Seine 92 Jahre Lebenszeit hat Georg Wiedemann gut genutzt: Der Gründer der Jugendmusikschule Zollernalb und des Fördervereins Burgfelden war auf vielen – nicht nur kulturellen – Spielfeldern aktiv und bis zuletzt eine kraftvolle Persönlichkeit. (Archiv-Foto) Foto: Eyrich

Er war der letzte Dorfschullehrer und -leiter in Burgfelden, umtriebiger Initiator von Vereinen und Projekten – und der Vater der Jugendmusikschule Zollernalb. Georg Wiedemann hat in 92 Lebensjahren aber noch viel mehr geleistet.

Albstadt-Burgfelden - Seine 92 Lebensjahre, die er am 21. März vollendet hatte, standen nur auf dem Papier. Bis zu seinem Tod am 1. April war Georg Wiedemann im Herzen jung und im Geiste wach wie einst als Göttinger Student. In seiner Heimatstadt hatte er die Pädagogische Hochschule absolviert, wurde Lehrer – zunächst im ländlichen Ostfriesland.

Es war Liebe auf den ersten Blick, die ein Leben lang halten sollte: Mit seiner Frau Marlene kaufte Wiedemann später ein Ferienhäuschen dort und war mit seinen Chören immer wieder zu Gastspielen im hohen Norden, aus dem er sich früh Richtung Süden "vorgearbeitet" hatte, wie seine Frau sagt – via Frankfurt am Main zunächst nach Trossingen an die Musikhochschule.

Nachdem er sein zweites Studium dort abgeschlossen hatte, kam Georg Wiedemann 1963 als Lehrer nach Burgfelden. "Dort hat er 13 Kinder von der ersten bis zur achten Klasse in einem Raum unterrichtet – und aus allen ist etwas geworden", berichtet Marlene Glönkler-Wiedemann, die ihren Mann in Burgfelden kennengelernt hat. Eine Kollegin habe sie am 17. Februar 1978 nach dem Besuch bei ihren Eltern mit zu ihrem Chef genommen, erinnert sich die vormalige Meßstetter Lehrerin, die vom Bodensee stammt. Auch diese Begegnung war Liebe auf den ersten Blick: "In der Folgezeit hat bei mir jeden Morgen zwei Mal das Telefon geklingelt."

Acht Jahre waren Georg Wiedemann und Marlene Glönkler ein Paar, bis sie vor den Traualtar traten. Mit Sohn Clemens, der 1986 geboren wurde, war das Familienglück perfekt und Georg Wiedemann hatte sich zum dritten Mal fürs Leben verliebt – diesmal in sein Kind, war ihm ein herzensguter Vater, ein väterlicher Freund.

Heimisch wurde die Familie im eigenen Haus, dessen idealen Standort Wiedemann von seiner Lehrerwohnung im Schulhaus ausgemacht hatte, am Ortsrand des malerischen Albstädter Stadtteils, in dem Wiedemann sich so vielseitig engagiert hat: von 1975 bis 1985 als Ortschaftsrat, seit 1993 als Gründer des Kinderchors St. Michael, von 1997 bis 2012 als umtriebiger und bestens vernetzter Intendant des "Burgfelder Musikforums", als der er 44 Konzerte und viele Workshops mit anschließenden Künstlertreffs im Bürgerhaus organisierte.

Mit vielen verband Georg Wiedemann darüber hinaus eine private Freundschaft – zum Beispiel mit den "Freiburger Spielleyt", die auch beim Fest zu seinem 90. Geburtstag musizierten. In Freiburg hatte Wiedemann selbst von 1976 bis 1985 als Dozent an der Musikhochschule gearbeitet, und noch heute fragt sich seine Frau, wie er das zeitlich hinbekam.

Zumal das nicht seine einzigen Spielfelder waren: Den Gesangverein Burgfelden, den Liederkranz Zillhausen sowie den Kirchenchor Zillhausen/Streichen hat Georg Wiedemann viele Jahre lang geleitet und zudem den "Chor der Kammerherren" gegründet, mit dem er sogar im Ausland auf Chorreise war.

Sein nachhaltigster musikalischer Scoop freilich war die Gründung der "Landmusikschule Zollernalb", der heutigen Jugendmusikschule Zollernalb. Dass in Zeiten mangelnder Mobilität nur die Kinder in den Städten in den Genuss von Musikschul-Unterricht kommen sollten, schmeckte dem Pädagogen mit dem großen Herzen für den Nachwuchs und die Chancengleichheit gar nicht. Wenn also die Kinder nicht zu den Lehrern kommen konnten, musste es halt umgekehrt laufen.

Mit Klaus Kinkel im Käfer auf Werbetour

Kein Geringerer als der spätere Bundesaußenminister Klaus Kinkel – der Hechinger war damals im Balinger Landratsamt tätig – begleitete Georg Wiedemann auf seiner Tour zu den Bürgermeistern des Landkreises, wo beide um Unterstützung der Gemeinden warben. In einem VW Käfer seien sie unterwegs gewesen, weiß Marlene Glönkler-Wiedemann. Und es hat sich gelohnt: Heute ist die Jugendmusikschule fest etabliert und hat mit Stephanie Wunder erst kürzlich eine neue kompetente Leiterin gefunden.

Ein ähnlicher Geniestreich war Wiedemann mit der Gründung des Fördervereins Burgfelden gelungen, für den er namhafte Unterstützer gewonnen hatte, darunter Ernst-Adolf Groz, der auch Trauzeuge bei seiner Hochzeit war. Dass der Förderverein nun die Leitung des Musikforums übernommen und es in "Forum Alte Musik Burgfelden" umgetauft hat, schließt einen Kreis: Der Alten Musik fühlte sich Wiedemann, der selbst Trompete, Gitarre, Posaune, Parforcehorn und Cembalo spielte, stets besonders verbunden.

Gentleman alter Schule und Fels in der Brandung

Beruflich pensioniert worden war Georg Wiedemann 1991 als Rektor der Schule in Zillhausen – aufs Altenteil aber hat er sich nie zurückgezogen, war gerne mit seiner Frau nach Osfriesland gereist, im Ort präsent, hat sich bis zu seinem Tod intensiv mit Alter Musik beschäftigt und war für seine Familie und seine Freunde da. Die 22 Jahre Altersunterschied hat seine Frau Marlene nie gespürt: "Er war ein toller Mann mit vielen Ideen, die er zielstrebig verfolgt hat, ohne sich je beirren zu lassen", schwärmt sie. Seine klare Meinung, seine Wärme und Ruhe haben Georg Wiedemann zu einer kraftvollen Persönlichkeit gemacht, zu einem "Felsen in der Brandung", wie seine Frau sagt. Ein Gentleman alter Schule war er überdies.

So sei ihr Mann mit seinem Tod nicht verschwunden aus dem Haus, aus der Familie, aus Burgfelden, sagt Marlene Glönkler-Wiedemann, die wie ihr Sohn viel Kraft aus der schön gestalteten Trauerfeier im engsten Kreis gezogen hat. Das erste Konzert im "Forum Alte Musik Burgfelden" mit den "Freiburger Spielleyt" im Juni noch zu erleben, war Georg Wiedemann nicht vergönnt. Dass er dabei sein wird – daran zweifelt keiner, der ihn kannte.