Sie fordern mehr Unterstützung, von links: Bernd Manz (Leiter Selbsthilfebündnis), Gisela Reinert (Betreuung Angehörige Selbsthilfebündnis), Jörg Breiholz (Fachbereichsleiter seelische Gesundheit Diakonisches Werk), Werner Lauber (Fachbereichsleiter Gemeindepsychiatrie Caritas) und Bernhard Wilde (Leiter Werkstätten Lebenshilfe) Foto: Holger Schlicht

Angesichts der deutschlandweiten Aktionswoche „Lass Zuversicht wachsen – psychisch stark in die Zukunft“ verweisen Verantwortliche auf einen Notstand im Kreis Lörrach.

Die Aktionswoche des zur seelischen Gesundheit 2025 steht unter dem Motto „Lass Zuversicht wachsen – Psychisch stark in die Zukunft“ und findet vom 10. bis zum 20. Oktober in ganz Deutschland statt.

 

In der Kirche zum Quadrat in der Nansenstraße in Lörrach haben sich aus diesem Anlass Verantwortliche eines entsprechenden Selbsthilfebündnisses des Landkreises Lörrach mit unserer Zeitung zum Pressegespräch getroffen.

Das Selbsthilfebündnis hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit psychischen Problemen zu unterstützen. Dies sei aufgrund der unzureichenden Versorgung im Landkreis notwendig, wie die Verantwortlichen kritisch anmerken.

Laut Jörg Breiholz, dem Fachbereichsleiter für seelische Gesundheit beim Diakonischen Werk, habe sich zwar viel getan in den vergangenen 50 Jahren. Dies reiche aber nicht aus, um eine flächendeckende Versorgung für psychisch erkrankte Menschen sicherzustellen.

Arbeitsunfähigkeitstage werden immer mehr

Statistisch gesehen leide jeder Dritte in Deutschland an einer psychischen Erkrankung, erklärt Bernd Manz, der Leiter des Selbsthilfebündnisses in Lörrach.

Die Arbeitsunfähigkeitstage seien in den letzten 20 Jahren enorm gestiegen. Die Gründe seien vielfältig: Überforderung im Arbeitsalltag, unsichere Arbeitsplätze, der Druck, immer mehr Aufgaben immer schneller erledigen zu müssen.

„Ein Tabuthema“

Einzig die Depression werde mittlerweile gesellschaftlich anerkannt. Andere psychische Erkrankungen seien oft immer noch ein Tabuthema. In der von dem Selbsthilfebündnis gegründeten Selbsthilfegruppe würden zehn Teilnehmer seit Monaten auf eine Psychotherapie warten, hieß es.

Bei der Nachsorge heißt es oft: Fehlanzeige

Bei fünf Teilnehmern bestünde ein hohes Suizidrisiko. Eine Teilnehmerin sei nach einem Suizidversuch in Emmendingen aufgenommen und behandelt worden. Danach sei sie ohne Nachsorge entlassen worden, berichtet Gisela Reinert vom Selbsthilfebündnis. Sie habe dann einen zweiten Suizidversuch unternommen, den sie ohne eine Einweisung nach Emmendingen überlebte. Doch selbst nach zwei Suizidversuchen sei die Suche nach einer Psychotherapie bisher erfolglos geblieben.

Grund dafür sei zum einen der Mangel an Anlaufstellen, beklagte die Bündnissprecherin. Zum anderen sei es immer noch so, das Privatversicherte nach ein paar Tagen einen Termin bekämen, Kassenversicherte aber monatelang auf einen Termin warten müssten.

Problembereich psychosoziale Versorgung

Auch bei der psychosozialen Versorgung mangele es an Personal, sei es in stationären Psychiatrien oder bei der ambulanten Versorgung. Diese kämen immer mehr in Stress, erzählt seinerseits Werner Lauber von der Caritas, die Mitarbeiter selbst würden bei der Beratung auch immer öfter an ihre Grenzen stoßen, ruft er in Erinnerung.

„Bedarfsanpassung dringend notwendig“

Daher sei eine Bedarfsanpassung dringend notwendig, betont er. Alle Beteiligten am Pressegespräch wünschen sich mehr Unterstützung vom Landkreis. Die kassenärztliche Vereinigung reagiere unbefriedigend, merkt Bernd Manz, Leiter des Selbsthilfebündnisses, an.

Eine Neuausrichtung der gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf die psychosoziale Versorgung in Baden-Württemberg sei dringend notwendig. Ein Hoffnungsschimmer sei die Gruppentherapie, sagte Breiholz. Das würde zwar nicht für jeden passen, sie sei aber ein gutes Konzept für die Zukunft.

Zum Programm der Aktionswoche: https://www.seelischegesundheit.net/aktionen/aktionswoche/