Da liegt er nun, der Apfelbaum. Anwohnerin Silvia Finkbeiner, Volker Pfau und Erich Gaiser betrachten das Werk der nachtaktiven Nagetiere. Biberbeauftragter Andreas Jäschke zeigt auf die Biberburg, deren Eingang sich unter Wasser befindet. Foto: Ade/Gemeinde

Paul und Frida leisten ganze Arbeit auf Gemeindegrundstück an der Glatt. Im Mai Nachwuchs bekommen.

Glatten - Die Biber hinter dem Rathaus fühlen sich in Glatten offenbar pudelwohl. Vor wenigen Tagen haben sie – nach langer Vorarbeit – den prächtigen Apfelbaum auf dem Gemeindegrundstück am Hang neben der Glatt niedergestreckt. Und: Paul und Frida haben Nachwuchs bekommen.

Lange hatten die Biber ihr Werk vorbereitet. Erste Fraßspuren gab es bereits vor knapp einem Jahr. Nun, in der Nacht zum vergangenen Dienstag, war es geschafft: Der Apfelbaum war sauber abgenagt und kippte hangaufwärts. Und das ganz bewusst, weiß der Biberbeauftragte der Gemeinde Glatten, der ehemalige Waldarbeiter Andreas Jäschke. Ihm liegt das Wohl der nachtaktiven Nager sehr am Herzen.

"Wir haben so gegen 23 Uhr was gehört, und auch der Hund hat angeschlagen", berichtet Anwohnerin Silvia Finkbeiner. Doch gesehen habe sie den gefallenen Baum erst am nächsten Tag. "Ach, das waren so gute und große Äpfel", seufzt die Anwohnerin – und holt schnell ihr Handy, um ein Foto vom Werk der Biber zu machen.

"Die müssen ja scharfe Zähne haben", stellt Volker Pfau aus Wittensweiler fest, als er auf einem Spaziergang mit Erich Gaiser aus Glatten den Baum begutachtet. Auch Werner Sinn aus Glatten ist vor Ort. "Ich habe schon seit längerer Zeit gesehen, dass die Biber an dem Baum tätig sind", erzählt er.

Anwohnerin Ute Zinser hat das Treiben am Apfelbaum ebenfalls schon lange verfolgt. Anfangs habe sie gedacht, "da haben Kinder rumgeschnipfelt". Seit der Stamm nun liegt, legt sie immer wieder Äpfel aus ihrem Garten unter das Laub des Baums – "damit die Biber Freude und ein Erfolgserlebnis haben".

Äpfel und Weiden werden zugefüttert

Biberbeauftragter Andreas Jäschke ist seit einigen Jahren in Rente, aber auch im Ruhestand noch für die Gemeinde tätig. Der rührige Natur- und Tierliebhaber hat die Biber stets im Auge, und das nicht nur tagsüber, sondern auch mit der Nachtkamera.

"Also für mich ist das richtig schön, ich liebe das, das sind meine Babys", sagt Jäschke begeistert. Der Biberbeauftragte füttert die nachtaktiven Tiere ganz gezielt, um Schäden zu vermeiden. "Die Biber kann man nur in den Abendstunden sehen", so Jäschke. "Ich gehe immer zur gleichen Zeit zum Füttern hin – Äpfel und zweimal die Woche auch Weide. Dann hänge ich meine Wildkamera auf." Und in der Früh sieht Jäschke regelmäßig, dass die Äpfel weg sind: "Dann bin ich glücklich."

Etwas Herzblut gehöre schon dazu, sagt Jäschke zu seiner Tätigkeit – "und man muss auch schon etwas ein Spinner sein". Die Weiden zur Zufütterung entnimmt er an Bachläufen, wo sie in angrenzende Flächen hineinwachsen. "So helfe ich gleich doppelt, den Landwirten und gleichzeitig den Bibern", sagt er. "Die Biber richten keinen Schaden an, weil ich zufüttere", ist er überzeugt.

Das langsame Fällen des Apfelbaums hinter dem Rathaus hatte Jäschke von Anfang an im Blick. "Die ersten Fraßstellen hat letztes Jahr im August Jäger Karl Franz gesehen und mir Bescheid gegeben." Andere Bäume entlang des Bachs wurden mit Drahtgeflecht gesichert – der Apfelbaum wurde bewusst den Nagern überlassen. Immer mal wieder hat Jäschke daran frische Bissspuren vorgefunden. Durch die Zufütterung mit Äpfeln und Weiden hätten die Biber wohl so lange gewartet, vermutet er. Den Apfelbaum habe man bewusst abnagen lassen, da dieser dem Bauhof bei Mäharbeiten stets im Weg gewesen sei.

Dass sich die Biber in Glatten wohl fühlen, zeigt sich auch daran, dass sie im Mai Nachwuchs bekommen haben, wie Jäschke berichtet. Beim Gang vom Rathaus Richtung Stauwehr sprudelt es nur so aus ihm heraus. Dort graben sich die Tiere nachts unter dem Zaun hindurch, erzählt er. "Hier ist meine Lieblingsfutterstelle, an der ich jede Nacht die Wildkamera aufhänge. Ich habe schon über 1000 Bilder gemacht."

Die Namen Paul und Frida hat Jäschke den Bibereltern gegeben. Auch der Nachwuchs ist inzwischen benannt. "Das Erstgeborene ist die Gundula", sagt er, "und der Erwin ist der Zweitgeborene." Gundula sei die Große, Erwin habe seinen Namen von Bürgermeister Tore-Derek Pfeifer bekommen. Und Erwin sei ganz schön frech, meint der Biberbeauftragte: "Der zeigt sich mir jeden Abend und kommt beim Füttern bis auf zweieinhalb Meter an mich ran."

Die Jungen müssen im Frühjahr weiterziehen

Eigentlich wisse man aber gar nicht, ob es sich um Weibchen oder Männchen handelt, schränkt Jäschke ein: "Das macht man halt so, denen gibt man Namen – wir wollen eine schöne Geschichte." Und die Glattener würden die Biber unter diesen Namen kennen.

Auch mit dem Kindergarten war Jäschke schon mehrfach am Bach und erzählte den staunenden Kindern von der Biberfamilie, die mitten in Glatten wohnt. Die Mutter der Biberfamilie schätzt er auf über 30 Kilo. "Ein Fachmann hat mir erzählt, dass die locker 36 Kilogramm erreichen können", berichtet Jäschke. "Wenn die im Wasser angeschwommen kommt, meint man, es sei ein kleines Wildschwein."

Idealerweise hätten die Biber ihre Burg beim Wehr gebaut, erklärt Jäschke. Da dort eine natürliche Staustufe sei, müssten die Tiere erst gar keinen Damm bauen. Alles spiele sich dort in dem halb stehenden Gewässer ab. Der Zugang zur Biberburg sei wie üblich unter Wasser.

Im kommenden Frühjahr würden die Jungen "definitiv" von den Bibereltern vertrieben. "Sie werden weggejagt. Sie müssen sich ein neues Revier suchen, das haben mir Fachleute so gesagt", berichtet Jäschke. "Die gehen dann getrennte Wege, wegen Inzucht, das ist in der Natur so vorgegeben." Und so könne es sein, dass einer Richtung Hammerschmiede zieht, der andere Richtung Lombach. Aber das werde man nicht erfahren – die Tiere sind nicht markiert.