Wie schafft sie das, mit gerade mal 28 Jahren, und macht das was mit ihr? Mit einer, die es als Journalistin vor allem liebte, über Kultur, Kunst und Musik zu berichten? "Wir haben alle Supervision", sagt sie. Ohne das, ohne Aussprachen mit anderen Fachexperten, bei denen man abgeben und andere Sichtweisen erarbeiten kann, ginge es nicht, macht sie klar.
Vor allem aber ist sie überzeugt von dem, was sie tut. Sie glaubt daran, dass die "wissenschaftliche Begleitung und Bewertung des weltweit ersten durch ein Bundesland initiierten Sonderkontingents wichtig und sinnvoll ist", erzählt sie. Es könnte, das ist ihre und die Hoffnung ihrer Kollegen, für die Entwicklung von zukünftigen Aufnahmeprojekten sehr wertvoll sein.
Aufgewachsen ist Jana Denkinger in Burladingen. Sie besuchte das Progymnasium Burladingen, später das Hechinger Gymnasium. Psychologie studierte sie in Tübingen und San Francisco. Und ja, gereist ist sie viel, bestätigt sie. Diese Reisen und Studienaufenthalte in Australien, Kanada, den USA und an verschiedene Universitäten in Europa haben ihr sicher den Blick geweitet.
"Aus der Gewalt des ›Islamischen Staates‹ nach Baden-Württemberg" lautet der Titel
Sie bekam ein Promotionsstipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung und arbeitet nun am Universitätsklinikum Tübingen in Kooperation mit der amerikanischen Harvard University über die Themen Trauma, Flucht und Resilienz und hat zusammen mit Kollegen ein Buch zu dieser Thematik veröffentlicht. "Aus der Gewalt des ›Islamischen Staates‹ nach Baden-Württemberg" ist der Titel, es erschien im vergangenen Jahr im Beltz Verlag.
Seelische Widerstandskraft
Wenn sie im Gespräch das Wissenschaftsdeutsch verlässt, dann berichtet sie einfach über die Spätfolgen, die so manche dieser Frauen und Kinder mit im Gepäck hatten, als sie im Südwesten ankamen. Aber sie erzählt auch von der seelischen Widerstandskraft, welche diese Jesidinnen entwickeln mussten und darüber, wie es helfen kann, dies zu wissen, wenn man sie oder auch andere traumatisierte Geflüchtete bei der Eingliederung in Deutschland unterstützen möchte.
"Bei manchen jungen Frauen, mit denen ich gesprochen habe, habe ich gelegentlich auch gedacht, dass deren Wünsche und Sichtweisen nicht so viel anders sind als die meinen, obwohl sie aus einer ganz anderen Kultur kommen", betont Denkinger das Stückchen Normalität, das den Frauen geblieben ist und auf dem ihre Sozialbetreuer und Psychologen aufbauen können.
Denn, so hat es die Landesregierung Baden-Württembergs 2015 erkannt: Es handelt sich um "besonders schutzbedürftige Menschen". Die meisten der Frauen kommen aus einer ländlichen Region des Nordiraks, dem Sindschar-Gebirge. Als dieses Gebiet von Truppen des "Islamischen Staates" erobert wurde, töteten diese zuerst die Männer, Frauen und Kinder wurden in großer Zahl entführt.
Das hat diese Frauen in einer männerdominierten Gesellschaft besonders schutzlos gemacht. Sie waren allein auf sich gestellt, wurden oft vergewaltigt, auf Sklavenmärkten verkauft, manchmal von ihren Kindern getrennt, als Dienstmägde gehalten.
Von Verwandten freigekauft
Manche wurden von Verwandten freigekauft, andere konnten fliehen oder wurden zurückgelassen, als der "Islamische Staat" in manchen Gebieten den Rückzug antreten musste. "Manche Frauen fanden sehr kreative und schlaue Möglichkeiten, um zu überleben", sagt Jana Denkinger. Sie erzählt von jener Jesidin, die in dem Haushalt, in dem sie zur Arbeit gezwungen wurde, einen Streit zwischen den Frauen inszenierte. Es ging um eine Shampoo-Flasche. Als die Frauen sich darüber in die Haare gerieten, nutzte die Gefangene die wenigen Minuten, um zu entkommen.
Und – das hatte sie geplant - damit die anderen Frauen ihr nicht folgen konnten, nahm sie unter ihren Gewändern deren Verschleierung mit. Ohne diese durften Frauen in den IS-Gebieten nicht auf die Straße, sonst drohte ihnen die Todesstrafe. Die Jesidin entkam – und lebt jetzt in Baden-Württemberg.
Mit den anderen geflüchteten Frauen habe sie eins gemeinsam, sagt Jana Denkinger. "Sie sind alle sehr, sehr dankbar für die Aufnahme. Viele der Frauen freuen sich gerade darüber, dass ihre Töchter hier zur Schule gehen, Deutsch lernen und vielleicht später sogar studieren dürfen. Sie schätzen das, weil dies für sie als Jesidinnen im Nordirak so gut wie unmöglich wäre. Ausbildung, das ist für sie keine Selbstverständlichkeit und ein hohes Gut".
Dass die meisten der baden-württembergischen Jesidinnen auch längerfristig hier bleiben wollen, dass ihre Kinder inzwischen gut Deutsch sprechen, dass die Integration bei fast allen geglückt ist, das ist auch Menschen wie Jana Denkinger zu verdanken. Es muss sie geben, diese Wissenschaftler, denen es gelingt, mit akademischem Abstand zu forschen, damit es Berater, Sozialarbeiter und Psychologen in der direkten Hilfe für Schutzbedürftige richtig machen können.
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