Karlsruhe prüft die Erbschaftsteuer. Foto: dpa-Zentralbild

Ein Großteil der Erben aus der Wirtschaft zahlt überhaupt keine Steuern auf seine Erbschaft. Das finden Regierung und Wirtschaft gerecht. Aber Karlsruhe macht Zweifel deutlich.

Ein Großteil der Erben aus der Wirtschaft zahlt überhaupt keine Steuern auf seine Erbschaft. Das finden Regierung und Wirtschaft gerecht. Aber Karlsruhe macht Zweifel deutlich.

Karlsruhe - Vor dem Tod sind alle gleich - beim Erben nicht: Diesen Satz könnte man uneingeschränkt auf die steuerliche Situation von Erben übertragen. Denn wer Betriebsvermögen erbt, muss unter bestimmten Umständen kaum bis gar keine Steuern zahlen. Bei Privatvermögen sieht das ganz anders aus. Ob das mit dem Grundgesetz vereinbar ist, prüft seit Dienstag das Bundesverfassungsgericht.

Worum es geht, machte der Vorsitzende Richter Ferdinand Kirchhof in einem skeptischen Satz deutlich: „Die erheblichen Privilegierungen sind unbestritten. Damit dies nicht verfassungswidrig ist, muss es dafür eine Rechtfertigung geben.“ Gerade im zweiten Teil der Verhandlung ließen die Karlsruher Richter erhebliche Zweifel an den Regelungen erkennen.

Alles in Ordnung - bitte keine Reform!
 
Die Unternehmen waren sich mit der Regierung indes einig: Die Benachteiligung von Privaterben ist richtig und gerechtfertigt. Derzeit zahlen nur wenige die Erbschaftssteuer, das dann aber ordentlich. Aber: Ohne Bevorzugung der Firmenvermögen würden Arbeitsplätze verloren gehen, Unternehmen könnten nicht mehr investieren, lautete unisono die Aussage von Regierungs- wie Wirtschaftsvertretern. Das gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland. Diese Aussagen könnte man verkürzt auf den Slogan bringen: Alles in Ordnung - bitte keine Reform!
 
Finanz-Staatssekretär Michael Meister (CDU) sprach sich zudem ausdrücklich gegen Überlegungen aus, alle Erben zu besteuern, das dann aber moderat. Diese Idee hatte die Richter besonders interessiert.
 
Die Wirtschaftsverbände waren vorbereitet und warteten mit harten Zahlen auf. „43 Prozent der Familienunternehmen hätten ohne die Privilegierung Teile ihrer Firma verkaufen müssen“, sagte etwa Rainer Kirchdörfer von der Stiftung Familienunternehmen. Selbst bei einer geringen Steuer müsste ein Viertel der Firmen Kredite aufnehmen, sagte Peer Robin Paulus vom Verband „Die Familienunternehmer“. Dem Ansinnen von Lobbyisten, auch Einzelschicksale zu schildern, erteilte Richter Kirchhof jedoch eine klare Absage: „Konkrete Fälle brauchen wir nicht.“

„Das war ja eine beeindruckende Familienunternehmens-Prosa“
 
Eine internationale Einordnung lieferte Christoph Spengel vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): Viele europäische Länder hätten zwar auch Vergünstigungen beim Erben - in Deutschland seien diese aber „besonders großzügig“ ausgefallen.
 
Aus dem Auge gerieten bei all den Zahlen und der Fachsimpelei über die Finanzstrukturen von Dax-Firmen und kleinen Familienunternehmen diejenigen, die die Steuer zahlen müssen. Denn die Erben von Privatvermögen leisten vor allem die etwa 4,5 Milliarden Euro Erbschaftssteuer pro Jahr, die den Ländern zugutekommen.
 
Zahler sind vor allem diejenigen, die Geld oder Aktienpakete bis zu einer bestimmten Anteilshöhe erben. Für sie waren keine Interessensverbände unterwegs. Einen Fürsprecher aber hatten sie doch: „Das war ja eine beeindruckende Familienunternehmens-Prosa“, kommentierte spöttisch Roman Seer von der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, als die Verbände vorgetragen hatten.
 
Es müssten doch auch diejenigen gehört werden, die die Steuern zahlen, und gefragt werden, was sie deswegen an Investitionen nicht vornehmen könnten - und welche Effekte das für die Wirtschaft habe. „Das können wir ja vielleicht am Nachmittag erörtern.“ Doch da wollten die Richter in die Tiefen des Verfassungsrechts abtauchen.