Tempo-70-Schild vor Neuneck weg. Landratsamt appelliert an vorausschauendes Fahren.
Glatten - Ab jetzt kann es keine Steine mehr regnen auf der L 409 zwischen Leinstetten und Neuneck. Mit dem Ende der Hangsicherungsarbeiten verschwand jedoch auch ein Tempo 70 Schild kurz vor einer scharfen Kurve. Drohen dort nun neue Gefahren?
"Es war dunkel und ich bin von Neuweiler nach Oberndorf gefahren", wendet sich ein junger Mann an unsere Zeitung. Auf dem Weg sei er auf der L409 hinter Neuneck an der Stelle vorbei gekommen, wo von Mitte April bis Mitte Juni diesen Jahres der steile Hang gesichert wurde. "Das ist eine 100er-Zone und für mich war nicht ersichtlich, dass da gleich eine scharfe Kurve kommt." Doch die sei gekommen. Und er habe sie erst gesehen, als er fast auf der Wand hing. "Der LKW, der mir entgegenkam, hatte wohl das gleich Problem. Er musste fast zaubern, um noch rechtzeitig abbremsen zu können", erinnert sich der 26-Jährige. Er ist sich sicher, hier stand einmal ein Tempo-70-Schild, das mit der Baustelle verschwunden sei.
Und tatsächlich: Wer die kurvige Strecke einmal abfährt, merkt schnell, dass sie vielleicht mit 80 Kilometern pro Stunde, jedoch nicht mit 100 zu fahren ist. Rote Pfeile weisen auf die Gefahrenstelle hin, wo lediglich eine letzte Dixi-Toilette daran erinnert, dass hier noch vor zwei Wochen am Hang gearbeitet wurde. Maschennetze aus Metall halten den nun dort, wo er hin gehört. Ein Schild zur Tempobegrenzung gibt es jedoch nicht.
Straßenverkehrsbehörde zuständig für Geschwindigkeitsregeln
"Das 70 km/h-Schild war seitens des Landratsamtes Freudenstadt auf Grund der Steinschlaggefahr im Bereich der Kurve, deren Bereich wir durch Steinschlagnetze gesichert haben, aufgestellt worden", erklärt Clara Reuß vom Regierungspräsidium Karlsruhe, das die Sicherungsmaßnahme als Straßenbaulastträger durchgeführt hat. "Die Gefahrenstelle wurde durch die Maßnahme beseitigt und das Verkehrszeichen 70 km/h daher nicht wieder aufgestellt." Ob es sinnvoll sei, das zu tun, müsse der Landkreis Freudenstadt entscheiden.
Sabine Eisele vom Landratsamt Freudenstadt bestätigt, dass der Grund für die Geschwindigkeitsbeschränkungen in der Steinschlaggefahr lag. "Während der Baumaßnahme sollte der Verkehr außerdem mit angepasster Geschwindigkeit an die Baustellenampel herangeführt werden." Nachdem beide Gefahrenpunkte beseitigt seien und die Strecke in der Vergangenheit nie unfallauffällig war, seien sämtliche Beschränkungen wieder zurückgenommen worden.
Da bleibt jedoch die Frage, auf welcher Basis die Entscheidung um eine Geschwindigkeitsgrenze getroffen wird. Muss erst ein Unfall passieren? Die Prüfung erfolge natürlich schon vorher, erklärt Eisele. Die übliche Vorgehensweise vor dem Aufstellen von Schildern sei wie folgt: "Für die Prüfung und Anordnung von Verkehrszeichen sind die Straßenverkehrsbehörden der Landratsämter, beziehungsweise die großen Kreisstädte zuständig. In Einzelfällen sind auch die Gemeinden gefragt. Die Anordnungen erfolgen in der Regel nach Begutachtung der entsprechenden Streckenabschnitte vor Ort durch die Verkehrsschaukommission." Diese bestehe neben den Vertretern der Straßenverkehrsbehörde aus Vertretern des Straßenbaulastträgers und der Polizei. Letztere beraten die Straßenverkehrsbehörde, die dann eine abschließende Entscheidung treffe.
Im Fall der kurvenreichen Strecke zwischen Leinstetten und Neuneck sehen die zuständigen Behörden jedoch keinen Handlungsbedarf. "Verkehrszeichen sind nach den Vorschriften der StVO nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss", so die Sprecherin des Landratsamts. "Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt." Kurz gesagt: so viele Verkehrszeichen wie nötig, so wenige Verkehrszeichen wie möglich. Auf diese Weise solle ein "Schilderwald" verhindert werden, der bekanntermaßen nur noch mehr verwirren kann.
Vorausschauende Fahrweise ist gefragt
Was aber ist mit der Tatsache, dass in den Kurven schlicht keine 100 km/h gefahren werden können? Hier seien die Verkehrsteilnehmer gefordert, vorausschauend zu fahren, meint Eisele: "Auch wenn die Geschwindigkeit an der angesprochenen Stelle nun nicht mehr beschränkt ist und damit die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erlaubt wäre, gilt: wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird." Die Geschwindigkeit sei insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.
"Dem Fahrzeugführer kommt somit eine hohe Eigenverantwortung zu, die – das lässt sich aus den Unfallstatistiken herauslesen – zunehmend leider in den Hintergrund tritt." So sei überhöhte Geschwindigkeit nach wie vor die Hauptunfallursache in Deutschland.
Das unauffällige Unfallgeschehen in diesem Bereich zeige bislang keinen Handlungsbedarf. Auch bestehe in diesem Streckenabschnitt keine Gefahrenlage, die ein allgemeines Risiko übersteige, teilt Eisele im Namen des Landratsamts mit. Der Streckenabschnitt von Neuneck in Richtung Leinstetten verlaufe entlang der Glatt in einem engen Tal, naturgemäß sei hier der Fahrbahnverlauf kurvig. "Die Erkennbarkeit der Kurve werden wir in den nächsten Tagen noch mit Kurvenleittafeln erheblich verbessern."