Die Führung des Gewerkschaftsbundes bereitet sich auf die neue Bundesregierung unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz vor. Der Ton wirkt verständigungsbereit – wäre da nicht die lange Wunschliste des DGB.
Nach einer unterm Strich einträglichen Phase mit der Ampelregierung bereitet sich der Gewerkschaftsbund (DGB) auf eine mögliche neue Bundesregierung vor. Diese könnte von Friedrich Merz geführt werden, weshalb sich der CDU-Chef und die DGB-Spitze vor Tagen ausgetauscht haben.
„Es war gut, es war ein offenes, interessiertes Gespräch“, sagte die Vorsitzende Yasmin Fahimi vor Journalisten. Fast zwei Stunden habe Merz sich Zeit genommen. Er sei „sehr interessiert, gerade auch aus unseren Mitgliedsgewerkschaften die konkrete Situation in der Wirtschaft anzuhören; daran werden wir natürlich in Zukunft anknüpfen“.
Hauptsache, die FDP kommt nicht in Regierungsverantwortung
Ausgerechnet mit einer Agenda 2030, in Erinnerung an die Agenda 2010, hat die CDU den von ihr beabsichtigten wirtschaftspolitischen Kurswechsel eingeleitet. Dennoch verzichtet Fahimi auf verbale Angriffe. „Es werden keine einfachen Zeiten“, sagt sie. „Es gibt in der Breite immer wieder den Versuch, den Sozialstaat anzugreifen, aber auch an die Löhne und die sozialen Rechte der Beschäftigten zu gehen.“ Welche Kräfte sich durchsetzen, werde man sehen. Auch im Arbeitgeberlager vergehe quasi keine Woche, ohne dass sich „eine neue Stimme erhebt, die Morgenluft geschnuppert hat“. Sie könne sich, so Fahimi, „nicht vorstellen, dass eine Partei, die sich als Volkspartei versteht, in Regierungsverantwortung tatsächlich in der Art und Weise mit der Abrissbirne durch unseren Sozialstaat geht“. Doch setzt sie voll darauf, „dass die FDP unter dieser Führung nicht wieder in die Regierung kommt“.
Mit einer langen Wunschliste schlägt der Gewerkschaftsbund schon mal seine Pflöcke ein. Vor allem verlangt er eine „Investitionsoffensive im Eiltempo“. Aktuell bestehe ein „zusätzlicher Bedarf bei Bund, Ländern und Gemeinden von mindestens 600 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre, um unsere Infrastruktur zu modernisieren, Schulen zu sanieren und unsere starke Wirtschaft auf klimafreundliche Füße zu stellen“, sagt Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Allein die Kommunen müssten 200 Milliarden zusätzlich investieren. Die Schuldenbremse sollte daher für Investitionen in die Zukunftsfähigkeit „von vornherein nicht gelten“.
Offensive gegen die Wohlhabenden gefordert
Ökonomische Berechnungen zeigten, dass ein kreditfinanziertes öffentliches Investitionsprogramm auch die Unternehmensinvestitionen antreibe: Für jeden staatlich investierten Euro kämen noch mal bis zu 1,3 Euro an Unternehmensinvestitionen dazu. Die so erzielten Wachstumseffekte könnten sogar dazu führen, dass die Staatsschuldenquote sinkt.
Damit der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht weiteren Schaden nehme, lehnt der DGB eine „Steuerreform mit der Gießkanne“ ab. Die Einnahmebasis des Staates müsse insgesamt verbreitert werden. „Die Zahl der Privatiers, die ausschließlich von Vermögenseinkünften leben, ist zuletzt auf knapp 900 000 Personen gestiegen“, sagt Körzell. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besäßen mehr als 60 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte zusammen nur 2,3 Prozent des Vermögens hält. „Die wachsende Ungleichheit ist eine große Gefahr für die Demokratie.“
So verlangt der DGB von der neuen Regierung „mehr Leistungsgerechtigkeit“: Es sei „nicht nachvollziehbar, warum leistungsloses Einkommen geringer besteuert wird als Erwerbsarbeit“, so Körzell. Superreiche, große Erbschaften, Höchstverdienende und Kapitaleinkünfte müssten mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Die Vermögenssteuer müsse wieder eingeführt, die Erbschaftsteuer gerechter gestaltet, Kapitaleinkünfte höher besteuert werden.
Die IG Metall plant am 15. März einen Aktionstag mit Kundgebungen an fünf Standorten, etwa in Stuttgart. Anlass ist der Wandel der Industrie und seine Folgen für die Jobs. Auch andere DGB-Gewerkschaften können sich beteiligen. Über etwaige weitere Demonstrationen gegen einen radikalen Kurswechsel in der nächsten Bundesregierung will Fahimi „jetzt nicht spekulieren“.