Auch im neuen Schuljahr werden die Klassen wieder voll Foto: dpa

An großen Gemeinschaftsschulen sollen Schüler auch Abitur machen können. Damit will die Landesregierung die neue Schulart attraktiver für leistungsstarke Schüler machen. Die Gymnasien befürchten Konkurrenz.

Stuttgart - Der erste Jahrgang der Gemeinschaftsschüler im Südwesten kommt nächste Woche zwar erst in die achte Klasse, aber Kultusminister Andreas Stoch hat Schülern, Eltern und Lehrern am Donnerstag schon einmal ein wichtiges Signal gegeben: Große Gemeinschaftsschulen könnten nach Klasse zehn auch eine dreijährige gymnasiale Oberstufe einrichten, sagte der SPD-Politiker bei der Auftaktkonferenz zum neuen Schuljahr. Voraussetzung ist, dass in der elften Klasse mindestens 60 Schüler sitzen werden. „Die Sekundarstufe II an den Gemeinschaftsschulen wird denselben Qualitätsanspruch wie die Oberstufe an den allgemeinbildenden Gymnasien haben.“ Zugangsvoraussetzungen und Abiturprüfungen seien identisch. sagte Stoch. Einen Unterschied gibt es allerdings bei der zweiten Fremdsprache. Mit dieser können Gemeinschaftsschüler auch erst in der Oberstufe beginnen. Damit gelte für sie dieselbe Regelung wie für Schüler an beruflichen Gymnasien und an Aufbaugymnasien.

Gemeinschaftsschüler, deren Schule keine eigene Oberstufe hat, können nach der zehnten Klasse an ein allgemeinbildendes oder berufliches Gymnasium wechseln. Oder an eine andere Gemeinschaftsschule mit Oberstufe. Möglich sei auch, dass mehrere Gemeinschaftsschulen eine gemeinsame Oberstufe anbieten, sagte Stoch. Diesen Weg wollen beispielsweise die drei Gemeinschaftsschulen in Tübingen gehen – stoßen damit aber auf Gegenwind. Die Rektoren der fünf allgemeinbildenden Gymnasien haben sich dagegen ausgesprochen, ebenso Joachim Walter, Landrat des Kreises Tübingen. Er befürchtet, dass das zu Lasten der beruflichen Gymnasien geht.

Tatsächlich werden nur wenige Gemeinschaftsschulen eine Oberstufe einrichten können – die meisten sind hierfür zu klein. „Bei jeder Gemeinschaftsschule sollten die Eltern aber frühzeitig wissen, welcher Weg zum Abitur führen kann. Daher sollte jede Gemeinschaftsschule ohne Chance auf die Oberstufe frühzeitig ein Gymnasium als Partnerschule haben. Alternativ ist die Einrichtung einer gemeinsamen Oberstufe durch mehrere Gemeinschaftsschulen an einem Standort möglich“, sagte Städtetagsdezernent Norbert Brugger.

Berufsschullehrer gegen Oberstufe an Gemeinschaftsschulen

Der Berufsschullehrerverband fordert hingegen, darauf zu verzichten. Mit 220 beruflichen Gymnasien und 260 Berufskollegs gebe es für Gemeinschaftsschüler genügend Angebote, um eine Studienberechtigung zu erlangen, sagte Landeschef Herbert Huber.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dagegen begrüßte Stochs Ankündigung. „Das schafft Planungssicherheit für die jetzt entstandenen Gemeinschaftsschulen und entspricht den Erwartungen der Eltern, die bei der Anmeldung ihrer Kinder die Perspektive haben wollen, dass ihr Kind an der Gemeinschaftsschule die Möglichkeit hat, alle Schulabschlüsse zu erreichen“. Im neuen Schuljahr steigt die Zahl der Gemeinschaftsschulen um 62 auf 271 – in Stuttgart von vier auf sechs. Etwa jeder sechste Fünftklässler besucht nach den Sommerferien die neue Schulart.

Von Montag an unterrichten rund 6000 neue Lehrer in den Schulen im Südwesten. Alle durch Pension, Krankheit, Elternzeit oder aus anderen Gründen frei gewordenen Stellen wurden wiederbesetzt. 913 Stellen wurden neu geschaffen, um die Schulen zu entlasten und Reformprojekte wie die Inklusion behinderter Kinder in Regelschulen oder den Ausbau von Ganztagsgrundschulen zu ermöglichen.

6600 Kinder mit Handicaps an Regelschulen

So können Eltern von Kindern mit Behinderungen selbst entscheiden, ob sie ihr Kind in eine Sonderschule oder in eine Regelschule schicken. Rund 6600 Schüler mit Handicaps besuchen nun reguläre Schulen. Die meisten seien Erst- und Fünftklässler, relativ wenige wechselten von der Sonderschule in die Regelschule, sagte Stoch. Die Zahl der Ganztagsgrundschulen erhöhte sich um 120 auf rund 515. In Stuttgart wird es acht neue geben.

Ein Teil der zusätzlichen Stellen wird auch für Deutschunterricht für Flüchtlingskinder und andere Kinder ohne Deutschkenntnisse eingesetzt. Die allgemeinbildenden Schulen erhalten 257, die beruflichen Schulen 305 Stellen für Vorbereitungsklassen. Stoch rechnet damit, dass die 1800 Klassen nicht ausreichen.

Angesichts der Rekordeinstellung werden die Lehrer knapp. Vertretungslehrer zu finden könnte schwierig werden, warnte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Timm Kern, forderte zusätzliches Verwaltungspersonal für die Schulleitungen, „damit sie die enormen auf sie zukommenden Aufgaben gut bewältigen können“. CDU-Landtagsfraktionschef Guido Wolf forderte, die Einstiegsgehälter für Junglehrer wieder anzuheben. Sie werden um weitere vier Prozent gekürzt.