Alle 50 Jahre muss die Lafette der Kanone im Hof der Burg Hohenzollern erneuert werden. Doch es gibt fast keine Wagner mehr, die dieses Handwerk heute noch beherrschen.
Die Kanone im Burghof darf vor allem eins nicht: Auf die Burg zeigen. Konzipiert wurde das „Geschütz Hermann“ als Waffe und weil Waffen nie auf Gebäude gerichtet sein sollten, zeigt der Lauf immer in die entgegengesetzte Richtung. Böllerschüsse wären mit dem Geschütz noch möglich, doch heute ist es vor allem eins: das beliebteste Fotomotiv auf dem Zoller. Der Freundeskreis Burg Hohenzollern hat die Lafette jüngst eigens erneuern lassen.
Zuletzt 1985 erneuert Das Kanonenrohr vom Typ „Nürnberger Feldschlange“ wurde 1722 aus Bronze gegossen und dem kaiserlichen Generalfeldmarschall Hermann Prinz von Hohenzollern-Hechingen (1665 – 1733) gewidmet. Deshalb trägt das Rohr an der Mündung ein „H“. Getragen wird das massive Rohr von der Lafette aus Eichenholz, das in den vergangenen 300 Jahren sicher mehrfach erneuert wurde, zuletzt jedoch im Jahr 1985. Doch auch dem besten Eichenholz setzen die Witterungseinflüsse zu.
Meister ohne Meistertitel Um die Lafette fachgerecht restaurieren zu können, brauchte es einen Wagner wie Andreas Hauck, der in Großrohrsdorf, rund 40 Kilometer südlich von München, seine Werkstatt betreibt. Er ist zwar Meister seines Fachs, doch er hat keinen Meistertitel. Grund dafür ist, dass das Wagnerhandwerk heute kaum noch existiert. Deshalb gibt es niemanden, der eine entsprechende Meisterprüfung abnehmen könnte (siehe Info).
Verrostete Beschläge Bevor der Wagner aus Bayern die Lafette abtransportieren konnte, musste das mehrere 100 Kilo schwere Geschütz abgenommen werden. In der Werkstatt wurde es knifflig, denn der Wagner hatte die Vorgabe, alle Metallbeschläge, die noch nutzbar sind, wieder zu verwenden. Nur die Metallreifen der Räder und einige Radnaben-Eisenreifen musste er wegen Rosts durch neue ersetzen. Ansonsten bildete Hauck die Lafette originalgetreu nach.
200 Jahre alte Stieleiche Für die neue Lafette verwendete er die mittleren Teile einer 200 Jahre alten Stieleiche: Das innere Kernholz und das äußere Splintholz des Stammes kamen dafür nicht infrage, weil sie nicht stabil genug wären. Die Teile aus Eisen schmiedete Hauck selbst nach. Früher hätte er dem Dorfschmied damit beauftragt, doch weil es diese Kombination heute kaum noch gibt, hat sich der Wagner auch das Schmiede-Handwerk angeeignet. So erhalten Kunden beide Gewerke aus einer Hand.
Mit Wasser abgeschreckt Unterstützt wurde Hauck von zwei angehenden Schreinern, die bei ihm ein Praktikum absolvieren. Vor allem beim Aufziehen der Reifen konnte er mehrere Helfer benötigen, denn diese werden heiß aufgezogen. Die Reifen werden dabei etwas kleiner geschmiedet als das Rad und auf der Esse bis zur Glut erhitzt, sodass sich das Eisen ausdehnt. Die heißen Reifen werden auf das Holzrad aufgezogen und mit Wasser abgeschreckt. Während das Eisen kühler wird, zieht es sich zusammen und presst sich auf das Holz. Das Holz direkt darunter verkohlt. Das ist gewollt, denn dies wirke wie eine Schutzschicht gegen Verwitterung.
Geschliffene Speichen Eine Besonderheit können Besucher an den Speichen entdecken. An der Außenseite verpasste der Wagner allen Speichen links und rechts einen Schliff, der ausschließlich bei preußischen Kanonen angewandt wurde. Die alten Räder hatten diesen typischen Schliff bereits, der aufgrund der Verwitterung jedoch nicht mehr zu erkennen war. Seit März steht die Kanone auf der neuen Lafette wieder als beliebtestes Fotomotiv im Burghof.
Holzteile für Kutschen, Fuhrwerke und Handkarren
Wagner-Handwerk
Wagner gab es früher quasi überall. Sie fertigten Holzteile für die üblichen Fortbewegungsmittel an, etwa Kutschen, Fuhrwerke und Handkarren. Sie verstanden sich auch auf die Anfertigung von Holzrädern. Heute ist das Wagner-Handwerk nahezu ausgestorben.