Auf ein Neues: Heidi Klum (Mitte, mit Designer Peter Dundas und Model Winnie Harlow) sucht wieder „Germany’s Next Topmodel“. Foto: dpa/Richard Hübner/ProSieben

Kritik gibt es schon lange, auch von jungen Frauen, die selbst bei „Germany’s Next Topmodel“ mitgemacht haben. Trotzdem sucht Heidi Klum auch in diesem Jahr wieder nach der Schönsten im ganzen Land.

Als Heidi Klum zum ersten Mal „Germany’s Next Topmodel“ suchte, waren manche der heutigen Kandidatinnen noch nicht einmal geboren. Zum 18. Mal wird am Donnerstag zur Modelhatz geblasen – dabei ist die Kritik an dem ProSieben-Format seit Beginn nie verstummt und mit den Jahren immer lauter geworden.

 

Seit Heidi Klum 2006 zum ersten Mal die Schönste im ganzen Land suchte, lautet ein Kritikpunkt, die Sendung vermittle jungen Mädchen ein falsches Schönheitsideal. Jugendschützer befürchten schon lange, Formate wie GNTM könnten Essstörungen wie Bulimie und Anorexie fördern. Klum und der Sender Prosieben haben sich dagegen stets verwahrt.

2015 wurde eine Studie veröffentlicht, die einen Zusammenhang zwischen GNTM und Essstörungen herstellte. Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen und der Bundesfachverband Essstörungen befragten Patientinnen zur Rolle von Fernsehsendungen im Zusammenhang mit ihrer Krankheit. Fast ein Drittel der Betroffenen gab dabei an, die TV-Reihe sei entscheidend für die eigene Krankheitsentwicklung gewesen. Ein Großteil der Befragten (85 Prozent) stimmte der Aussage zu, dass die Show Essstörungen verstärken kann.

Viola wird aussortiert – und landet schließlich bei Jean Paul Gaultier

Natürlich geht auch GNTM mit der Zeit: Die vergangene Staffel stand ganz im Zeichen der Diversität – explizit wurden Kandidatinnen gesucht, die Schönheit abseits der gängigen Modelmaße verkörperten. Ältere Frauen, Curvy-Models, „Meedchen“ unter 1,75 Meter (der magischen Größengrenze auf Laufstegen). Am Ende gewann aber doch die blonde, junge, 1,83 Meter große Österreicherin Lou-Anne. Die „edgyere“ Viola – mit Nasenring und pink gefärbtem Vokuhila – wurde von Heidi Klum schon früh in Staffel 17 aussortiert. Wenig später konnte sie kein geringeres Modehaus als Jean Paul Gaultier von sich überzeugen.

Inzwischen ist aber auch klar: Viola ist eine Ausnahme. Die Klum-Show hat wenige bis gar keine international erfolgreichen Models hervorgebracht. Marco Sinervo ist der Chef von Deutschlands größter Modelagentur MGM Models. Im vergangenen Jahr hat er ein Buch über das Modelbusiness geschrieben und sich darin auch mit GNTM auseinander gesetzt. „Die jungen Teilnehmerinnen werden in extremen Drucksituationen gegeneinander aufgehetzt und in der Öffentlichkeit zerrissen. Damit erreicht man natürlich eine gewisse Aufmerksamkeit, die aber nicht förderlich für eine Modelkarriere ist. Außerhalb der Show Fuß zu fassen ist schwer“, sagte Sinervo in einem Interview mit unserer Zeitung.

Krawall, Krach und Zickereien machen Quote – und werden offenbar von den GNTM-Machern auch gerne inszeniert, sollte es einmal zu wenig davon geben. Im vergangenen Jahr machte kurz vor dem Topmodel-Finale ein Youtube-Video der früheren GNTM-Kandidatin Lijana Kaggwa Schlagzeilen. Darin warf die junge Frau aus Kassel der Produktionsfirma vor, die Kandidatinnen gezielt zu manipulieren und Konflikte zu schüren, um Quote zu bekommen.

Zickenzoff wird bewusst inszeniert

Kaggwa behauptete damals in dem fast halbstündigen Video unter anderem, die Macher der Sendung würden Momente inszenieren, die dann für Streitereien und Zwist unter den Kandidatinnen sorgen würden – zum Beispiel, indem Leckereien wie Erdbeeren in nicht ausreichender Menge vorhanden seien. Futterneid gleich Modelärger soll die Logik der GNTM-Macher lauten. Durch geschickten Schnitt und verkürzte Interviewaussagen würden manche von Heidi Klums „Meedchen“ außerdem zu Zicken stilisiert, auch wenn sie in der Modelvilla gar nicht unbedingt für besonders viel Ärger sorgen würden.

Dass sich jemand von den unzähligen Kandidatinnen, die über die Jahre durch Klums Sendung gegangen sind, so offen über das Treiben am Set äußert, ist immer noch selten. Die Finalistinnen landen praktisch alle bei einer Agentur, die eng mit Prosieben verbandelt ist – Kritik an der Sendung ist da unerwünscht.

Die Böblingerin Kera-Rachel Cook, die 2010 an GNTM teilnahm, machte die Sendung zur Thema ihrer Masterarbeit an der Uni Tübingen.

GNTM, so Cooks Ergebnis, sortiere die Kandidatinnen nach drei Kategorien: Das nette Mädchen von nebenan, das sich vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan mausert. Die Klassenbeste, die schon in der ersten Folge wie Cindy Crawford über den Laufsteg schwebt. Und die schwierige Problemkandidatin, die sich mit niemandem versteht und Stutenbissigkeit zum Erfolgsprinzip erklärt. Dazwischen gibt es nichts. Passt eine junge Frau nicht in diese Schubladen, wird es passend gemacht.

Eine Aussage in einem Interview, das Cook 2010 nach ihrem Ausscheiden unserer Zeitung gab, ist vor diesem Hintergrund ziemlich vielsagend: Auf die Frage, wie realistisch das Bild sei, das der Zuschauer vom Geschehen am Set bekommt, antwortete die Böblingerin: „Grundsätzlich trifft es den Kern, ist aber überspitzt. Es werden immer typische Situationen herausgepickt. Ich zum Beispiel rede ziemlich viel und ausführlich, habe aber auch noch eine andere Seite, die in der Sendung nicht so gezeigt wurde. So entstand dann schon der Eindruck, dass ich andauernd am Quatschen bin.“

Tessa Bergmeier, die 2009 GNTM-Geschichte schrieb, weil sie sich mit ausgestrecktem Mittelfinger von Klum und ihrer Jury verabschiedete, formulierte es bei ihrem diesjährigen „Dschungelcamp“-Intermezzo weit weniger diplomatisch: „Die haben ein Monster aus mir gemacht, nur weil ich selbstbewusst war und wusste, was ich konnte. Das hat man herumgedreht als arrogant, eingebildet und dann haben sie mich auch als Bitch hingestellt.“