Der massive Drogenkonsum eines 42-Jährigen soll an einer ganzen Serie von Straftaten in Donaueschingen und Villingen-Schwenningen schuld sein. Foto: Karmann

In knapp drei Wochen vom Vorzeigeflüchtling zum Mehrfachstraftäter und dann direkt ins Gefängnis – waren die Drogen schuld? Der wenig rühmliche Wandel eines 42-Jährigen war Anlass einer Gerichtsverhandlung.

Donaueschingen/Villingen-Schwenningen - Mit einem dicken Aktenstapel zu den vielen Fällen kommt Richter Christian Bäumler in Saal 1 des Amtsgerichts in Villingen. Die Räume kennt der 42-Jährige, der leicht zusammengekauert auf der Anklagebank Platz genommen hat, schon.

Denn vor fünf Monaten war der Mann bereits hier. Bäumler ruft ihm diesen Tag ins Gedächtnis. Denn damals hatte er die Protokollführerin beleidigt, sich vor Gericht respektlos benommen – und war dann in Untersuchungshaft geschickt worden. "Wollen Sie sich dafür entschuldigen?", fragt der Richter. "Es tut mir Leid", sagt der Angeklagte kleinlaut ins Mikrofon.

Zwölf Taten in drei Wochen

Der damalige 18. März war das vorläufige Ende einer ganzen Serie von Straftaten, die Angst und Schrecken in seinem Umfeld und auch darüber hinaus verbreiteten. Zwölf Taten werden ihm zu Last gelegt, alle verübt zwischen dem 23. Februar und dem 17. März 2022. Da geht es um einen mutmaßlich tätlichen Angriff, Beleidigungen, Sachbeschädigungen, eine Bombendrohung und eine versuchte räuberische Erpressung. Und das in drei Wochen.

Die Staatsanwältin skizziert die Serie bei der Anklageverlesung. Ein tiefgreifender Konflikt mit seiner (vermutlich bald Ex-)Frau führt zunächst zu einer (angeblich körperlichen) Auseinandersetzung mit ihr in der gemeinsamen Wohnung in Donaueschingen, anschließend folgen wenige Tage später heftige Beleidigungen gegen seinen Chef und einen Flüchtlingshelfer. Der Mann kreuzt – nachdem er zuvor den Außenspiegel ihres Autos abgetreten hatte – anschließend trotz Annäherungsverbot beim Arbeitgeber seiner Frau auf, wird dort aber mit Mühe aus der Kanzlei in Schwenningen geworfen.

Bombendrohung bei einer Kanzlei

Dann greift er zum Hörer: "In drei Minuten geht eine Bombe hoch, ich bin Araber, verlassen Sie das Haus." Der Arbeitsplatz der Frau wird geräumt und von der Polizei kontrolliert, ohne, dass ein Sprengsatz gefunden wird. Anschließend wirft er dort Scheiben ein. Das gleiche Schicksal widerfährt der Vermieterin seiner Frau, der das Fenster zertrümmert wird.

Nachdem er beim Polizeirevier in Donaueschingen gedroht hatte, sich zu erhängen wird er kurzzeitig in die Psychiatrie eingewiesen, beleidigt in diesem Zug die Beamten. Und als vorläufiger "Höhepunkt" droht er Haus und Auto seiner eigenen Vermieterin abzufackeln, sollte sie ihm nicht (unrechtmäßig) Miete in Höhe von mehr als 1000 Euro wieder zurück überweisen. Dann handelt die Justiz, sperrt den Mann ein.

Verteidiger: "Mental Breakdown"

Was nüchtern betrachtet nach der Eskalation eines Gewalttäters klingt, beschreibt der Verteidiger des Angeklagten wortwörtlich als "Mental Breakdown" (zu Deutsch: Nervenzusammenbruch) ohne kriminelle Energie. "Ihm sind die Sicherungen durchgebrannt", so der Anwalt. Eine vermessene Einschätzung der Lage und ein Herunterspielen der Taten?

Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Ursachenforschung ist nicht einfach. Denn bis zu diesem Zeitpunkt ist der 42-Jährige, der 2015 aus dem syrischen Damaskus nach Deutschland geflohen ist, gänzlich unauffällig – nein, eher vorbildhaft, wie sein Verteidiger darzulegen versucht. Ein fleißiger Arbeiter, ein aus Sicht des Donaueschinger Arbeitskreises Asyl gut integrierter Flüchtling. Doch auch die Flüchtlingshelfer nehmen vor seiner Straftatenserie eine massive Veränderung wahr – von Schwankungen zwischen "sehr introvertiert" und "sehr aggressiv" wird berichtet.

Cannabis wohl schuld an Psychose

Der eingeschaltete Gutachter stellt einen möglichen Grund fest – ein massiver Drogenkonsum. Dieser habe seine Persönlichkeit "komplett verändert". Wer jetzt an "harte" Drogen denkt, wird eines Besseren belehrt: Cannabis soll schuld an einer Psychose sein, eine Abhängigkeit sei offensichtlich. Denn 15 bis 30 (!) Joints habe der 42-Jährige zwischenzeitlich konsumiert. Die Folge: Halluzinationen, eine Stimme – er nennt sie "Markus" – die bei ihm, wie der Gutachter erklärt, zu Fremd- aber auch Eigenaggression geführt habe. Ein Selbstmord im Gefängnis konnte nur knapp verhindert werden.

Ein Zusammenhang zwischen den Straftaten und dem Drogenkonsum sei wahrscheinlich, heißt es in der Beurteilung vor Gericht. Antipsychotika sorgen derweil dafür, dass sich das Gemüt des Mannes beruhigt hatte ("mir geht es besser"), eine unmittelbare Gefahr dürfte deshalb nicht mehr von ihm ausgehen, diagnostiziert der Gutachter. Solange er keine Drogen nimmt.

Angeklagter mit Geständnis

Der Staatsanwältin ist das zu unsicher, sie befürchtet, dass bei einer Freilassung aus der Untersuchungshaft und einem Absetzen der Medikamente ein Rückfall erfolgen könnte – eine günstige Sozialprognose sei daher schwer, erklärt sie in ihrem Plädoyer. Aufgrund des Geständnisses des Angeklagten – außer mit Blick auf die körperliche Auseinandersetzung mit seiner Frau ("ich habe sie nicht angefasst!") – war zumindest die Schuldfrage geklärt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war deshalb eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten angemessen – ohne Bewährung.

Sein Verteidiger sah das anders, macht insbesondere auf die belastenden fünf Monate in Untersuchungshaft und die schwierige Vergangenheit in Syrien aufmerksam, forderte deshalb seine Freilassung – "mit einer Strafe im Ermessen des Gerichts". Der 42-Jährige nutzte sein letztes Wort für eine erneute Entschuldigung: "Es tut mir Leid für alles".

Zwei Jahre Haft auf Bewährung

Richter Bäumler entschied sich für eine zweijährige Haftstrafe sowie Entziehungsanstalt auf Bewährung – mit engmaschigen Auflagen: stationäre Therapie innerhalb von drei Monaten zur Drogenentwöhnungsbehandlung, zuvor weitere Medikamenteneinnahme und Urinproben um sicherzustellen, dass kein Rauschgift mehr konsumiert wird. "Dadurch wird das Sicherheitsbedürfnis der Bürger befriedigt", so der Richter.