Stadtführer Jörg Küster führte am Samstag über den Jüdischen Friedhof in Hechingen und gab Einblicke in die jüdische Kulturgeschichte.
Der Vorsitzende der Hohenzollerischen Jakobusgesellschaft (HJG), Hannes Reis, hieß Mitglieder und Besucher willkommen, zudem Stadtführer Küster und den Hospitanten, sprich zukünftigen Stadtführer, Leobert Fäßler. Reis erinnerte explizit an „die aktuellen dunklen Zeiten“ mit Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten sowie an zunehmenden Antisemitismus. Gerade heute wolle die Jakobusgesellschaft ein Zeichen für Toleranz, Frieden und Versöhnung setzen.
„Der Friedhof liegt auf einem von drei Seiten von einem dunklen Tannenwäldchen kühl umschatteten Hügel, ein rührend Bild irdischer Vergänglichkeit, stiller Abgeschiedenheit und sanfter Wehmut“, so umschreibt der letzte Hechinger Rabbiner Samuel Mayer den jüdischen Friedhof „Am Fichtenwäldle“ – das war 1875, als man den jüdischen Friedhof noch am „Galgenrain“ nannte, wie Jörg Küster berichtete.
Rund 650 Grabsteine, die der Verwitterung ausgesetzt sind
Küster befasste sich mit der Stellung der Juden in der früheren Geschichte, ging auf jüdische Friedhöfe in der Gegend ein, die meist fernab vom bewohnten Ortskern lagen – zum Beispiel in Hechingen, Mühringen oder Weildorf. Die einzige Ausnahme bilde der jüdische Friedhof Im Haag in Haigerloch. Das liege, so Küster, vermutlich an der ambivalenten Wertschätzung der Juden durch die christliche Bevölkerung.
Den jüdischen Friedhof in Hechingen bezeichnete Küster als ein Archiv aus Stein am Rande der Stadt. Die Historie lebte auf, als Küster den heute umfriedeten Friedhof Am Fichtenwäldle und die örtlichen Verhältnisse ausführlich vorstellte, die verwitterten Grabsteine, die als „Mazewots“ bezeichnet werden. Es wurden demnach 1050 und zusätzlich 115 kaputte Grabsteine gezählt. Sie wurden später durchnumeriert oder waren verschwunden. Erhalten sind rund 650 Grabsteine, die aber zusehends der Verwitterung ausgesetzt sind.
Entstanden wohl um 1659 – und damit 100 Jahre früher als angegeben
Der Name des Friedhofes lautet auf „Bet ha – Chajim“, was so viel wie Haus des Lebens heißt. Nach der jüdischen Religion schlafen die hier bestatteten Gläubigen nur bis zur Erlösung mit der Auferstehung am „jüngsten Gericht“.
Der jüdische Friedhof entstand vermutlich um 1659, also 100 Jahre früher als angegeben, teilte Küster mit. Die Friedhofshalle wurde vermutlich 1907 erbaut, auf dem Dach leuchtete früher ein Davidstern. Ein Blick ins Innere zeugt von der Zerstörung durch die Nazis 1939. Heute ist der Raum leer. Leider zeige die Geschichte des Friedhofs keinen störungsfreien Verlauf, so Küster. Verwüstungen und Zerstörungen in der Nazizeit und darüber hinaus nahmen zu. Der Friedhof ist heute eine Einrichtung der israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg.
Die HJG wird 2024 eine weitere Führung zur lokalen jüdischen Geschichte anbieten.