Portal des Kölner Doms: Die Bundesländer sollten selbst entscheiden, ob sie den Kirchen Geld zahlen oder ihnen Grundstücke, Wald oder Wertpapiere übertragen. Foto: Imago/Panama Pictures//Christoph Hardt

Für viele Bürger ist es unverständlich: Der Staat zahlt den Kirchen jährlich Entschädigungen in Höhe von mehr als 600 Millionen Euro. Diese Staatsleistungen sind ein Relikt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Die Ampel-Fraktionen wollen diese Zahlungen jetzt mit einem Gesetzesvorhaben abschaffen.

Die Religionspolitiker der Ampel-Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP wollen schon bald ein Gesetz zur Ablösung der Staatsleistungen an die evangelische und katholische Kirche in Deutschland auf den Weg bringen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Freitag (23. August) berichtet, soll der für den Herbst geplante Gesetzentwurf so gestaltet werden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Aus den Bundesländern, die für die Ablösung zahlen müssten, kommt harsche Kritik an dem Vorhaben.

 
Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Foto: Imago/Imagebroker

Vage Vorgaben zur Ablösung der Staatsleistungen

Der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, sagte: „Ich bin klar dagegen, das Grundsätzegesetz zustimmungspflichtig auszugestalten.“ Dem Bericht zufolge sollen die Vorgaben zur Ablösung der Staatsleistungen vage bleiben. „Es wird sicher kein Text, der Ländern abschließend die Form der Ablösung vorschreiben wird“, betonte Castellucci.

Den Kirchen solle damit kein Schaden zugefügt werden. „Es geht darum, die finanziellen Verflechtungen zwischen dem Staat und den Kirchen zu kappen“, erklärte der SPD-Politiker. Die Länder sollten selbst wählen, ob sie den Kirchen Geld zahlen wollen, oder ihnen Grundstücke, Wald oder Wertpapiere übertrügen.

Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke

Staatsleistungen erhalten die beiden großen Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen abzulösen. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen. Die Ampel-Koalition hatte 2021 im Koalitionsvertrag vereinbart, dazu ein sogenanntes Grundsätzegesetz vorzulegen.

Konkret über die Modalitäten verhandeln müssen jedoch die Bundesländer, aus deren Haushalten die Zahlungen fließen. Mehr als 600 Millionen Euro zahlen sie jährlich an die evangelische und katholische Kirche. Die Höhe fällt dabei je nach Bundesland sehr unterschiedlich aus.

Ein Sammelkorb für die gottesdienstliche Kollekte wird während eines evangelischen Gottesdienstes im Magdeburger Dom weitergereicht. Foto: dpa/Jens Wolf

Widerstand aus den Ländern und den Unionsparteien

Der Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU), warnte vor einem Alleingang auf Bundesebene „Es wäre dem deutschen Staatsaufbau angemessener, ein zustimmungspflichtiges Gesetz vorzulegen“, unterstrich Robra.

Die Länder würden die Zustimmungspflichtigkeit prüfen und gegebenenfalls rügen. Auch ein eher vages Gesetz käme zur Unzeit, so Robra weiter. „Angesichts der knappen Kassen wäre es klüger, die Ablösung der Staatsleistungen weiter zurückzustellen.“

Aus der CDU kommt noch ein anderer Vorschlag. Günter Krings, der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, möchte demnach nicht die Staatsleistungen streichen, sondern den Passus über deren Ablösung im Grundgesetz. „Das Staat-Kirche-Verhältnis hat sich seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt“, betonte Krings. Daher stelle sich die Frage, ob sich der Verfassungsauftrag nicht überlebt habe.

Wer den Antrag auf Kirchenaustritt stellt, tritt genau genommen nur aus der Kirchensteuer-Gemeinschaft aus. Foto: dpa/Ingo Wagner

Vielfältige Einnahmequellen der Kirchen: Kirchensteuer

  • Die Kirchensteuer ist die Haupteinnahmequelle der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland, die mehr als die Hälfte ihrer jeweiligen Haushalte ausmacht.
  • Nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) nahmen die evangelische und die katholische Kirche im vergangenen Jahr mit rund 13,3 Milliarden Euro zwar nominal anderthalb Prozent mehr ein als 2022 (13,1 Milliarden Euro). Doch durch die Teuerung hat sich laut IW die Lage für beide verschlechtert. Die katholische Kirche kam laut den Berechnungen auf sieben, die evangelische auf 6,3 Milliarden Euro.
  • Angesichts von massenhaften Austritten, Steuerreformen, wachsendem Altersdurchschnitt und Arbeitslosigkeit müssen Katholiken wie Protestanten jedoch langfristig mit weniger Geld rechnen.

Dotationen

  • Mit sogenannten Dotationen (Zuwendungen) – also Staatsleistungen – in Höhe von rund 550 Millionen Euro haben 14 der 16 Länder – außer Hamburg und Bremen – aus Steuermitteln die evangelische und katholische Kirchen finanziert.
  • Dies hat historische Gründe: Als die Reichskirchen 1803 im Zuge der Säkularisation – des sogenannten Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation, beschlossen am 25. Februar 1803 in Regensburg – enteignet und ihre Besitztümer den weltlichen Fürsten zugeschlagen wurden, verpflichtete sich der Staat zu „Pachtersatzleistungen“. Seitdem sichert er zum Teil die Besoldung des Klerus und kommt für bestimmte Baulasten auf.
  • Die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz von 1949 haben diese Regelung übernommen, zugleich aber die Ablösung dieser Staatsleistungen angemahnt.

Einmalzahlung käme sehr teuer

  • Die Zahlungen könnten gegen eine einmalige Entschädigung aufgehoben werden. Als Einmalzahlung wurde beispielsweise der zehnfache Jahresbetrag – derzeit also rund 5,5 Milliarden Euro – vorgeschlagen.
  • Rechtsexperten halten eher das 20- oder 25-Fache der Jahresüberweisung als Einmalzahlung für erforderlich. Zahlen müssten die Länder. Das aber ist kaum zu leisten.
  • Ohne die Einwilligung der beiden Kirchen können die Uralt-Verträge ohnehin nicht geändert werden. Zwar streben Katholiken und Protestanten eine Entflechtung des Verhältnisses zum Staat an, aber nur ohne finanzielle Einbußen.

Sonstige Finanzquellen

Zu den kirchlichen Finanzquellen gehören zudem auch noch Gemeindegaben wie Kollekten, Spenden, Schenkungen und Gemeindebeiträge. Daneben gibt es weitere Einnahmen aus Dienstleistungen und Vermögen wie Mieten, Erbbauzinsen, Zinseinnahmen, Pachten, Kapitalerträgen, Betriebskostenerstattungen, Darlehensrückflüssen sowie Firmenbeteiligungen.

Die Zuschüsse von Bund, Ländern und Kommunen an die Kirchen sind unüberschaubar. So erhalten die beiden Glaubensgemeinschaften ganz erhebliche Finanzspritzen für den Betrieb von Kindergärten, Schulen und Fachhochschulen. Der kirchliche Eigenanteil beträgt oft kaum mehr als zehn Prozent. Krankenhäuser und Altenheime werden – wie bei anderen Trägern auch – fast komplett über Kranken- und Pflegekassen finanziert.

Hinzu kommen weitere Zuschüsse für die Seelsorge bei der Bundeswehr, Polizei oder im Gefängnis, für Kirchen- und Katholikentage sowie Subventionen für den Bau und die Renovierung kirchlicher Gebäude. Nicht zu vergessen: die Steuergelder für Hilfs- und Missionswerke.

Info: Staatsleistungen an die Kirchen

Säkularisierung
Die Staatsleistungen an die Kirchen gehen auf die Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter im Zuge der Reformation und vor allem durch den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 zurück. Damals verpflichteten sich die Landesherren, die Besoldung und Versorgung etlicher katholischer und evangelischer Würdenträger sicherzustellen.

Konkordate
Diese Verpflichtung gilt im Grundsatz bis heute. In Verträgen (Konkordate) zwischen den Bundesländern auf der einen sowie den evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern auf der anderen Seite ist festgehalten, in welcher Form die Entschädigungsleistungen heute erbracht werden. Die Staatsleistungen summieren sich aktuell auf mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr. Die einzelnen Bundesländer leisten dabei Zahlungen in sehr unterschiedlicher Höhe.

Verfassung
Die Weimarer Nationalversammlung bemühte sich 1919 um eine finanzielle Entflechtung von Staat und Kirche. Die Weimarer Reichsverfassung sah in Artikel 138 Absatz 1 die Ablösung der Staatsleistungen vor. Möglich wäre dies etwa durch eine einmalige Entschädigung. Dieser Paragraf wurde ins Grundgesetz übernommen, über Jahrzehnte aber nicht konkret politisch angegangen.

Ampelregierung
Die aktuelle Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP ist die erste, die sich die Ablösung im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt hat. Grüne, FDP und Linke hatten in der vergangenen Wahlperiode als Oppositionsparteien einen Vorschlag für ein Grundsätzegesetz vorgelegt, der von der damals regierenden großen Koalition aber im Bundestag abgelehnt wurde. Derzeit arbeiten die Fachpolitiker von SPD, Grünen und FDP an einem neuen Entwurf.

Kirchensteuer
Zu unterscheiden sind die Staatsleistungen in ihrem Entschädigungscharakter von anderen und durchaus wichtigeren Finanzierungsquellen der Kirchen. Aus der Kirchensteuer beispielsweise erhielt die katholische Kirche 2023 rund 6,52 Milliarden Euro, die evangelische Kirche 5,91 Milliarden Euro.