Herrenberg/Stuttgart - Ein 43-jähriger Ingenieur aus dem Großraum Stuttgart hat auf einer satellitengesteuerten Schnitzeljagd im Wald bei Herrenberg einen außergewöhnlichen Fund gemacht: Der Mann stieß auf Heroin im Wert von rund 100.000 Euro. Der Stoff stammt von Dealern, die Polizisten im Jahr 1996 festnehmen konnten.

Der 43-Jährige, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, geht einem inzwischen immer beliebteren Hobby nach: Geocaching. Er liest auf einschlägigen Internet-Seiten Hinweise auf ein Versteck, das ein anderer irgendwo eingerichtet hat. Mit einem Satelliten-Navigationsgerät macht er sich auf den Weg, um meistens eine Plastik-Box mit einem Büchlein darin zu finden, in dem er einträgt, dass er dagewesen ist. Später bestätigt er seinen Erfolg im Internet den anderen Nutzern der Seite.

So fängt es an jenem Sonntag im Dezember 2009 an: "Ich musste erst ein kleines Rätsel lösen, um die Koordinaten zu herauszufinden", erinnert sich der 43-Jährige, der beim Geocaching schon häufiger ans Ziel gekommen ist. Dann lässt er sich von seinem GPS-Handgerät zu einem Waldstück am Königsgräberweg bei Herrenberg-Kuppingen führen. Auch den Baum macht er ausfindig, an dem sich der Schatz befinden soll. Doch anstatt nach oben zu schauen, wo die Box erst kürzlich am Stamm deponiert worden ist, schiebt der Schatzsucher erst einmal das Laub an der Baumwurzel zur Seite. Und macht größere Augen als bei anderen Schätzen.

Als Pulver aus dem Paket rieselt, ruft der Mann die Polizei

"Da lagen Plastikpakete, die sehr gut und massiv fest eingepackt waren", sagt der Mann, der sein Geld als Ingenieur verdient. Zu fest für die Mülltüten, die er manchmal in Wäldern sieht. Spontan denkt er an die Rauschgiftpakete, die manchmal in Fernseh-Krimis auf dem Tisch liegen. "Ich wollte aber nicht die Polizei rufen, ohne mir sicher zu sein", berichtet er. Also reißt er ein Paket auf. "Als ein Pulver rausrieselte, hab ich dann doch das Handy gezogen."

Polizisten finden heraus, dass es um 500 Gramm Heroin und mehr als 750 Gramm Streckmittel geht. "Das Zeug war so gut eingepackt, das könnte man heute noch konsumieren", sagt Polizeisprecher Uwe Vincon. Kriminaltechniker gehen dank einer hohen Reinheit von einem Schwarzmarktwert von rund 100.000 Euro aus.

Deutlich schwieriger sind die Ermittlungen nach der Herkunft. Die kommen erst ins Rollen, als sich ein Herrenberger Polizist erinnert, dass im Herbst 1996 Drogenfahnder aus Stuttgart in der Gegend waren. Die mutmaßlichen Dealer aus Herrenberg wurden allerdings erst einige Zeit später bei Nagold im Kreis Calw festgenommen. Da die Täter ihre Strafen längst abgesessen haben und einer sogar abgeschoben wurde, können Polizei und Stuttgarter Staatsanwaltschaft nur noch wenige Eckpunkte herausfinden. Festnahme am 17. Oktober 1996 an der B463, Urteil am Landgericht Stuttgart am 21. April 1997. Ein 25-jähriger Dealer musste für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis, ein 24-Jähriger für drei Jahre. Der 24-Jährige ging nach der Haft zurück in sein Geburtsland.

Einer der größten Drogenfunde im Kreis Böblingen

Was die Ermittler nun allerdings auch noch herausfinden, ist, dass der Stoff damals verschollen blieb. Und dass der jetzige Fund rund die Hälfte zu klein ist. Also buddeln sie am vergangenen Freitag noch einmal am Baum beim Königsgräberweg herum - und stoßen in zehn Zentimeter Tiefe auf die restlichen 400 Gramm feinstes Heroin. Insgesamt geht es um einen der größten Drogenfunde im Kreis Böblingen der vergangenen Jahre, bestätigt Uwe Vincon. "Der Ermittlungserfolg schlechthin ist es aber nicht", schränkt der Hauptkommissar ein, "die Tat ist aufgeklärt, für die Täter hat der Fund keine weiteren Konsequenzen."

Für Jörg Bertram, Geschäftsführer der rund 100.000 Mitglieder starken Deutschen Wanderjugend und Verantwortlicher der Internet-Seite http://www.geocaching.de, ist der Fund einmalig: "Meines Wissens ist das die absolute Ausnahme." Bei Bertram sind rund 14.000 Nutzer registriert.

Der 43-jährige Finder von Herrenberg geht davon aus, dass er nächstes Mal wieder nur eine Plastik-Box findet.