Wurde seinem Ruf als brillanter Rhetoriker gerecht: René Borbonus Foto: Eyrich

In ihrer Reihe "Gesprächsstoff" hat die Lautlinger Wäschefirma Mey einer "vergessenen Tugend" einen Abend gewidmet, aus dem die zahlreichen Zuhörer viel mitnehmen – und nach dem sie sich über sich selbst wundern – konnten.

Dass sie respektvoll mit anderen umgehen, glauben wohl die meisten von sich – das ergibt auch die kleine Umfrage, die René Borbonus seinem Vortrag über "Respekt! Ein Plädoyer für eine vergessene Tugend" voranstellt. Bevor er die vielen Zuhörer im Bistro "s’Albrecht" der Firma Mey eines Besseren belehrt. Oder vielmehr: das, was jeder ab und zu gedankenlos von sich gibt, als respektlos entlarvt.

Der Vortragsredner, Trainer und Autor, der als einer der besten Redner Deutschlands gilt und das auch in der Reihe "Denkanstöße" des Schwarzwälder Boten mehrfach unter Beweis gestellt hat, nimmt sich da selbst nicht aus: Seinen Sohn habe er mit der Frage "Hast Du Dir die Zähne geputzt?" zum Lügner gemacht, statt ihn nach Entdecken der trockenen Zahnbürste einfach zum Putzen aufzufordern.

Was ist Respekt? "Den Anderen sehen", betont Borbonus. "Man kann Menschen Ansehen verleihen, indem man sie ansieht." Respekt sei das, was die Menschen an ihrem Arbeitsplatz am meisten vermissten – was direkt mit der Zahl der Krankheitstage zusammenhänge, sagt der Rhetoriker, der auch Politiker berät und deshalb weiß: "Kein Streit – keine Meldung" – in Berlin ein geflügeltes Wort. Andere Respektlosigkeiten dienten der Unterhaltung, etwa in der "Heute Show" oder dem Dschungel-Camp.

Früher? Habe man einen Brief geschrieben, wenn man sich aufgeregt habe – und ihn dann oft vor dem Versenden zerrissen. Heute? Bleibe dank Internet diese Bedenkzeit nicht mehr: "Anonymität lässt uns jede gute Erziehung vergessen."

Exempel für typische Respektlosigkeiten im Alltag hat René Borbonus viele ausgemacht. Allen voran: das Bagatellisieren von Emotionen. Die Mutter, die den Brautstrauß der Tochter kritisiert, verhalte sich respektlos, denn schließlich gehe diese Wahl sie ja nichts an. Ein weiteres Beispiel: "Warum?"-Fragen. Wenn die nicht echt gemeint seien, könnten sie einen Menschen "in den Wahnsinn treiben".

"Ganz dicht dran an der Manipulation"

Oder Suggestivfragen. Dafür hat Borbonus ein Beispiel aus seiner Bankfiliale, wo der Berater ihn gefragt habe, ob er denn nicht für die Zukunft seiner Kinder vorsorgen wolle. "Das ist ganz dicht dran an der Manipulation", sagt der Rhetoriker mit Blick auf den Versuch, ihm eine Ausbildungsversicherung zu verkaufen. Seine Standard-Antwort lautet dann: "An sich schon. Ich möchte nur nicht, dass Sie mir dabei helfen!" Sein Rat: "Verzichten Sie auf Suggestivfragen. Das kostet Vertrauen."

Die Glaubwürdigkeit anderer in Frage zu stellen, ist für den Trainer eine besonders schwerwiegende Respektlosigkeit, denn sie treffe den Kern der Persönlichkeit, die Würde: "Wie oft sagen wir: ›Du hast doch versprochen...!‹ Danach entsteht kein gutes Gespräch.

Vorschläge, wie’s besser gelingt, hat Borbonus freilich auch: "Du hast mich falsch verstanden" lasse sich souverän ersetzen durch "Da habe ich mich falsch ausgedrückt!" Die fünfte Respektlosigkeit des Alltags schließlich sei der Vergleich – einer, in dem der Gesprächspartner schlecht abschneide, und eine Kränkung entstehe immer dann, wenn jemand Beachtung erwarte, sie aber nicht bekomme.

"Wenn ein Gespräch scheitert, dann nicht an der Sache, sondern an der Emotion", betonte der Redner. "Wir glauben, dass andere bei uns Gefühle auslösen können. Dabei gibt es nur eine Person, die Sie glücklich oder unglücklich machen kann – die Person, die Sie heute morgen gewaschen haben." Das Beispiel von den lauten und frechen Kindern, die in der Straßenbahn alle "in den Wahnsinn" treiben – bis zum Moment, an dem die Fahrgäste erfahren, dass die Kinder gerade ihre Mutter verloren haben – sorgt für Stille im Saal. Die endet mit lang anhaltendem Applaus und dem Dank von Matthias Mey, der – wie seine Veranstaltungspartner von Groz-Beckert, Mayer & Cie. und CompData – übers ganze Gesicht strahlt beim Blick in die Gesichter der Zuhörer. Denn die verraten: Aus diesem brillanten Vortrag nehmen alle etwas für den Alltag mit.