Gerüchte über Verkauf der Trassen der EnBW – Staatskonzern EdF soll Interesse haben.
Stuttgart/Paris - Als letzter der vier großen deutschen Energiekonzerne hat die Karlsruher EnBW ihre Stromautobahnen, die sogenannten Übertragungsnetze, noch in der eigenen Hand. Das allerdings könnte sich bald ändern. Derzeit vergeht kaum ein Monat, in dem nicht neue Nachrichten und Spekulationen über das EnBW-Netzgeschäft ins Kraut schießen. Und tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die rund 3200 Kilometer langen Höchstspannungsnetze bald den Eigentümer wechseln.
Der Grund: Nach einem Verlust von fast 900 Millionen Euro im vergangenen Jahr muss dringend Geld in die Kassen von Deutschlands drittgrößtem Energieversorger kommen. Daher hat sich die EnBW vor wenigen Monaten ein hartes Sparprogramm verordnet, das auch den Verkauf von Beteiligungen und Unternehmensteilen in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden Euro vorsieht.
Verkauf werde nicht kategorisch ausgeschlossen
Dass es dabei auch die EnBW-Netzsparte, die seit einigen Wochen unter dem Namen Transnet BW firmiert, treffen könnte, deutete zuletzt Konzern-Chef Hans-Peter Villis selbst an. Nachdem er sich monatelang gegen einen Verkauf gestemmt hatte, sagte er Mitte Januar in einem Interview, man schließe einen Verkauf des Strom-Höchstspannungsnetzes und der Ferngasnetztochter GVS-Netz „nicht kategorisch aus“.
Ende März zitierte die Nachrichtenagentur Dow Jones mehrere Insider, die angaben, EnBW habe sich zum Verkauf des Stromnetzgeschäfts entschlossen. Demnach habe die EnBW auch schon Interessenbekundungen von mehreren Investoren erhalten und prüfe gegebenenfalls deren Angebote. Die EnBW dementiert derweil, dass Gespräche über einen Verkauf des Netzgeschäfts geführt werden.
Dennoch: Rund 300 Millionen Euro könnte der vollständige Verkauf der Sparte in die EnBW-Kassen spülen. Besonders andere Netzbetreiber, Versicherungsunternehmen und Infrastrukturfonds gelten als mögliche Interessenten des letzten noch zum Verkauf stehenden Strom-Höchstspannungsnetzes der Republik. „Dass Amprion Interesse an dem EnBW-Netz hat, liegt nahe“, heißt es aus dem Umfeld der EnBW. Immerhin durchschneidet das auf baden-württembergischem Territorium liegende EnBW-Netzgebiet jenes von Amprion, das sich vom nördlichen Ruhrgebiet bis ins Allgäu erstreckt.
EdF-Interesse ist von politischer Brisanz
Weitere Namen, die unter vorgehaltener Hand immer wieder als Interessenten genannt werden, sind Deutschlands größter Netzbetrieber Tennet oder Infrastrukturfonds von Banken und Versicherungen, etwa der Allianz oder des australischen Instituts Macquarie. Auch dem Schweizer Netzbetreiber Swissgrid wird Interesse nachgesagt.
Von einiger politischer Brisanz ist dagegen, dass sich offenbar auch der französische Staatskonzern EdF beziehungsweise dessen Tochter RTE für das EnBW-Netz interessiert. Immerhin hat die EdF Ende 2010 ihre gesamten EnBW-Anteile an das Land Baden-Württemberg abgegeben.
Zusammenarbeit würde für EdF Sinn ergeben
Das Argument der damaligen Landesregierung für den Rückkauf war, sich mehr Gestaltungsspielraum bei der Energieversorgung im Land zu sichern. Ein Ansinnen, das durch einen möglichen Wiedereinstieg der Franzosen im Netzgeschäft konterkariert würde. Immerhin gelten die Netze als zentrale Stellschraube beim Lieblingsprojekt der derzeitigen Landesregierung, der Energiewende. Eine Anfrage zu dem Thema, sowohl bei der EdF als auch bei RTE, blieb unbeantwortet.
Zumindest für die EdF würde eine Zusammenarbeit aber Sinn ergeben. Über mehrere Kuppelstellen entlang der Grenze könnte Energie aus französischen Kraftwerken vermehrt nach Deutschland transportiert werden. Der Zugang zum deutschen Markt bliebe für den französischen Konzern auch nach dem Ausstieg bei der EnBW bestehen.
Netzausbau in Deutschland unklar
Es gibt allerdings auch Gründe, die gegen einen schnellen Verkauf der EnBW-Netze sprechen. Wie genau der Netzausbau für die kommenden Jahre in Deutschland aussehen soll, steht noch nicht fest. Bis zum 3. Juni 2012 müssen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Amprion, 50 Hertz und Transnet BW bei der zuständigen Bundesnetzagentur (BNetzA) sogenannte Netzentwicklungspläne vorlegen, die etwa den Neubau von Trassen definieren.
In einem mehrmonatigen Verfahren überprüft die BNetzA diese Vorschlage und meldet Änderungsbedarf an. Frühestens Ende 2012 wird das fertige Konzept – der Bundesbedarfsplan – von der Bundesregierung verabschiedet. Erst in der Endphase dieses Prozesses sind für mögliche Investoren nach Angaben von Fachleuten die Kosten abzuschätzen, die im jeweiligen Netzgebiet fällig werden.
Außerdem muss die Transnet BW aufgrund der derzeitigen Entflechtung vom EnBW-Mutterkonzern neue Mitarbeiter in erheblichem Umfang einstellen. Auch das könnte ein Grund für auf Rendite schielende Investoren sein, zunächst abzuwarten.