In Freudenberg herrscht große Trauer. Foto: dpa/Oliver Berg

Im Fall der getöteten zwölfjährigen Luise werden die beiden mutmaßlichen Täterinnen strafrechtlich nicht verfolgt, da Kinder unter 14 Jahren in Deutschland als schuldunfähig gelten. Doch wie steht es um die Strafmündigkeit in anderen Ländern? Ein Überblick.

Die beiden mutmaßlichen Täterinnen im Fall der getöteten zwölfjährigen Luise werden nicht strafrechtlich verfolgt. Sie sind 12 beziehungsweise 13 Jahre alt - und in Deutschland gelten Kinder, die noch keine 14 Jahre alt sind, nach dem Gesetz als schuldunfähig. Ein Vergleich zeigt: Auch in den meisten anderen europäischen Staaten würden Kinder in dem Alter nicht strafrechtlich verfolgt. Teils ist das Alter für die Strafmündigkeit höher. Es gibt aber auch Länder, in denen Kinder vor Gerichte gestellt werden.

Im deutschen Strafrecht kann man auch bei schweren Delikten nur bestraft werden, wenn man schuldhaft gehandelt hat - und dazu braucht es Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, die Kinder in der Regel noch nicht haben. Das heißt aber nicht, dass eine Tat keine Konsequenzen hätte. Das Familiengericht oder Stellen wie das Jugendamt können benachrichtigt werden. Hier geht es jedoch um Unterstützung - nicht um Strafe.

Die Fachwelt ist sich weitgehend einig

In der Weimarer Republik wurde die Strafbarkeitsgrenze 1923 von zwölf auf 14 Jahre angehoben. Die Nationalsozialisten senkten die Grenze 1943 zwischenzeitlich wieder auf zwölf Jahre. Das wurde in der Bundesrepublik 1953 wieder rückgängig gemacht. Auch in der DDR galt von 1952 an die Grenze von 14 Jahren.

Der Gesetzgeber habe evidenzbasiert entschieden, die Grenze bei 14 Jahren zu ziehen, sagt Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt. Nach allem, was man aus anderen Wissenschaften wie Soziologie oder Erziehungswissenschaften über das Aufwachsen und den Entwicklungsstand von Kindern wisse, seien Menschen bis zu dem Alter in der Regel nicht einsichts- und steuerungsfähig und somit nicht schuldfähig. Die Fachwelt ist sich demnach weitgehend einig, dass 14 die richtige Altersgrenze ist.

„Es kann natürlich sein, dass das im Einzelfall anders ist“, sagt Singelnstein. „Der Gesetzgeber hat sich aber - aus meiner Sicht zurecht - für eine generalisierende und nicht für eine individualisierende Lösung im Gesetz entschieden.“ Ansonsten müsse man jeden Einzelfall untersuchen. Die allermeisten Kinder wären mit stigmatisierenden Verfahren konfrontiert, obwohl am Ende rauskäme, dass die Schuldfähigkeit nicht gegeben sei.

In Irland gibt es Ausnahmeregelungen

Wie aus einer Aufstellung des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags aus dem Jahr 2019 hervorgeht, beginnt in mehr als der Hälfte der EU-Staaten die Strafmündigkeit mit 14 oder 15 Jahren. Dazu gehören Länder wie Schweden, Finnland und Dänemark (15 Jahre) oder Kroatien, Italien und Spanien (14). Auch in Österreich sind Jugendliche unter 14 Jahren nicht deliktsfähig und können nicht verurteilt werden. Ihnen drohen allenfalls Erziehungsmaßnahmen.

In Portugal beginnt die Strafmündigkeit erst ab 16 Jahren. In Polen ist man ab 17 strafmündig, für ausgewählte Straftaten wie Mord oder Entführung können aber auch 15-Jährige bestraft werden. In Frankreich werden Kinder unter 13 Jahren als nicht urteilsfähig gewertet. Auch wenn diese Einschätzung im Einzelfall aufgehoben werden kann, kann ein Jugendrichter maximal Erziehungsmaßnahmen verhängen.

In den Niederlanden liegt die Altersgrenze dagegen bei zwölf Jahren. Auch Ungarn änderte das Alter der Strafmündigkeit 2013 von 14 auf zwölf. In Irland liegt die Altersgrenze bei zwölf, bei schweren Taten gibt es eine Ausnahme für Kinder zwischen zehn und elf.

Unterschiedliche Regelung in den USA

In der Schweiz sind Kinder schon ab dem 10. Geburtstag strafmündig. Für sie gilt das Jugendstrafrecht, das zwar für ältere auch Strafen, aber vor allem Schutzmaßnahmen vorsieht. Erst ab dem 16. Geburtstag können Jugendliche eine Freiheitsstrafe bekommen.

Im Vereinigten Königreich können bereits Kinder zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt werden. Die Strafmündigkeit beginnt in England, Wales und Nordirland bei zehn Jahren, in Schottland bei zwölf.

In den USA ist die Regelung von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. In knapp der Hälfte gibt es überhaupt kein Mindestalter, ab dem Kinder vor Gericht gestellt werden können. In vielen Staaten liegt die Altersgrenze zwischen zehn und dreizehn Jahren. Teils gilt die Grenze aber nicht für Straftaten wie Mord.