Das Glockengeläut stelle eine zumutbare, sozial adäquate und allgemein akzeptierte Äußerung des kirchlichen Lebens dar, sagen die Richter. Foto: dpa

Lärmgeplagter Anwohner der Konradskirche in Remshalden scheitert mit Klage in zweiter Instanz.

Remshalden - Es macht keinen Unterschied, ob eine Kirchenglocke zum morgendlichen Gebet ruft oder die Stimme eines Muezzins über die Dächer schallt – Anwohner müssen es hinnehmen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim entschieden. Ein Nachbar der evangelischen Konradskirche im Remshaldener Teilort Geradstetten (Rems-Murr-Kreis) hatte gegen das Kirchengeläut geklagt – erfolglos.

Der Mann wohnt ungefähr 100 Meter von dem 1491 erbauten Gotteshaus mit dem höchsten Kirchturm zwischen Schorndorf und Waiblingen entfernt. Und er fühlt sich von dem zweiminütigen Morgengeläut zwischen 6 und 8 Uhr massiv belästigt. Sein Schlafzimmer gehöre ihm, er müsse sich nicht morgens zum Beten auffordern lassen, sagt der Kläger.

Nachtruhe gilt um 6 Uhr als beendet

Mit seiner Argumentation, das Glockengeläut mindere den Wert seines Hauses und die Qualität seines Schlafs war der Anwohner im Januar vorigen Jahres vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht (VG) gescheitert. Die Stuttgarter Richter hatten wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Streits die Berufung zugelassen. Der VGH hat die Klage des Mannes jetzt ebenfalls abschlägig beschieden. Eine ausführliche Urteilsbegründung folgt zwar erst in mehreren Wochen. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Mannheimer VGH-Juristen auf die Begründung ihrer Stuttgarter Kollegen stützen.

Der Kläger, der sich selbst als evangelischer Christ bezeichnet, sieht seine negative Religionsfreiheit verletzt. Er werde durch das Läuten zu einer systematischen, stetigen Kenntnisnahme eines akustischen religiösen Zeichens gezwungen. Das Glockenläuten um 6 Uhr sei nicht sozial adäquat. Es dringe durch das geschlossene Fenster, also beruft sich der 61-Jährige auch auf Artikel 13 des Grundgesetzes, sprich auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. Es müsse Kompromisse geben, die Konradskirche möge das sakrale Läuten auf 8 Uhr verlegen.

Die Stuttgarter Richter sahen es – wie jetzt der VGH Mannheim – anders. In einer Gesellschaft, die unterschiedliche Glaubensüberzeugungen zulasse, habe der Einzelne kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben. Das gelte nicht nur für Kirchenglocken, sondern auch für den Ruf eines Muezzins, so das VG.

Das Glockengeläut stelle eine zumutbare, sozial adäquate und allgemein akzeptierte Äußerung des kirchlichen Lebens dar. Und die sei auch in einer säkularisierten Gesellschaft hinzunehmen. Die Zeit der Nachtruhe gelte übrigens nach der sogenannten Technischen Anleitung Lärm um 6 Uhr als beendet. Auch die Dauer des Geläuts von zwei Minuten sei nicht zu beanstanden. Ob der glockengeplagte Geradstettener zum Bundesverwaltungsgericht geht, ist noch nicht klar.