KFOR-Soldaten bewachen in Zvecan ein kommunales Gebäude. Foto: Bojan Slavkovic/dpa/Bojan Slavkovic

Kosovos Premier und Serbiens Präsident beschuldigen sich gegenseitig. Dabei sind sie für die Gewalteskalation gleichermaßen verantwortlich.

Tränengasschwaden, Schüsse, Brandbomben und Dutzende von Verletzten: Nach der erneuten Gewalteskalation im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo zu Wochenbeginn warteten Pristina und Belgrad wieder einmal mit gegenseitigen Schuldvorwürfen auf.

„Von Belgrad gesteuerte und maskierte Extremisten“ hätten die „kriminellen Attacken“ gegen die Kosovo-Polizei, die internationale KFOR-Schutztruppe und Journalisten angezettelt, so Kosovos Premier Albin Kurti in einer Erklärung. Ganz anders die Lesart in Belgrad: Kurti wolle die Kosovo-Serben in „einen Konflikt mit der Nato“ ziehen, so Serbiens Präsident Aleksandar Vucic in Belgrad. Das einzige Ziel von Pristina sei die „Destabilisierung“ der Lage.

Brüchige Zwangseinigung

Erst im März hatten sich die Kontrahenten auf Druck der EU im mazedonischen Ohrid auf ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen der Ex-Kriegsgegner geeignet. Doch der nach der Zwangseinigung von den EU-Würdenträgern verkündete Versöhnungsvollzug der unwilligen Nachbarn hat sich erneut als verfrüht erwiesen. 30 verwundete KFOR-Soldaten und über 50 verletzte Kosovo-Serben sind die Bilanz der Ausschreitungen vor dem Rathaus von Zvecan.

Die Eskalation war programmiert. Die sich ihnen durch das Ohrid-Abkommen bietende Chance einer tatsächlichen Annäherung haben beide Seiten mit Blick auf ihre Wähler bewusst nicht genutzt. Kosovo liegt seit der Unabhängigkeit 2008 mit dem die Eigenstaatlichkeit der Ex-Provinz noch nicht anerkennenden Serbien im Dauerclinch. Auf weniger als 100 000 Menschen ist die Minderheit der Kosovo-Serben in dem 1,7-Millionen-Einwohner-Staat geschrumpft. Die Hälfte lebt in dem fast ausschließlich serbisch besiedelten Nordwestzipfel des Landes.

Es ist die Einsetzung der neuen albanischen Bürgermeister, die in den vier serbisch dominierten Kommunen im Nordkosovo nun für Proteste sorgt. Da die Kosovo-Serben die von Pristina im April angesetzten Kommunalwahlen boykottiert hatten, wurden die neuen albanischen Ratsherren nur mit wenigen Hundert Stimmen gewählt.

Taub für diplomatische Töne

Serbiens Präsident Vucic verschlechtert mit jedem seiner meist innenpolitisch motivierten Schachzüge die Lage seiner Landsleute in Kosovo. Seit die Kosovo-Serben im Norden im November den Staats- und Polizeidienst quittiert haben, ist die für ihre rabiaten Einsätze berüchtigte ROSU-Sondereinheit der Kosovo-Polizei in Nordkosovo ständig präsent. Statt ihrer auf Geheiß Belgrads die Ämter niederlegenden Politiker haben die Kosovo-Serben im Norden nun albanische Ratsherren erhalten.

Mit rhetorischen Ausfällen und Armeeaufmärschen an der Kosovo-Grenze schürt Vucic die Spannungen. Mit einer demonstrativen Politik der Stärke, Verhaftungen und vermehrter Polizeipräsenz versucht Kosovo-Premier Kurti den unbotmäßigen Norden zu befrieden. Der dort als „Okkupator“ verrufene Premier verstärkt so das Misstrauen vieler Kosovo-Serben gegenüber Pristina. Westliche Diplomaten hatten Kurti abgeraten, den albanischen Bürgermeistern in Nordkosovo gewaltsam den Rathauszugang zu verschaffen. Doch in Pristina und Belgrad verhallen die Deeskalationsaufrufe internationaler Diplomaten und Sonderbeauftragten. Streit zwischen Serben und Kosovaren hat lange Tradition – seit der Schlacht auf dem Amselfeld 1389.