Vor 80 Jahren marschierten französische Truppen in Höfen ein. Dem Einsatz von General Hermann Geyer, damals Bürgermeister des Ortes, ist es zu verdanken, dass dies ohne Blutvergießen geschah. Für ihn nahm die Besatzungszeit allerdings kein gutes Ende.
Am 14. April jährt sich der Einzug der französischen Besatzer in Höfen das 80. Mal. Einer, der sich an diesem Tag besonders verdient gemacht hat um den Ort, hat den Tag des Einmarschs um nicht einmal ein Jahr überlebt. Am 10. April 1946 starb General Hermann Geyer von eigener Hand.
Ein Spaziergang über den Höfener Friedhof ist wie ein Blick in die Geschichte des Ortes. Überall finden sich Namen, die Höfen geprägt haben. Lustnauer, Leo, Lemppenau, Commerell und viele weitere. Dazwischen ein Name, der nicht verwurzelt ist in Höfen und doch herausragende Bedeutung für das Schicksal des Ortes hatte. Eben der von Geyer, dem General der Infanterie.
Erinnern Vor über 15 Jahren, im November 2009, wurde sein Grab von der Gemeinde Höfen restauriert und ein neuer Gedenkstein gesetzt. Unter anderen der damalige Bürgermeister Holger Buchelt, Kurt Neuweiler, Ehrenbürger und Chronist, und Hans Dieter Metzger, Ende des Zweiten Weltkriegs 13-jähriger Zeitzeuge, verneigten sich noch einmal vor dem Toten.
Kein Blutvergießen
Verdienst Was war das Verdienst des Generals, der von 1943 bis 1946 in Höfen im Haus der Familie Metzger wohnte? Ihm ist es zu verdanken, dass der Ort 1945 ohne Blutvergießen an die französischen Besatzer übergeben wurde. Als sich im April 1945 nämlich der NSDAP-Kreisleiter und kommissarische Bürgermeister absetzte, ließ sich Geyer – auch von Hans Otto Metzger, der ihm unterstützend zur Seite stand – dazu überreden, die Amtsgeschäfte der Gemeinde zu übernehmen. Dies nur wenige Tage vor dem Einmarsch der Franzosen.
Seine langjährigen Kriegserfahrungen einbringend, strategisch klug und umsichtig, riet der neue Bürgermeister den Höfenern zu bleiben. Er sorgte für die Verteilung von Vorräten, ehe sie requiriert werden konnten. So ließ er zum Beispiel zwei Ochsen der Firma Krauth&Co schlachten und das Fleisch an die Bevölkerung verteilen. Weiterhin setzte sich Geyer dafür ein, dass vor dem Einmarsch der Franzosen keine deutschen Verbände mehr auf Höfener Gemarkung waren, sodass es zu keinen Auseinandersetzungen kam.
Übergabe Am 14. April 1945 erreichten die ersten Franzosen mit amerikanischen Jeeps von oberhalb der Schönklingstraße durch den Wald den Ort. Bürgermeister Geyer, der sehr gut Französisch sprach, ging ihnen entgegen und übergab Höfen. Er war die Tage und Wochen darauf immer präsent und bemüht, zu schlichten und zu beruhigen. Mit dem Oberkommandierenden der französischen Truppen in Baden-Baden, General Marie-Pierre Koenig, war Geyer in telefonischem Kontakt, machte diesem aber auch seine Zuständigkeit als Bürgermeister deutlich.
Natürliche Autorität
Geyer war penibel, beschreibt Hans Dieter Metzger, von großer, natürlicher Autorität, aber auch zutiefst menschlich – wenn er im Metzgerschen Garten arbeitete oder Teig aus der Küche naschte. Seiner Verantwortung kam er mit großem Ernst nach.
Freitod Dann kam 1946 ein französischer Befehl, Vertriebene aus dem Osten und Evakuierte aus dem Rheinland in die amerikanische Besatzungszone in Lager zu schicken. Weil solche in Höfen bereits gut integriert waren, wehrte sich Geyer: „Ich weigere mich für meine Leute.“ Der französische Befehlshaber insistierte.
Hans Dieter Metzger erinnert sich: Geyer verfasste ein Schreiben an General Koenig, an seine eigene Ehefrau und an Hans Otto Metzger, Hans Dieters Vater: Er lasse sich nicht nochmals im Leben Feigheit vorwerfen (Bezug auf den Vorwurf an die Wehrmacht, Hitlers Befehlen zum Zweiten Weltkrieg gefolgt zu sein). Aus Protest gegen Koenigs Befehl mache er seinem Leben ein Ende.
Dies setzte Geyer in der Nacht vom 9. auf den 10. April 1946 am Wildsee bei Kaltenbronn in die Tat um. Geyer wurde zunächst in Wildbad beigesetzt, im engsten Kreis. Erst Monate später durfte er umgebettet werden nach Höfen. Auf Bitten von Hans Otto Metzger sprach General Hans Speidel einen Nachruf.
Verbindung Wie aber war General Geyer überhaupt nach Höfen gekommen? 1916 als Hauptmann im Ersten Weltkrieg zeitweilig in Russland, war er dem damaligen Generalstabsoffizier in der 9. Armee, Major Wolfgang Fleck, unterstellt, Hans Dieter Metzgers Großvater mütterlicherseits. Hier entstand die erste Verbindung.
Hans Otto Metzger, Vater von Hans Dieter, war dann im Zweiten Weltkrieg einige Monate im Stab Geyers in Russland. Eine Freundschaft entstand, und Metzger bot Geyer eine Wohnung im Höfener Haus an. Bald für einen längeren Zeitraum, nachdem Geyers Wohnung in Stuttgart ausgebombt war.
Tapferkeit und Mut Wer war dieser Hermann Geyer, wo kam er her? Im Juli 1882 wurde er in Stuttgart geboren, schlug früh die Offizierslaufbahn ein und tat sich durch Tapferkeit hervor. Im Ersten Weltkrieg war er als Oberleutnant beim Sturm auf Lüttich dabei und wurde als erster württembergischer Offizier für seine Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. 1918 gehörte Geyer zur Waffenstillstandskommission in Spa. Auch in der Nachkriegszeit ging sein militärischer Aufstieg weiter.
Kritische Haltung gegen Hitlers Pläne
Im Frühjahr 1939 schied er, mittlerweile Kommandierender General des V. Armeekorps, auf Veranlassung Hitlers aus dem aktiven Dienst aus. Grund soll seine kritische Haltung gegenüber Hitlers Expansionsplänen gewesen sein. An mancher Stelle wird er dem weiteren Kreis der Septemberverschwörung zugerechnet.
In derselben Zeit kam Geyer erstmals nach Höfen, nämlich zur Kranzniederlegung bei der Beerdigung des genannten Generals Fleck. Geyer wurde noch 1939 reaktiviert wegen des Mangels an qualifizierten Generälen. 1940 erhielt er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes für die Leistungen im Frankreichfeldzug, 1941 führte er das IX. Armeekorps in den Russlandfeldzug. Sein mutiger Brief an Hitler, in dem er warnte, in Russland keinen Winterfeldzug zu führen, brachte ihm 1942 die endgültige Pensionierung.
Ausgelöscht Mit 63 Jahren hat General Geyer seinem Leben im April 1946 ein Ende gesetzt. Sein älterer Sohn Peter war da bereits vier Jahre tot, 1942 in Frankreich gefallen. Der jüngere Sohn Ulrich kam wenige Wochen nach dem Tod des Generals aus russischer Kriegsgefangenschaft frei und – schwer von Tuberkulose gezeichnet – auf die Charlottenhöhe. Charlotte Geyer, gerade Witwe geworden, besuchte den Sohn täglich zu Fuß von Höfen aus und versorgte ihn mit Lebensmitteln. Vergeblich, wie sich nach wenigen weiteren Wochen herausstellte. Noch 1948 verstarb Ulrich Geyer mit gerade 28 Jahren. Seine Mutter folgte im selben Jahr. Damit war die gesamte Familie ausgelöscht. Im Höfener Friedhof ist auch Frau und Söhnen eine Gedenkplatte gewidmet.
Quellen dieses Berichtes sind die Aufzeichnungen von Hans Dieter Metzger anlässlich der Gedenksteinsetzung 2009, Ausführungen von Kurt Neuweiler sowie das Buch von Fritz Barth, „Hoffnung – Krieg – Not“.