Von Florian Würth
Titisee-Neustadt. Es ist Zeit für einen Generationenwechsel. Willi Stächele (59), bislang Vorsitzender der CDU Südbaden, trat am Samstag beim Bezirksparteitag in Titisee-Neustadt (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) nicht mehr zur Wahl an. Gut ein Jahrzehnt hatte er das Amt inne. Nun ist er Landtagspräsident – Zeit für neue Aufgaben.
Sein Nachfolger ist Andreas Jung. Er erhielt rund 59 Prozent der Stimmen – ein ordentliches Ergebnis für den gebürtigen Freiburger. Der 36-jährige Bundestagsabgeordnete aus Konstanz setzte sich gegen den Offenburger Landtagsabgeordneten Volker Schebesta (40) durch, der rund 41 Prozent der Stimmen erhielt.
Für die Kandidaten geht es ums Ganze: Bis kurz vor den Reden, in denen sich Jung und Schebesta präsentieren, können sich viele Delegierte beide Kandidaten als Vorsitzenden ihres Bezirksverbands vorstellen. Als nahezu ausgeglichen bewerten sie deren Chancen. Aber dann räumen die meisten doch ein: Einen leichten Vorsprung habe wohl Jung vor Schebesta. »Er ist einfach sympathischer«, ist zu hören.
20 Minuten Redezeit hat jeder Bewerber. In den Sachfragen herrscht bei den beiden Juristen weitgehende Einigkeit: Bildungspolitisch bekennen sie sich zur Hauptschule und schießen gegen die aktuellen Pläne der Bundes-CDU: Man habe ja vor Kurzem noch nicht ahnen können, dass man nun »in der eigenen Partei in Berlin Opposition machen« müsse, sagt Jung. Auch Schebesta sagt, er habe »kein Verständnis für das Papier der Bundes-CDU«. Mehr Politik von unten nach oben – auch das wollen beide. Sowohl in Sachen Bürgernähe, als auch innerhalb der Partei. Jung sagt: »Jeder soll das Gefühl haben, dass seine Meinung erwünscht ist.« Schebesta fordert eine »Mitmachpartei«.
Die emotionalere Rede hält am Ende Jung
In der Verkehrspolitik heben beide die Wichtigkeit der Autoindustrie und den Ausbau der Infrastruktur hervor – und grenzen sich damit von der Agenda der grün-roten Landesregierung ab. An die Adresse der Grünen, die laut Jung neue Straßen für »Teufelszeug« halten, sagt er: »Stau ist kein Beitrag zum Klimaschutz.« Auch in der Energiepolitik sind sich beide Kandidaten einig: Sie wollen sich für die Abschaltung des Kernkraftwerks Fessenheim im Elsass einsetzen. Die emotionalere Rede hält am Ende Jung. Der anhaltende Applaus lässt den Ausgang der Abstimmung schon ahnen. Doch auch für Schebesta gibt es Respekt-Applaus.
Den größten Beifall – stehend – räumt am Samstag jedoch ein Überraschungsgast ab. EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger ist nach Titisee-Neustadt gekommen. Der ehemalige Ministerpräsident hält am Rednerpult ein engagiertes Plädoyer für Europa. So gelöst und gut gelaunt hat man Oettinger selten gesehen – offensichtlich geht es ihm gut in Brüssel. »Die CDU Südbaden muss eine treibende Kraft in Europa sein«, sagt er zu den Delegierten und fordert eine »Energiestrategie im europäischen Verbund«. In Sachen regenerative Energie sei Zusammenarbeit angesagt. Fotovoltaik-Anlagen hätten etwa in Griechenland mit seinen vielen Sonnenstunden mehr Sinn. »Deutschland ist kein Sonnenstaat«. Doch auch in Baden-Württemberg sei gegen Sonnenkollektoren nichts auszusetzen. Und bei Windrädern, gibt der Energiekommissar zu, sei man früher »etwas zu restriktiv« gewesen.
Zum Abschluss hat Oettinger noch etwas Balsam für die Seelen der Parteifreunde parat, die sich zum ersten Mal mit einer Oppositionsrolle abfinden müssen: »Lasst die Köpfe nicht hängen«, gibt er ihnen mit auf den Weg, »bleibt eine halbwegs fröhliche Partei« und »in fünf Jahren gilt’s«.
Im Gespräch mit unserer Zeitung im Anschluss an die Wahl gibt der frischgebackene Vorsitzende Jung schon einmal den Kurs für die Zukunft vor. »Die CDU Südbaden hatte immer den besonderen Anspruch, Motor und Speerspitze in der Partei zu sein. Daran müssen wir jetzt anknüpfen.« Und auch Jung hat die Landtagswahl noch nicht ganz verdaut. Das Ergebnis sei auf den Verlust von Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzuführen: »Das müssen wir jetzt zurückgewinnen. Ohne Erneuerung wird das nicht gehen.«
"Das ist eine Chance, die Mitglieder ernstzunehmen"
Für ein Element der Erneuerung – den Anspruch, die Basis mehr einzubeziehen und die Mitgliederrechte zu stärken – gibt es am Ende des Parteitags fast eine Chance: Auf den Tischen liegt ein Initiativantrag auf eine Befragung aller rund 70 000 Mitglieder zur Wahl des neuen Landesvorsitzenden, die für den Landesparteitag am 23. Juli ansteht. Die große Mehrheit der Delegierten nimmt den Antrag an. Kaum zehn Gegenstimmen gibt es, bei mehr als 230 Stimmberechtigten. Damit dürfte eine neue, landesweite Debatte in der CDU angestoßen worden sein.
Beim Landesparteitag der CDU am 23. Juli in Ludwigsburg soll der neue Landesvorsitzende als Nachfolger von Stefan Mappus gewählt werden. Bisher sieht es nach einem ähnlichen Duell wie in Titisee-Neustadt aus: Für das Amt kandidieren der Generalsekretär der Landes-CDU, Thomas Strobl, und der Landtagsabgeordnete Winfried Mack aus Aalen. Unter den Delegierten in Titisee kursierten jedoch auch Spekulationen, es könnten noch weitere Bewerber hinzukommen – etwa der Landtagsfraktionsvorsitzende Peter Hauk oder die frühere Umweltministerin Tanja Gönner.
»Das ist die Chance, die Mitglieder ernstzunehmen«, hatte Jung in der Diskussion über eine Mitgliederbefragung zuvor gesagt. Zumindest in dieser Sache hat er als neuer Bezirks-Chef schon einmal die meisten Mitglieder geeint."