Nicht eben ist die Hirnau-Fläche – das könnte Probleme bringen, meinen einige Räte. Foto: Eyrich

Lautlinger Gremium legt Positionspapier mit 31 Punkten vor. Bedenken und Anregungen.

31 Punkte umfasst ein Positionspapier des Ortschaftsrates Lautlingen mit Fragen und Anregungen zum Thema Gewerbegebiet Hirnau. Es ist der Stadtverwaltung zugegangen und wird nun zunächst einmal geprüft.

Albstadt-Lautlingen - Da "der von uns und auch vom Gemeinderat gewünschte ›Runde Tisch‹ leider nicht zustande gekommen ist", hat der Ortschaftsrat Lautlingen ein "Positionspapier zum Gewerbegebiet Hirnau/Stetten" ausgearbeitet und bringt darin Bedenken und Anregungen vor – 31 an der Zahl.

Was ist mit dem Runden Tisch? Der sollte nicht zum Thema Gewerbegebiet, sondern zum Thema Ortsumfahrung Lautlingen tagen, erklärt Udo Hollauer, Bau- und Erster Bürgermeister der Stadt Albstadt, auf Anfrage des Schwarzwälder Boten. Mit dabei sein sollten auch Vertreter des Regierungspräsidiums Tübingen – zum Thema Hirnau sei nie ein Runder Tisch geplant gewesen.

Beratung vor Aufstellungsbeschluss für Bebauungsplan

Gleichwohl: Das Positionspapier werde die Stadtverwaltung nun inhaltlich Prüfen und "den Inhalt in die weiteren Beratungen einfließen lassen", so Hollauer.

Ziel des Ortschaftsrates ist es, "damit diese Fragen und Problemstellungen an die Gemeinderäte der Stadt Albstadt zur weiteren Beratung" weiterzugeben, bevor Ortschafts- und Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan fassen.

Dass sich unterschiedliche und teilweise gegensätzliche Positionen im Papier wiederfinden, betonen die Verfasser ausdrücklich, denn das spiegele das Meinungsbild im Gremium wider. Ziel sei es, Antworten zu erhalten, die es den einzelnen Räten ermöglichten, fundiert abzustimmen. "Für eine Stadt sind Gewerbegebiete und die damit verbundene Schaffung von Arbeitsplätzen wichtig für das strukturelle Wachstum, das ist uns allen bewusst", heißt es. "Aber es gibt darüber hinaus noch wichtigere Aspekte als die rein kommerziellen: die Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Einwohner."

150 Euro pro Quadratmeter Bauplatz?

Die 31 Fragenkomplexe sind jeweils mit den Namen der Fragesteller gekennzeichnet. Die Ortschaftsräte Martin Alber, Günther Kirschbaum, Peter Buck und Ortsvorsteher Heiko Peter Melle sehen eine Verteilung der Gewerbeflächen über die Stadt als Chance, negative Folgen zu entschärfen, und nennen die Gebiete Eschach/Lauterbach, Geißbühl, Bildstock, Ehestetten, Lichtenbol und Industriebrachen als Beispiele.

Hohe Erschließungskosten für Hirnau hätten Bauplatzpreise von 150 Euro pro Quadratmeter und mehr zur Folge, meinen sie, und fragen, ob etwa nur ein bestimmtes Klientel dort erwünscht sei und "XXL und Co." – gemeint sind Firmen wie die Möbel-Kette XXL-Lutz, die an einem Bauplatz interessiert war – "durch die Hintertür" erneut kämen. Noch immer sei der Bedarf an Gewerbeflächen in dieser Preisklasse nicht bekannt – die Studie von Stadtplanungsamt und Wirtschaftsförderung müsse zugänglich gemacht werden.

Die vier Räte fragen außerdem nach der technischen Realisierbarkeit einer Verkehrsanbindung des Bauwerkes 10 der geplanten Umfahrung an den Anschluss Weststadt/Badkap, welche die Stadt größtenteils selbst finanzieren müsse, und ob es nicht sinnvoll sei, die geplante Ortsumfahrung an den Südrand des Gewerbegebiets zu legen, anstatt dessen beste und ebenste Flächen der Trasse zuzuschlagen.

"Überflutungen könnten die Folge sein"

Zudem befürchten sie Überflutungen an den offenen Stellen des Ebingertalbaches und dem Zusammenfluss mit dem Meßstetter Talbach.

Wie wolle die Stadt die Entwässerung des Gewerbegebiets im Ortskern lösen? Das geplante Retentionsbecken wäre bei einem 100-Jahre-Regen nach einer Stunde voll – der Überlauf fließe in den Ebingertalbach. Nach der Lösung des Problems fragen Melle, Kirschbaum, Alber und Buck ebenso wie nach der Grundwasserverschmutzung und der Wasserverknappung in Bruckbach und Lauterbach, die 2020 erstmals trockengefallen waren – die "Bahnquellen" im Ebingertal würden durch weitere Versiegelung preisgegeben.

Das lokale Kleinklima im Ort würde durch die Bebauung derzeitiger Grünflächen gestört, ein Großteil der Ausgleichsmaßnahmen anderswo umgesetzt, so dass Lautlingen nicht partizipiere, befürchten die Vier und fragen zudem nach der Eignung des unebenen Baugrunds auf Hirnau für größere Gebäude sowie nach möglichen Bauverzögerungen durch Funde in der ehemaligen Siedlung "Stetten" und der nötigen archäologischen Begleitung – beides verteure die Erschließung auf Kosten der Bauherrin, der Stadt Albstadt, und damit die Grundstückspreise.

Die vier Räte schlagen vor, als Alternative eine Erweiterung des Gewerbegebiets Eschach/Lauterbach Richtung Laufen zu prüfen, was weniger Probleme mit sich bringe. "Der Einzug der ›regionalen Grünzäsur‹" – solche Grünzüge im Regionalplan verhindern eine Bebauung – "dürfte klärbar sein", meinen sie, denn auch Hirnau sei einst Grünzug gewesen. Schließlich befürchten sie mehr Pendler, weil das Eyachtal und Ebingen nicht alle Inhaber der neuen Arbeitsstellen auf Hirnau aufnehmen könne.

Allein 15 Punkte kommen von Günther Kirschbaum, die zum Teil die Themen der Vierergruppe vertiefen – Versiegelung, Entwässerung, fehlende Klimatisierung, hohe Grundstückspreise zum Nachteil heimischer Bauwilliger. Er kritisiert den Bodenverlust durch die geplante Ortsumfahrung und den damit verbundenen Wertverlust von 9,3 Millionen Euro – 170 Euro pro Quadratmeter vorausgesetzt. Für den zentralen Anschluss am Knotenpunkt Badkap würden 3,6 Millionen Euro fällig – das sei nicht verhältnismäßig. Kirschbaum mahnt an, dass vor der Planrealisierung des Gewerbegebiets die planfestgestellte Trasse der Ortsumfahrung vorliegen müsse.

Die andere Fraktion sieht auch das Thema anders

Das Papier endet mit zwölf Punkten, welche die Ortschaftsräte Helena Bodmer, Bernd Stauß, Holger Mayer, Thomas Haas, Marc Söhn und Frank Otterbach vorbringen und mit denen sie den von den anderen vorgebrachten Punkten widersprechen respektive die Notwendigkkeit der Einlassungen bestreiten. Sie gehen angesichts des positiven Effektes von Hirnau auf die Kosten-Nutzen-Rechnung für eine Ortsumfahrung davon aus, dass Letztere ohne Hirnau nicht gebaut würde und größere Trassen-Umplanungen zu erheblichen Unsicherheiten und Zeitverzögerungen führten – anderslautende Aussagen seien nicht belegt. Damit spielen die Sechs auf Aussagen der Bürgerinitiative "Engagierte Lautlinger Bürger" an, die eine Tunnel-Trasse fordert und bei Umplanung nicht von einem Neustart des Verfahrens ausgeht.

Sie weisen ferner darauf hin, dass Einwände ja im Zuge des Planfeststellungsverfahrens geprüft würden – darunter auch alternative Trassenführungen.

Das Konzept zur Abwasser- und Oberflächenwasser-Bewirtschaftung sei schlüssig dargelegt worden, eine abschließende Bewertung bis zur Vorlage eines Gutachtens aber noch nicht möglich.

Vergleichbar große und verkehrsgünstige zusammenhängende Gewerbeflächen gebe es in Albstadt derzeit nicht. Den Bedarf daran weise die Stadt aber schlüssig nach, wenngleich die Möglichkeit zur Einsicht in die entsprechenden Unterlagen noch ausstehe.

Quellen im Gebiet würden nicht mehr genutzt

Das Fazit des Umweltberichts widerspreche der Erschließung von Hirnau nicht, dessen Fläche ohnehin "nicht besonders schützenswert" sei: "Schadstoffmessungen ergaben teils erhöhte Cadmium-Konzentrationen." Laut Landratsamt seien die Quellen im Gebiet anfällig gegenüber Verunreinigungen und würden nicht mehr genutzt.

Als Anregungen bringen sie vor, den Platzbedarf örtlicher Betriebe zu marktüblichen Preisen zu decken, Gebäudehöhen auf zehn Meter zu begrenzen, auf Besiedlung mit CO2-neutralen Betrieben hinzuwirken, ein Nachhaltigkeitskonzept für Hirnau vorzulegen und auf Einpassung der Gebäude ins Landschaftsbild zu achten.

Sie fordern die gemeinsame Ausarbeitung eines Katalogs mit verbindlichen und konkreten Anforderungen an die Bebauung, ein Ansiedlungsverbot für Einzel- und Großhändler, die vorrangige Ausstattung der Lautlinger Feuerwehr angesichts der Mehrbelastung durch Hirnau und die Zusage, dass Lautlingen keine finanziellen Nachteile entstehen.