Auch in der Bürgerfragestunde melden sich die Protestierenden zu Wort. Foto: Cools

Bewusste Manipulation, Zustimmung aus Pflichtgefühl – von den Bürgern, die gegen das Regionale Gewerbegebiet (RegGE) protestierten, musste sich der Gemeinderat in der Sitzung einiges anhören. Bei der Abstimmung segnete die Mehrheit den Vorentwurf dennoch ab.

Sulz - Nach dem Protest der Bürger vor dem Backsteinbau äußerten sich einige auch im Rahmen der Bürgerfragestunde.

So meldete sich Lisa Hezel aus Renfrizhausen, deren landwirtschaftlicher Betrieb rund 570 Meter vom geplanten RegGE entfernt liegt, zu Wort. Sie vermisse vor allem den offenen Dialog. Auf viele Fragen habe man keine Antwort bekommen. Sie warf der Stadtverwaltung vor, das "Halbwissen der Stadträte" genutzt zu haben, um Druck aufzubauen und diese bewusst zu manipulieren. Mancher Stadtrat hätte aus Pflichtgefühl für das RegGE gestimmt, so einer der Vorwürfe, auf die Applaus aus der Zuhörerschaft folgte.

Unterstützt wurde Hezel von den anderen Protestierenden, auf deren Plakaten "Rettet die Natur" und "Nein zum Regionalen Gewerbegebiet auf bestem Ackerland" stand. "Es geht hier um die Zukunft der Kinder, nicht der Erwachsenen", meldete sich ebenfalls eine Schülerin zu Wort.

Bürgermeister Gerd Hieber wies darauf hin, dass es bisher lediglich um einen Vorentwurf gehe. Zunächst wolle er den Mangel an Informationen, der wohl auch der langen Zeit des Prozesses geschuldet sei, ausräumen. Das Projekt sei schon sehr lange Gegenstand von Diskussionen gewesen.

Im Jahr 2000 habe man die Fläche, die sich zu etwa 90 Prozent auf Bergfelder und zu zehn Prozent auf Holzhauser Gemarkung befindet, für ein RegGE vorgeschlagen. 2004 hatte man den Standortvorschlag beim Regionalverband gemacht. 2010 hatte Daimler Interesse daran für eine Teststrecke bekundet, sich aber doch dagegen entschieden.

Seriöser Umgang

Im Juli 2020 habe man den Aufstellungsbeschluss für ein Bebauungsplanverfahren gefasst. Wenn der Vorentwurf abgesegnet werde, stehe die Beteiligung der Behörden und Sonstiger an. Im April 2022 soll der Satzungsbeschluss erfolgen. Die lange Zeit des Prozesses sei Ausdruck dessen, dass man mit dem Gebiet sehr seriös umgehe, machte Hieber deutlich.

2017 sei der Beschluss gefallen, dass das RegGE von drei Säulen getragen wird, der Wirtschaftsförderung SBH, dem Regionalverband und der Stadt Sulz. Die Stadt habe bei allem das Erstentscheidungsrecht. Alle bisherigen Entscheidungen seien von einer großen Mehrheit des Gemeinderats mitgetragen worden.

Hieber ging auch auf die Rückmeldung der Streuobstfreunde Bergfelden ein. Diese hatten sich in einem offenen Brief an die Stadt gewandt und das Stadtentwicklungskonzept 2014 als Argument herangezogen. Dort sei von "Erhalt und Erhöhung der Strukturvielfalt auf den agrarisch geprägten Hochflächen" die Rede.

In eben diesem sei Sulz als periphere, ländliche Gemeinde mit einer unterdurchschnittlichen Entwicklung kategorisiert worden, rief Hieber in Erinnerung. Jahrelang habe sich die Stadt auf die Solidargemeinschaft und Umlagen verlassen. Nun wolle man auf eigenen Füßen stehen. Das Potenzial zur Entwicklung habe man mit der Nähe zur A 81 und den Flächen.

Im Stadtentwicklungsplan sei die Maßnahme Regionales Gewerbegebiet konkret festgehalten worden. Natürlich seien dabei die gleichen Faktoren zu klären wie bei jedem Bauvorhaben – ob Wohnen oder Gewerbe: der Flächenverbrauch und der Verkehr etwa.

Projektleiterin Margarethe Stahl ging auf Details der Planung ein. Bereits 2016 habe man eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und die Belange des Artenschutzes geprüft. Vertiefende Erhebungen würden nun noch nötig sein.

Der Geltungsbereich des B-Plans umfasst rund 80 Hektar Grundstücksflächen, woraus ein rund 43,3 Hektar großes Gewerbegebiet entwickelt wird. Innerhalb dieses Gebiets soll der Bau von Hallen mit einer Größe von rund 500 Metern Gebäudelänge und -breite ermöglicht werden.

Weitere Flächen sind als potenzielle Ausgleichsflächen (rund zehn Hektar) und für landwirtschaftliche Nutzung (rund 25 Hektar) vorgesehen. In der 40-Meter-Anbauverbotszone an der Autobahn will man eventuell Photovoltaikanlagen realisieren.

Heidi Kuhring (GAL) kritisierte die zehn Hektar Ausgleichsfläche. "Das reicht ja hinten und vorne nicht." Schließlich habe man dort schon allein 25 Brutreviere der Feldlerche entdeckt. Ein Fachbüro sei damit beauftragt worden, weitere mögliche Ausgleichsflächen zu prüfen, erwiderte Stahl. Das Ergebnis werde bis Ende August erwartet.

André Amon (SPD) fragte, ob man sicherstellen könne, dass ein Investor auch in Sulz Gewerbesteuer zahlen werde. Das sei zwingende Vorgabe und werde abgeklopft, so Hieber. Ohnehin entscheide der Gemeinderat, an wen die Fläche gehe.

Verkehrsleitsystem fehlt

Die Mehrheit der GAL-Fraktion sei stets gegen das RegGE gewesen, äußerte sich Kuhring. Die Ablehnungsgründe hätten sich nicht verändert, sondern verschärft. Der Entwurf sei lückenbehaftet. Sollte er dennoch beschlossen werden, so werde die GAL die Bürgerbewegung gegen das Vorhaben unterstützen.

Bergfeldens Ortsvorsteher Martin Sackmann erklärte, der Ortschaftsrat habe das Vorhaben unter anderem wegen des fehlenden agrarstrukturellen Gutachtens und Verkehrskonzeptes abgelehnt. Hieber korrigierte ihn: Es gebe ein agrarstrukturelles Gutachten. Dieses werde lediglich fortgeschrieben – eine reine Formalität.

Auch gebe es ein Verkehrskonzept zur Anbindung. Was fehle, sei ein Verkehrsleitsystem, das Bergfelden schon heute benötige, meinte er. Dass ein solches funktioniere, sehe man an der Kernstadt, in der die Durchfahrt für den Schwerlastverkehr verboten sei. Er hätte sich statt einer generellen Ablehnung aus Bergfelden eher Vorschläge gewünscht, meinte Hieber.

André Amon hob noch einmal den langen Planungsprozess hervor. In dieser Zeit habe sich viel verändert. Flächenversiegelung sei heute ein völlig anderes Thema als vor 20 Jahren. Er werde den Vorentwurf aufgrund der ungeklärten Ausgleichsflächen und der fehlenden Vision bezüglich der Frage, was für ein Unternehmen sich dort ansiedeln wird, ablehnen, sagte er.

Kein Argument war für ihn das fehlende agrarstrukturelle Gutachten. Er habe sich die Flächen angeschaut. "Das sind keine Biotope, sondern das ist Monokultur", sagte er. Auch fand er, in Bergfelden werde mit zweierlei Maß gemessen, habe man doch für Wohnbebauung munter Flächen im beschleunigten Verfahren ohne Ausgleich versiegelt.

Diskretion erwünscht

Tobias Nübel (CDU) verwies darauf, dass es sich um eine Entscheidung zum Wohle der Gesamtstadt handle. Schließlich generiere man hier Geld, das man beispielsweise für die Erhaltung der Schulen an allen Standorten einsetze. Der Koordinierungsvertrag mit den Partnern habe seines Erachtens nach nur Vorteile für die Stadt Sulz. "Diesen Vertrauensvorschuss aus der Region sollte man schätzen.",

Die Entscheidung werde indes nicht leichtfertig getroffen. Natürlich wolle man als Bürger über alles sofort informiert werden, aber viele Interessenten legten Wert auf Diskretion. Das Misstrauen der Bevölkerung sei unangebracht.

Der Antrag von Axel Grathwohl (FWV), die Entscheidung zu vertagen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Anschließend segneten zwölf Räte den Vorentwurf ab, während sieben dagegen stimmten und einer sich enthielt. Hieber rief die Bürger danach dazu auf, sich nun bei der Beteiligungsphase einzubringen, damit man das Projekt am Ende mit der größtmöglichen Zustimmung abschließen könne.