Im Sozialausschuss des Kreistags bekommen die Vertreter der kassenärztlichen Vereinigung die ganze Wut ab. Für Horb zeichnet sich eine Lösung ab, die eine Linderung für die Eltern bedeuten könnte.
Scheitert eine Lösung, die die Kinderarzt-Krise im Landkreis und in Horb mildern könnte, am Regulierungs-Irrsinn? Landrat Klaus Michael Rückert greift im Sozialausschuss des Kreistags die Kassenärztliche Vereinigung (KV) heftig an: „Die KV ist auf hohem Ross unterwegs. Sie hält die Akteure vor Ort nicht für so wichtig.“
Mit dem Rückzug des Horber Kinderarztes Michael Nagel und zweier seiner Kollegen fallen im Kreis Freudenstadt drei Sitze weg.
Kreisrat Peter Rosenberger (CDU), auch OB von Horb: „Es geht nicht nur um die Eltern in unserem Landkreis, sondern auch in den Nachbar-Landkreisen. Denen wird überall gesagt: Du kannst in unsere Praxis nicht kommen.“
Sein CDU-Kollege Stefan Langrehr, selbst Kinderarzt und mit im Vorstand der Ärztekammer Freudenstadt: „Als die Rückgabe des Kassensitzes von Michael Nagel bekannt wurde, haben wir beschlossen, dass wir grundsätzlich zunächst alle neuen Patienten abwehren. Wir blocken weiter grundsätzlich ab, bis es eine Lösung gibt.“
MVZ Dettingen: Neuer Kinderarzt von KV abgelehnt
Kreisrat Rosenberger: „Die MVZ-Praxis in Dettingen erklärt mir: Sie hätten sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung um einen Kassenarzt für Kinder- und Jugendmedizin beworben. Die KV hat das abgelehnt, weil wir aktuell überversorgt sind.“
Landrat Rückert: „Das ist ein Hammer. Die KV macht die Augen zu, obwohl man in Not ist!“
KV: Das entscheidet der Zulassungsausschuss
Dennis Haberland von der Kassenärztlichen Vereinigung: „Darüber entscheidet der Zulassungsausschuss. Nur in freigegebenen Bereichen dürfen wir tätig sein.“ Der Zulassungsausschuss sei „paritätisch mit Ärzten und Krankenkassenvertretern“ besetzt, heißt es auf der Homepage der KV.
Seit wann war klar, das Nagel seinen Kassensitz zurückgeben will?
Der Vorwurf von Horbs OB Rosenberger und anderen Kreisräten: Die KV habe niemanden über das Aus von Nagel informiert. Und jetzt behindern die Regularien ein schnelles Handeln.
Fakt ist: Am 6. Oktober veröffentlichte der Horber Kinderarzt Michael Nagel auf seiner Homepage die schlechte Nachricht: Ab 1. Januar 2025 behandelt er nur noch auf private Abrechnung. Am 26. Oktober wurde bekannt, dass Nagels angestellter Kinderarzt Philipp Schwarze den Landkreis verlässt. Am 28. Oktober die nächste schlechte Nachricht: Auch die bei Nagel angestellte Kinderärztin Nicole Anders geht. Vom Aus von Nagel, so Rosenberger, habe er erst aus der Zeitung erfahren.
Stefan Langrehr sagt im Kreistag: „Ich habe mit den Kollegen lange Gespräche geführt. Auch Modelle durchgesprochen. Philipp Schwarze hat sich anders entschieden.“
Kann neuer Arztsitz frühestens im Februar vergeben werden?
Falls es gelingt, schnell einen neuen Kinderarzt zu finden – wann könnte der anfangen?
Wegen der Regularien gilt der Landkreis Freudenstadt derzeit als überbesetzt. Weil Michael Nagel fast drei Kassensitze innehat, liegt der Landkreis derzeit in der Statistik bei einem Versorgungsgrad von 113 Prozent, so die KV im Sozialausschuss. KV-Sprecher Kai Sonntag: „Eine Unterversorgung wird vom Landesausschuss festgelegt.“ Der tagt am 19. Februar 2025. Erst, wenn die Unterversorgung festgestellt ist, kann der Arztsitz neu vergeben werden.
Kann es auch schneller gehen?
Kai Sonntag: „Solange Dr. Nagel seine Praxis behält, versorgt er die Patienten. Wenn Dr. Nagel seinen Arztsitz ausschreibt und einen Nachfolger findet, könnte ein reibungsloser Übergang stattfinden; das hängt aber nicht an der KV, sondern an ihm.“
Der Sprecher der KV Baden-Württemberg weiter: „Wenn Dr. Nagel seine Tätigkeit beendet und seinen Arztsitz nicht ausschreibt, müsste man warten, bis der Landesausschuss das nächste Mal tagt. Der Arztsitz würde dann wegfallen, der Landkreis Freudenstadt würde wahrscheinlich geöffnet werden, so dass es dann neue Niederlassungsmöglichkeiten geben würde.“
Chance für Horb, einen Kinderarztsitz zu behalten
Das Rathaus Horb kann versuchen, mit Michael Nagel und dem MVZ Dettingen zu sprechen. Um – falls das MVZ Dettingen noch einen Kinderarzt anstellen kann – einen reibungslosen Übergang zu koordinieren.
Kreisrat Langrehr: „Als ich zuletzt mit Michael Nagel telefoniert habe, hat er mir gesagt, dass er den Kassensitz vielleicht erst Ende Januar zurückgibt.“ KV-Sprecher Kai Sonntag: „Das Zulassungsrecht ist sehr kompliziert. Ob also dann eine ‘Konstruktion‘ mit der Übergabe eines Sitzes auch wirklich funktioniert, können wir vorher nicht sagen.“
Kinderärztin Ioana Oprea in Horb hat etwas mehr Kapazität
Eine gute Nachricht hat Horbs Kinderärztin Ioana Oprea: „Eine Kollegin hat die Genehmigung, als Sicherstellungsassistentin zu arbeiten, in Übergang bis zu ihrer Zulassung für die vertragsärztliche Tätigkeit. In dieser Hinsicht unterliegen wir, mitunter auch zeitlich, den gesetzlichen und berufsständischen Normen und Regelungen, dennoch können wir neue Patienten aufnehmen.“
Die Kinderärztin sagt auch: „Ich befürchte, dass unsere Aufnahmekapazitäten eher einem Tropfen auf den heißen Stein gleichen und die gesamte Versorgungssituation nicht wesentlich verändern können.“