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Rund 7000 Besucher erlebten in Stuttgart einen überwätigenden Abend mit George Michael.

Stuttgart - „I think it’s over“, singt George Michael, als das Konzert noch gar nicht richtig begonnen hat, der Vorhang geschlossen ist und abwechselnd blau und rot leuchtet oder geheimnisvoll dunkel funkelt. Am Anfang steht ein Ende. Zumindest ein Neuanfang. Er könne jetzt nur gehen, weil alle Widerstände ihn stärker gemacht haben, singt George Michael in dem Song „Through“, der das Konzert eröffnet.

Repertoire von Bing Crosby bis Rihanna

Mit diesem dramatisch effektiv an den Anfang des Auftritts gestellten Ausblick auf das Ende beginnt am Mittwochabend in der Stuttgarter Schleyerhalle ein dezenter, aber überwältigender Konzertabend. Vor 7000 Besuchern führt George Michael eine erstaunliche musikalische Reifung vor, spielt zwar auch eigene Songs, stellt aber die Nummern anderer Künstler in den Vordergrund, eignet sich dabei ein Poprepertoire an, das von Bing Crosby bis Rihanna reicht – und schafft es mit wunderbarer Leichtigkeit, diese rund achtzig Jahre umfassende Geschichte der Populärmusik orchestral zu interpretieren.

Viele Hits erst in der Zugabe

Stil und Geschmack beweist George Michael nicht nur bei der Auswahl seiner dunklen Garderobe, der dezenten Lichtsetzung und den meistens abstrakt und assoziativ bleibenden Videoprojektionen hinter der Bühne. Auch bei der Auswahl des fremden Materials, das er an diesem Abend spielt, ist er angenehm wählerisch, vermeidet das Naheliegende, das Offensichtliche, singt „Let Her Down Easy“ von Terence Trent d’Arby, „True Faith“ von New Order oder „Love Is A Losing Game“ von Amy Winehouse. In David Bowies „Wild Is the Wind”, das im Mittelteil einen funkig-souligen Groove auftut, singt der 48-Jährige mit betörendem Vibrato gegen den Beat an. Die Bing-Crosby -Nummer „Brother Can You Spare A Dime!“ interpretiert er als schwer stampfenden Blues.

Geschmackvoll angerichteter Abend mit Mehrwert

Viele seiner Hits lässt der Brite dagegen aus. Fans müssen sich mit Nummern wie „Amazing“, „I’m Your Man“ oder „Freedom“ in den Zugaben trösten. Doch ob in Nina Simones „My Baby Just Cares For Me“, das im warmtönenden Bigbandsound dargeboten wird, in eigenen Nummern wie der sanft-sinfonischen Ballade „You’ve Changed“ oder dem melancholisch swingenden „Cowboy & Angels“ – stets gelingen die Interpretation mit dem großen Klangkörper ganz selbstverständlich, so als ob die Songs hier ihre ganz natürliche Ausdrucksform gefunden hätten. George Michael hat nicht versucht, wie zuletzt Peter Gabriel seine Repertoire sinfonisch neu zu erfinden, verkrampft nicht wie Sting beim Bemühen, mit Streicherbombast und Bläserdramatik einen Mehrwert zu erzeugen, sondern schafft seiner Musik letztlich nur in einer geschmackvoll eingerichteten, weich gepolsterten Ecke Platz, in die sie eigentlich immer schon hingehört hat.