Heiße Tanzeinlagen, spitzzüngige Wortgefechte, Leidenschaft, bunte Kostüme, ein Verschwimmen jeglicher Grenzen und die Erkenntnis, dass es nicht immer das Eine oder das Andere sein muss – all das war Teil der Inszenierung des Sommertheater-Stücks "Kiss me Kate".
Rottweil - Es sei ein "Tortenstück der Musicalgeschichte", so Zimmertheater-Intendant Peter Staatsmann, das am Donnerstagabend im Rottweiler Bockshof vor rund 120 Premierenbesuchern gezeigt werden sollte.
Wie man es von ihm kennt, hatte er sich jedoch nicht damit begnügt, "Kiss me Kate" in seiner Ursprungsform aus dem Jahr 1948 darzubieten. In der Rottweiler Inszenierung habe man dramaturgisch reagiert, um dem "toxisch männlichen" Charakter des Stücks und der Idee von der "Zähmung der Frau" etwas entgegenzusetzen.
Staatsmann regte vor Beginn der Aufführung an, gut aufzupassen, weil viel passiere und man aufgrund der Pandemie ein Stück weit des Theaters entwöhnt sei. Und tatsächlich ging es während der gut zweieinhalbstündigen Darbietung auf der Bühne rasant zu. Es gab nicht nur viel zu sehen, sondern auch vieles, das zum Nachdenken anregte.
Grenzen werden aufgelöst
Fast war es am Donnerstagabend, als wollte der frische Wind, der durch den Bockshof fegte, die Intention der Inszenierung des Stücks unterstreichen. Denn Staatsmann hatte sich dazu entschieden, im Stück nicht nur die Grenzen zwischen Spiel und Realität aufzulösen, sondern auch die zwischen männlich und weiblich. Damit trug er unter anderem der Debatte um gendergerechte Sprache, aber auch darum, nicht länger in einer Dichotomie zu denken, sondern Geschlecht als etwas Fließendes wahrzunehmen, Rechnung.
Von Anfang an fiel es aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Stück im Stück handelt nicht leicht, zu identifizieren, ob man sich gerade in der Welt der Theaterschauspieler aus New York befand oder in deren Aufführung von Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung".
Wer liebt wen?
Wer ist wer, und wer liebt wen – das war im Stück – bewusst – genauso schwer zu durchblicken wie im echten Leben. Missverständnisse, alte Gefühle, neue Beziehungen, Eifersucht, Demütigung, Machtspiele, gewalttätige Geldeintreiber und dramatische Liebende, die sich hitzige Wortgefechte liefern, machten das Chaos auf und hinter der Bühne auf der Bühne im Bockshof perfekt.
Mal untermalend, mal spielerisch überspitzend, mal kontrastierend und hinterfragend brachte die Musik, live gespielt von Dorin Grama, Nicholas Charkviani und Nikolaus Neuser beziehungsweise Paul Brody, das Geschehen in Schwung oder nahm im richtigen Moment Tempo heraus, um für einen Moment in die Beobachterperspektive zu rutschen, ehe man im nächsten Moment wieder mittendrin im Geschehen steckte.
Mit Klischees aufgeräumt
Gern ließ man sich vom eindrucksvollen Gesang und wilden Tanz-Performances zu Songs wie "Nur kein Mann" oder "Schlag nach bei Shakespeare" tragen, lachte über manchen lustigen Wortwechsel und war begeistert von der hervorragenden schauspielerischen Leistung.
Mancher Hinweis auf das Geschlechterthema im Stück war offensichtlich, wie die Tatsache, dass Staatsmann aus dem ursprünglich männlichen Protagonisten Fred eine Fredi gemacht hatte und sich das hauptsächliche Liebesbeziehungsdrama somit um ein lesbisches Pärchen drehte.
Die Grenzen verschwammen jedoch auch durch wechselnde Kostüme, Cross-Dressing und Requisiten, wie Säbel und Besen, bei denen man sich als Zuschauer dabei erwischte, diese grundsätzlich als typisch männlich oder weiblich kategorisiert zu haben. Auch mit dem Klischee, dass Männer hart und Frauen eher zart sind, wird im Stück ein für allemal aufgeräumt.
Angst vor dem "Anderen"
Und schließlich ist es Phoebe Howell (Nora Kühnlein), die als "Kriegerin des Kulturkampfes" erklärt, was geschieht, wenn man sich an Konzepten und Vorurteilen festhält, nur in Kategorien denkt, keine Zwischentöne hört und wenn die Angst vor dem "Anderen", das man nicht kennt, überhand nimmt und alles Lebendige erstickt: "Dann ist da nur Leere".
Kiss me Kate - Die weiteren Termine
Aufführungen im Bockshof (Beginn 19:30 Uhr): 08. Juli, 09. Juli, 10. Juli, 12. Juli, 14. Juli, 15. Juli, 16. Juli, 17. Juli, 19. Juli, 21. Juli, 22. Juli, 26. Juli, 28. Juli, 29. Juli, 30. Juli, 31. Juli
Aufführung in Schiltach: 23. Juli (20 Uhr)
Aufführung im Wasserschloss Glatt: 24. Juli (20 Uhr)