Klare Kante der Gewerbegebiets-Gegner: "Bodenschutz geht uns alle an." Quelle: Unbekannt

Niederlage mit Ansage: Was die Ablehnung des Gewerbegebiets Ahldorf über die politische Stimmungslage aussagt.

Horb - Um 1.04 Uhr stehen Bürgermeister Ralph Zimmermann (FDP), Fachbereichsleiter Joachim Patig und OB Peter Rosenberger (CDU) immer noch in der Hohenberghalle und diskutieren. Rosenberger steht kerzengerade, drückt das Kreuz durch. Wer ihn kennt, der weiß: Er ist angespannt. Ist das der Anfang einer Revolte gegen das Stadtoberhaupt? Eine Analyse.

Das dürfte in der Amtszeit von OB Peter Rosenberger noch nie passiert sein: Mit 16 Stimmen wurde der Verwaltungsvorschlag für das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf abgelehnt. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Vier CDUler (Diana Hübl, Michael Keßler, Gerhard Fassnacht, Ulrich Beuter) stimmten gegen das "Herzensanliegen" vom CDU-Parteifreund.

Jung stellt die Vertrauensfrage

Und nach dem Ex-OGL-Fraktionschef Luis Schneiderhan, der privat auf der Tribüne saß, äußert auch BiM-Gemeinderat Simon Jung hefige Kritik an Rosenberger. Und stellte die Vertrauensfrage: "Immer wieder kritisieren sie, Herr Rosenberger, das Misstrauen des Gemeinderats. Dabei ist diese Kritik bei ihnen anzubringen. Ich bin erschrocken, als ich das neue Gutachten für die Fläche Zwei in Ahldorf gesehen haben. Ich wusste nichts davon, die Bürger wussten nichts davon. Im Juli wurde die Kritik im Gemeinderat präzisiert, dass sie alle nicht rechtzeitig informierten. Und jetzt dieses Vorgehen – das führt zum Misstrauen der Bürger. Das schadet dem Ruf von Horb. Ich frage mich, wie dieses Gremium mit ihnen in Zukunft noch zusammenarbeiten soll?"

Auch Gerhard Fassnacht (CDU) hatte in der Debatte Zweifel an dem Vorgehen des Rathauses geäußert.

Ist die Zweidrittel-Mehrheit gegen das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf jetzt ein Zeichen auch ans Rathaus?

Auch CDUler kritisieren das "Verheimlichen" des zweiten Standortgutachtens neben Hau und Holzwiese. Im nicht-öffentlichen Teil des VTAs am Dienstag, 13. Oktober, war das kein Thema. Die Unterlagen sollen erst danach für die Gemeinderäte vorab veröffentlicht worden sein.

Ein Gemeinderat sagt: "Dieses Vorgehen hat nicht dazu beigetragen, das Vertrauen zu erhöhen." In der Debatte hatte OB Peter Rosenberger zugegeben, dass er entschieden hat, dass diese zweite Fläche neben Hau und Holzwiese bis zur Autobahn untersucht wird. Damit ist der oft kritisierte Bürgermeister Ralph Zimmermann (FDP) hier außen vor.

Schlechte Stimmung sensibilisiert

Einige Gegner des Gewerbegebiets hatten – trotz aller Widrigkeiten – Live-Stream, Absage wegen Corona – insgeheim auf die Abstimmung am Mittwoch in der Hohenberghalle gedrängt. Das Kalkül: Die schlechte Stimmung spielt ihnen in die Karten.

Das hat wohl auch funktioniert. Denn: Im Hintergrund ist schon herauszuhören, dass die emotional angespannte Stimmung im Gemeinderat, zwischen den Gemeinderäten und zwischen Rathausspitze und Gemeinderat zwei Effekte hatte: Gemeinderäte, die noch keine klare Meinung vorab hatten, hörten genau hin, was gesagt wurde. Und für die Skepsis gab es dann genug Argumente – auch durch die Gutachten..

Sondersitzung zum Gewerbegebiet Ahldorf im Livestream

Der zweite Effekt: Durch diese schlechte Stimmung und den im Raum stehenden "Hinterlist-Trick" der Rathausspitze hörte jeder Gemeinderat offenbar nur auf sein Herz. War sich bewusst, dass er auch vor dem Wähler glaubwürdig sein muss. Und alle bewiesen, dass sie selbst – jeder für sich – persönlich integer sind und das Vertrauen der Wähler verdient haben. Da wurde keinem ins Wort gefallen. Auch persönliche Angriffe gab es nicht. Und: Es wurde offen – für alle im Livestream sichtbar – abgestimmt.

Da konnte auch der Bürger sehen, wer welche Meinung hat. Keiner versteckte sich hinter dem Stimmzettel. In sofern von den Gemeinderäten selbst eine Sternstunde!

Auch die Ortsverbundenheit, auf der die CDU besonderen Wert legt, spielt eine klare Rolle bei der persönlichen Entscheidung. Einer sagt: "Der Wald hat für den Ort Ahldorf eine sehr hohe Bedeutung für die Naherholung. Sonst hätte ich für Hau und Holzwiese gestimmt – aber dem Wald und die Naherholung kann man den Ahldorfern nicht nehmen!"

Gutachter steht mächtig unter Druck

Skeptiker hören natürlich genau hin, was gesagt wird. Auch wenn Fledermausexperte Christian Dietz nicht reden durfte, hatte seine am Sitzungstag um 14 Uhr beim Rathaus eingegangene Präsentation offenbar Wirkung gezeigt. Dietz hatte nach Informationen des Schwarzwälder Boten unter anderem kritisiert, dass beim artenschutzrechtlichen Gutachten des Büro Gfrörer mit "amateurhaften Instrumenten" – also mit Gerätschaften, die weder zertifiziert noch anerkannt sind – Arten oder das Nichtvorhandensein belegen habe.

Die Folge: Rainer Schurr vom Büro Gförer sprach Klartext. Sagte: "Meiner Meinung nach ist Hau und Holzwiese im Vergleich zur Alternativfläche in Ahldorf die, die beim Artenschutz am sensibelsten ist. Dazu bestehen erhebliche Risiken, dass dort nach vertiefenden Untersuchungen noch mehr gemacht werden muss."

Entwicklung in Ahldorf viel zu teuer

Klartext: Hau und Holzwiese, wo nach dem geologischen Gutachten ohnehin nur knapp elf Hektar für Gewerbe zu nutzen wären, hätte auch bei den Kosten für Artenschutz zum "Fass ohne Boden" werden können.

Und dieses Gefühl, dass Ahldorf richtig teuer werden kann, wurde auch von Lärmschutzgutachter Thomas Heine unterstützt.

Er sprach davon, dass das Gewerbegebiet auf der Fläche neben Hau und Holzwiese kombiniert mit der Autobahn A 81 dazu führen könnte, dass die Kommune eine Lärmschutzwand an der Autobahn bauen muss. Um den Lärmpegel insgesamt für die Ahldorfer zu minimieren.

Die Kosten allein dafür? Heine: "Sowas an der Autobahn zu installieren, kostet Millionen." SPD-Gemeinderat Dieter Rominger-Seyrich sprach von sechs Millionen Euro und fragte nach der Alternative eines lärmmindernden Autobahnasphalts.

Dieser könne auch eine aureichende Lärmminderung bringen, so der Experte. Aber es könne gut sein, dass der Bund als Straßenlastträger die Kosten dafür auf die Kommune abwälze.

Und auch das enorme Kostenrisiko der Begradigung der bisher hügeligen Felder bis hin zur A 81 mit den riesigen Kosten kam auch noch dazu. Ein Gemeinderat: "Selbst wenn man für weitere Gewerbegebiete ist – für mich kam heraus, die Standorte in Ahldorf ein viel zu hohes Kostenrisiko hatten."

Bröckelt die "Groko" aus CDU und FD/FW?

Fakt ist: Die FD/FW hat sechs Sitze im Gemeinderat. Neben Jürgen Poppitz fehlte in der Sondersitzung auch Jan Straub entschuldigt. Das heißt: Die theoretische Stimmenmehrheit der "Groko-Mehrheit" (CDU: 7 Sitze, FD/FW 6 Sitze) und die Stimme vom OB – insgesamt 14 Stimmen – war schon bei Beginn der Sitzung nicht möglich.

Insgesamt waren 24 Gemeinderäte da. OB Rosenberger hatte am Anfang der Sitzung erklärt, dass lediglich Martin Raible (ULH) beim Tagesordnungspunkt Ahldorf befangen sei. Weder bei Michael Keßler (CDU-Fraktionschef) noch Simon Jung (BiM, Familie besitzt Wald) lag Befangenheit vor.

Keßler hatte sich wie Rominger-Seyrich (SPD) schon immer klar und eindeutig gegen die Gewerbegebiete in Ahldorf ausgesprochen. Der Rest der SPD hatte sich äußerst skeptisch gezeigt. Damit stand es kurz nach Beginn der Sitzung fest, das mit mindestens 13 Gegenstimmen zu rechnen sein könnte.

Allerdings: Auch CDUler sprechen davon, das die Gräben, die aufgetan wurden, wieder zugeschüttet werden müssen.

Ist das jetzt die "Revolution?"

Darüber gibt es geteilte Meinungen. Einige sagen: "Auch wenn die Unterlagen über das geplante Gewerbegebiet von der Stadtspitze früher öffentlich gemacht worden wäre – ich bin der Grundüberzeugung, dass hätte am Abstimmungsverhalten nichts geändert." Andere sagen: "Durch die zu späte Veröffentlichung kann schon der Eindruck entstehen, dass OB Rosenberger und die Stadtspitze das unbedingt durchdrücken wollten. Dabei hätte kein Zeitdruck bestanden. Es wäre besser gewesen, man hätte erst einmal intensiv über den Komplex Ahldorf informiert. Dann alles sacken lassen. Und dann abstimmen."

Fakt ist: Es wurde auch das sogenannte GE-Reg, ein Gebiet nördlichen des jetzigen Industriegebiets Heiligenfeld, mehrheitlich abgelehnt Und damit die Chance, noch mehr Quadratmeter an potenzieller Gewerbefläche in Verhandlungen mit dem Regionalverband für Horb herauszuhandeln. Die dann an anderer Stelle verbaut werden könnten. Hier sind schon seit vielen Jahre 50 Hektar als Option festgelegt. Falls ein großer wie BMW ein großes Werk in der Region Nordschwarzwald neu bauen will. Oder Tesla doch mal anklopft...

Der Gemeinderat sagte aber mit großer Mehrheit Nein dazu. Es gibt nur vier Ja-Stimmen.

Damit könnte – unabhängig im Streit um Ahldorf – das eintreten, was Befürworter der weiteren Gewerbegebietsentwicklung befürchtet haben. Silke Wüstholz (FD/FW): "Wir dürfen uns mit dem heutigen Tag nicht die Möglichkeiten einer Expansion verschließen. Wir dürfen die Türen für Unternehmer nicht endgültig verschießen!"

Ob es da so klug von OB Peter Rosenberger war, die Gutachten über den zweiten Standort in Ahldorf so lange geheimzuhalten? Darauf zu drängen, dass nicht nur über das strittige Ahldorf in der Sondersitzung abgestimmt wird?

Gerhard Fassnacht hatte es in der Debatte wie folgt auf den Punkt gebracht: "Es hätte vorher eine ausführliche Diskussion geben müssen. Ich finde das Argument ein bisschen überzogen, wenn heute abgelehnt wird, das es keine Gewerbeentwicklung mehr gibt. Durch die gesetzliche Umlegung im Heiligenfeld werden 13 Hektar generiert. Von dem her brauchen wir nicht zu tun, dass es der Untergang des Abendlandes wäre, wenn wir heute nicht entscheiden!"

Interne Verstimmungen in der Verwaltung

Auch im Rathaus soll es intern kritische Stimmen zum Vorgehen von Rosenberger geben. Gewöhnlich gut unterrichtete Kreise sagen, dass sich die Verwaltungsmitarbeiter viel Arbeit mit der Vorbereitung gemacht hätten und nun um die Früchte ihrer Arbeit gebrachten worden. Das Verhalten und Vorgehen des OB habe Unverständnis und Kopfschütteln ausgelöst.