Lukas Link, Maxi Raufer, Anselm Säger und Oliver Kienzler (von links) moderieren den Fastnet-Obed der Historischen Narrozunft Villingen unter dem Motto "Zünftiges uus de Zehntscheuer". Foto: Heinig/YouTube

Was für ein Fasnet-Obed! Mit "Zünftigem uus de Zehntscheuer" bescherte die Historische Narrozunft Villingen am Samstag ihren Fans ein Zunftballerlebnis als Online-Variante, das die Isolation durch die Coronapandemie fast vergessen ließ.

VS-Villingen - Wer es gar nicht erwarten konnte, der ließ sich schon eine Stunde vor dem offiziellen Programmbeginn mit Fastnachtsliedern unter anderem der Spittelsänger zu Bildern aus 35 Jahren Zunftball auf den Abend einstimmen. Dabei wurden in den Wohnzimmern schon einmal die Getränke- und Knabberpakete angebrochen, die die Zunft im Vorfeld an Mann und Frau gebracht hatte. Dann erklang der Narromarsch und brachten die Herzen daheim endgültig zum Hüpfen.

Sie führen vier Stunden durch ein kurzweiliges Programm

Maxi Raufer, Lukas Link, Oliver Kienzler und Zunftmeister Anselm Säger begrüßten ihre Zuschauer an den Bildschirmen und führten im Laufe der folgenden vier Stunden (!) durch das Programm, dem sich - laut YouTube – zeitweise bis zu 600 Geräte zugeschaltet hatten. Das Konzept des Abends erwies sich als kurzweilig und abwechslungsreich und machte sich als Zunftball-Ersatz prächtig. Nach Szenen von Zunftbällen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte plauderten die Moderatoren mit den jeweiligen, an den Gasttisch in die Zehntscheuer geladenen Akteuren und schwelgten mit ihnen in Erinnerungen. Vertreten waren sie dabei alle: die Jugend mit Mathis Richter und Quirin Säger als nahezu prophetische Bazillen und Viren beim Ball 2012 ("Xundheit, Xaver, Xentralklinikum") sowie Marius Richter und Marius Stadler 2016 als Schwenninger Ratsherren auf der Suche nach der Villinger Fasnet. Auch Lisa Roth und Julia Popko, die Chefinnen des Zunftballets, waren zu Gast.

Zunftball-Urgesteine mit dabei

Das Mittelalter mit deren Müttern Susi Roth und Heidi Popko sowie Uli Wahr und Priska Haas vom Zunftballett früherer Jahre sowie Hans Vosseler, Rolf Kübeler, Manfred Roth und Peter Metzger als die "Zunftballsänger" waren dabei und schließlich auch Zunftball-Urgesteine wie das Geburtstagskind Peter Kerber (75) und der einzig verbliebene Spittelsänger Bene Sauter. Wenn auch von schlechterer Bild- und Tonqualität, so waren die Ballvideos aus den 1970er und -80er-Jahre ausnehmend spannend, brachten sie doch so manchen Betrachter mit der Erinnerung an die "gute, alte zeit" zum Seufzen.

Wenn Peter Kerber und sein allzu früh verstorbenen Freund Gerd "Aqua" Engesser als Kreuzfahrer oder Kavalleristen in der Alten Tonhalle auftraten, blieb damals schließlich kein Auge trocken und bei den Auftritten der Spittelsänger Bene Sauter, Hans Meßmer und "Schanko" Ummenhofer, später Werner "Tschäbbet" Hirt, kam in der Regel noch eine Träne hinzu. Häufig gemeinsam auf der Bühne standen immer auch Klaus Richter und Michael Schonhardt, die daran erinnerten, dass der Zunftball bereits in vier Sälen stattfand: in der Alten und Neuen Tonhalle sowie nach Schließung der einen 1998 und vor Öffnung der anderen sowohl im Münsterzentrum als auch – 1999 – mit dem "Dreierball" im Theater am Ring.

Bälle in der Alten Tonhalle bleiben unvergessen

Ebenfalls stets im Doppelpack dabei waren die beiden inzwischen pensionierten Lehrer Gunther Schwarz und Henry Greif. Ihr Auftritt als "Stadtratten" beim "Baustellen"-Ball 1998, dem letzten in der Alten Tonhalle, bleiben unvergessen. Wer sie noch kannte, der trauerte der Alten Tonhalle, ihrer Atmosphäre und ihrem "G’schmäckle" nach. So auch die Runde der Ehrenzunfträte Klaus Hässler und Joachim Wöhrle sowie die Gäste Jürgen Wangler und Ralf Prätzas von der Schwenninger Narrenzunft. In sehr geselliger Runde lieferte man sich sympathische Wortgefechte. "Ihr würdet ohne uns ja gar kein Programm zusammenbringen", frotzelte Wangler dabei. Nicht fehlen durften die Bühnenauftritte der Wueschtgruppe. Der ehemalige Wueschtvatter Roland Weißer holte damals die Jugend auf die Bühne, in der Zehntscheuer vertreten durch Fabian Mauch, und setzte damit eine Bewegung in Gang, die sich bis heute fortsetzt. Einspieler erinnerten an den Zunftball 2010 mit den sprechenden Puppen vom Wueschtbrett oder 2016 an die Strohballen.

Neues an diesem Abend: Sexy tanzende Wuescht-Mädle und Filme

Ganz neu und speziell für diesen Abend produziert wurden die sexy tanzenden Wuescht-Mädle. Auch die Zunft-Organisatoren hatten eigens für den besonderen Corona-Fasnet-Obed Filme gedreht und präsentierten damit auch eingefleischten Zunftballbesuchern Neues. Unter dem Motto "Narro goes green" sicherten die beiden Vizes der Zunft und des Forstamtes Alex Brüderle und Roland Brauner man mit dem Pflanzen eines Schemenwaldes die Zukunft für Narro-, Surhebl- und Morbili-Schemen, erfüllten damit aber nicht die Ansprüche der Jugend an den Kampf gegen den Klimawandel, was der wahrlich nicht auf den Mund gefallene "Narrosome" deutlich sagte. Klar wurde dabei auch, dass der gerade angepflanzte Schemenwald aus Linden nach 50 Jahren allenfalls für einen Kindersäbel und erst in 100 Jahren für Schemen reichen wird.

Bürgermeister-Limousine von 1972

Amüsant auch das in Schwarz-Weiß gedrehte Video, das Einblick gab in die Bürgermeister-Limousine, die am 1. Januar 1972 Gerhard Gebauer und Severin Kern anlässlich der Feierlichkeiten zur Städtefusion in Villingens und Schwenningens Mitte chauffierte. Neben dem Chauffeur, Herrn Roth, saß damals auch dessen Sohn Jürgen im Fonds und lernte schon einmal, wie OB geht. Und dann waren da noch die immer wieder mit ihrer Vielseitigkeit begeisternden Tänze der Ballette aller Altersgruppen und eine futuristische Zunft-Generalversammlung – mit lauter Ratsfrauen. Angesichts der "historisch entmannten Narrozunft" ging damals, beim Zunftball 2005, ein Raunen durch die Neue Tonhalle. "Das ist bis heute ein heikles Thema", gab Oliver Kienzler in seinem Kommentar zu.

Online-Blicke zu Kneipenfasnet am 26. Februar

Kurz vor Mitternacht fiel in der Zehntscheuer schließlich der Vorhang. Er hebt sich wieder am Fastnachtssamstag, 26. Februar, und gibt dann Online-Blicke zur "Kneipenfasnet" frei.