder hin“, sagt er. „Man kann da sehr verantwortungsvoll arbeiten.“ Seine Botschaft lautet: „Die Wirtschaft läuft.“ Und er rät, sich gleich im neuen Jahr bei einer Delegationsreise vor Ort umzuschauen.
Die Verbände, wie der DIHK, bieten reichlich Plattformen zur Vernetzung an. „Am Ende muss man aber selbst losmarschieren“, sagt Rainer Lindner, Fellbacher Manager und Vorsitzender des Deutsch-Ukrainischen Forums. Aus seiner Sicht hat sich die Ukraine „massiv entwickelt“ – in Sachen Korruption zum Beispiel: Ausschreibungen zur Erneuerung der zur Hälfte von den Russen zerschossenen Energieinfrastruktur werden demnach nach europäischen Standards vorgenommen. Nun seien hierzulande aber auch die staatlichen Förderinstrumente gefordert, mahnt er an die Adresse der deutschen Politiker – auch kleinere Projekte für den Mittelstand müssten unterstützt werden.
Der Botschafter rät, die „Gunst der Stunde zu nutzen“
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) zeigt sich „fest davon überzeugt, dass die Unternehmen im Land einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau leisten können“. Gefragt seien Branchen, in denen der Südwesten stark sei: Maschinenbau, Bauwirtschaft und Energietechnik zum Beispiel. Und sie verweist auf die 150 000 Ukrainerinnen und Ukrainer im Land, die ein „großer Gewinn für Baden-Württemberg“ seien.
Diese „Gunst der Stunde zu nutzen“, rät Botschafter Makeiev den Arbeitgebern eindringlich – viele der Geflüchteten seien gut ausgebildet und hoch qualifiziert; gut 55 Prozent hätten eine Hochschulausbildung. Sie einzustellen, könne eine „Brücke für ihre künftige Tätigkeit in der Ukraine sein“.
Zur Eröffnung der Konferenz hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein düsteres Bild gezeichnet: „Die Globalisierung hat ihre besten Zeiten hinter sich“, befand er. „Die Hoffnung auf ihre integrative Kraft hat sich leider nicht erfüllt – die imperiale Großmachtpolitik ist zurück auf der Weltbühne.“ Europa müsse daher im Kampf für offene Märkte zusammenstehen und eigene Kompetenzen aufbauen, um Abhängigkeiten abzubauen. Baden-Württemberg sei da ein „globaler Akteur“ – mit innovativen Technologien in der Batterie-, Wasserstoff- und Halbleiterherstellung „hat sich unser Land für Europa unverzichtbar gemacht“. Bei KI sei es ein „europäischer Hotspot“.
De-Globalisierung im Welthandel? Im Moment nicht absehbar
Holger Görg, Direktor am Kiel Institut für Weltwirtschaft, will in diese Skepsis nicht einstimmen. Zeichen einer De-Globalisierung sieht er im Welthandel „im Moment nicht“. Die Zeiten seien volatiler, und es gebe etwas weniger Wachstum – doch seien keine anhaltenden Rückgänge zu erkennen. Forscher des Kieler Instituts haben in Szenarien errechnet, was ein radikaler Protektionismus unter dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump bewirken würde – wenn die USA 10 bis 20 Prozent Zölle auf alle Importe und noch deutlich mehr Steuern auf Einfuhren aus China erheben würden. Im Ergebnis könnte dies für Deutschland nur einen kleinen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts bedeuten, meint Görg – obwohl die USA in diesem Jahr zum wichtigsten Handelspartner vor China aufgestiegen sind.
Deutlich heftiger würde die US-Regierung mit Zöllen der eigenen Wirtschaft schaden, sagt der Wissenschaftler voraus. Ein Zusammenbruch der Welthandelsorganisation (WTO) jedoch könnte die europäische Wirtschaft viermal härter treffen als US-Zölle. Daraus schlussfolgert Görg: Protektionismus bringt Wohlstandsverluste; stattdessen muss die EU ihren Binnenmarkt stärken und Handelsabkommen mit vertrauenswürdigen Ländern abschließen, Innovationen beschleunigen und ein „Frühwarnsystem“ für strategische Güter einrichten.