Der Gewerkschaftsbund mahnt die Unternehmen und ihre Verbände zum Tag der Arbeit, sich aktiver für sichere Jobs einzubringen. Für die 1.-Mai-Kundgebung in Stuttgart hat der DGB Neues ersonnen – aufgrund schlechter Erfahrungen.
Vor dem Tag der Arbeit am 1. Mai fordern die Gewerkschaften von den Unternehmen, mehr Verantwortung für den Standort Baden-Württemberg und den Erhalt der Jobs zu übernehmen. „Wir wollen hier Zukunftsinvestitionen statt Arbeitsplatzverlagerungen, Stellenabbau an den heimischen Standorten und den Rückzug aus Tarifverträgen“, sagte der DGB-Landesvorsitzende Kai Burmeister in Stuttgart. Speziell von den Arbeitgeberverbänden erwarte er „mehr konstruktive Vorschläge für die Sicherung von Zukunft von Standorten und Beschäftigung, als dauerhaft in einer Motzecke unterwegs zu sein“.
„Voodoo-Debatten“ in der Politik
Die von den Wirtschaftsverbänden angestoßenen und vom Ampelpartner FDP sowie von der Union aufgegriffenen Vorstöße für eine „Wirtschaftswende“ nennt Burmeister „Voodoo-Debatten, die wenig mit den tatsächlichen Problemen von arbeitenden Menschen zu tun haben“. Es brauche nicht mehr abstrakte Auseinandersetzungen über einen angeblich zu aufgeblähten Sozialstaat, mehr Überstunden oder ein höheres Renteneintrittsalter – „sondern wir brauchen so etwas wie eine Agenda für Gerechtigkeit und sichere Arbeit“. Scharfe Kritik übte er in dem Zusammenhang auch am Umgang mit älteren Beschäftigten: „Wir beobachten, dass sie eher wieder aus den Betrieben herausgedrängt werden.“ Da gebe es „offenbar einen Widerspruch zwischen dem Arbeitgeberverbänden und der betrieblichen Realität“, die von Arbeitskräftemangel geprägt sei.
„Transformation nicht missbrauchen“
Fundamentale Probleme für die Wirtschaft wolle er nicht verhehlen, sagte der Landesvorsitzende, „weil ich weiß, wie sehr Wohlstand und Wirtschaft zusammenhängen“. Er plädiere dafür, die „fundamentalen Herausforderungen“ anzugehen, warne aber die Unternehmen auch davor, „Transformation zu missbrauchen“.
Der 1. Mai steht unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“. In Baden-Württemberg sind 46 Veranstaltungen geplant. Erwartet werden etwa 20 000 Teilnehmer – etwa so viele wie voriges Jahr. Auffällig ist, dass in Stuttgart kein bekannterer Hauptredner geplant ist. Dieses Novum hat einen besonderen Grund: Am 1. Mai 2023 hatten sich radikale Kräfte, ein sogenannter „linker Block“, am Rande der Kundgebung einige Scharmützel mit der Polizei geliefert. In der medialen Berichterstattung dominierten dann die Krawalle, während der DGB-Feiertag kaum noch eine Rolle spielte.
Neues Konzept soll Krawalle wie vor einem Jahr verhindern
Daraus haben die Gewerkschaften in monatelangen internen Überlegungen einen Schluss gezogen: „Wir wollen nicht, dass andere unsere Kundgebung kapern und missbrauchen“, sagt der DGB-Landesvorsitzende. „Wir werden unseren 1. Mai hier wieder ein bisschen anders ausrichten, damit uns das nicht mehr passiert.“ Daher sollen nun die eigenen Themen nach vorne gestellt werden. Statt eines prominenten Hauptredners kommen mehr Menschen aus den Betrieben zu Wort – insbesondere aus der Automobilindustrie oder dem Einzelhandel.
Insgesamt spürt der DGB derzeit Rückenwind durch den Zulauf vor allem während der Tarifrunden: Bundesweit ist die Zahl der Mitglieder im vorigen Jahr auf 5,7 Millionen gestiegen, nachdem voriges 437 000 Neuzugänge verzeichnet wurden. In Baden-Württemberg blieb die Gesamtzahl bei rund 780 000 stabil, auch weil 62 447 neue Mitglieder hinzugekommen waren – so viele wie noch nie. „Wir sind in Zeiten des demografischen Wandels sozusagen die Kraft, auf die viele Hunderttausende Menschen vertrauen“, betont Burmeister.