Im Retro-Raum steht Pfarrer Johannes Hartmann vor der erhaltenen und aufpolierten Holzwand aus dem früheren Raum. Foto: Karina Eyrich

Konsequent in Sachen Klimaschutz, Offenheit und Zukunft, setzt die evangelische Kirchengemeinde Tailfingen ein Ausrufezeichen mit dem sanierten Gemeindezentrum auf Stiegel. Pfarrer Johannes Hartmann gewährt einen Blick durchs Schlüsselloch.

Aus seinem Stolz auf die konsequent klimafreundliche Umsetzung des Projekts „Raum für Dich" macht Johannes Hartmann, leitender Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Tailfingen, kein Hehl.

 

Wenn am 16. Februar das sanierte evangelische Gemeindezentrum Stiegel eingeweiht wird, haben Hartmann und alle Beteiligten, eine Menge vorzuweisen, wenngleich nicht alles sichtbar ist. Unserer Redaktion gewährt er schon mal Einblick in das Gebäude, das – grundsätzlich – allen offen steht für Veranstaltungen. Unter einer Voraussetzung: „Wir erwarten Respekt davor, wofür wir stehen“, sagt er mit Blick auf die Kreuze, die im großen Saal wieder hängen werden: „Auf keinen Fall darf einer auf die Idee kommen, sie abhängen zu wollen“, stellt Hartmann klar – auch und gerade nach einem „wirklich tollen Gespräch“ mit einem muslimischen Bauarbeiter, der fragte, ob auch er mit seiner Familie dort eine Feier ausrichten dürfe.

Im großen Saal soll künftig gefeiert oder getagt werden. Die drei Kreuze aus dem früheren Gottesdienstraum werden noch aufgehängt. Foto: Eyrich

„Ich habe ihm unsere Haltung erläutert“, sagt Hartmann, und seine sei eine „sehr respektvolle“ gewesen, getreu dem Motto: „Wir Gläubigen müssen zusammenhalten.“ Selbst demokratische politische Parteien dürften dort Veranstaltungen machen. Offenheit ist Trumpf – aber eben im gewissen Rahmen, für den die Gemeinde Entscheidungsgrundlagen für die Vermietung definiert hat.

Geheizt wird mittels Geothermie und Wärmepumpe. Strom kommt vom Dach: Knapp 25 kWp wird die Photovoltaikanlage liefern. Foto: Eyrich

Ebenso wichtig war es allen Beteiligten, konsequent klimafreundlich zu sanieren, stellt Hartmann klar: „Wir wollten den KfW-55-Standard erreichen, haben die Öl- gegen eine Fußbodenheizung ausgetauscht, eine intelligente Lüftung eingebaut.“ Daher wurden alle Böden erneuert, außen mehr als 20 Zentimeter dicke Isolierung aufgebracht, die Fenster dreifach verglast, fürs Dach das „Maximum an Photovoltaik“ vorgesehen, eine Wärmepumpe – und einen Akku, zum Speichern von Energie. Nur der Überschuss wird ins Netz gespeist.

Die Außenanlage muss noch schön gemacht werden – das erfolgt im zweiten Bauabschnitt. Foto: Eyrich

Eine geniale Idee des neuen Stadtbrandmeisters Thomas Daus, bislang Feuerwehrkommandant in Tailfingen, hat die Kirchengemeinde umgesetzt und das Gebäude so ausgestattet, dass es autark mit Generatoren betrieben werden kann. In Notfällen eignet es sich damit als Wärmestube und Refugium für die Anwohner auf Stiegel.

Die Küche ist größer als zuvor und hat eine Durchreiche. Foto: Eyrich

Die Küche: Sie ist neu und größer, gleichwohl nicht dazu gedacht, große Gesellschaften zu bekochen. „Sie ist dafür optimiert, Essen von Catering-Lieferanten auszugeben“, erklärt Hartmann. Ein Herd, ein Backofen, zwei verschiedene Spülmaschinen und natürlich Kühlkapazitäten sind aber drin.

Im künftigen Büro sind die Handwerker noch am Werk. Foto: Eyrich

Das Büro: Mit Schreibtisch und Dock-in-Station sowie einem Besprechungstisch mit sechs Stühlen ausgestattet, soll es sowohl dem Pastoralteam als auch anderen Mitarbeitern der Kirchengemeinde, etwa Kirchenmusiker Oliver Geiger und dem Hausmanagement, für mobiles und flexibles Arbeiten zur Verfügung stehen.

Der Charme der 1960er-Jahre sei noch erhalten, kommentiert Pfarrer Johannes Hartmann die Klinkerwand im breiten Flur. Böden und Anstrich der anderen Wände sind aber neu. Foto: Eyrich

Der große Saal: Er ist das Herzstück des Gebäudes und bekommt nicht, wie zuerst geplant, eine Bühne – dafür aber mehr Raum für Bestuhlung und Tanzfläche: Bis zu 190 Sitzplätze passen rein – bei Bankett-, Parlaments-, Sitzungs-, Kino- oder Gruppentisch-Arrangement entsprechend weniger. Kleine Spuren der Vergangenheit sind bewusst erhalten geblieben, etwa Bohrlöcher am einstigen Platz des Opferstocks.

Die Fenster von Saskia Schulz mussten aus energetischen und statischen Gründen ausgebaut werden, bleiben aber erhalten und werden eventuell zur Dekoration aufgehängt. Foto: Brabenetz

Die Fensterfront: Aus energetischen und statischen Gründen mussten die Fenster, die Felix-Hollenberg-Preisträgerin Saskia Schulz zu Beginn des Jahrtausends geschaffen hatte, nach gut 20 Jahren ausgebaut werden. „Das bedauern viele“, betont Johannes Hartmann. „Aber wir haben die Fenster aufbewahrt und die Idee noch nicht verworfen, sie zur Dekoration aufzuhängen.“ Die Künstlerin sei mit dem Ausbau ihrer einstigen Wettbewerbs-Arbeit zu Studentinnenzeiten einverstanden gewesen. Die neue Fensterfront ist aus durchsichtigem Glas und gibt den Blick auf auf den Außenbereich frei, der im zweiten Bauabschnitt gestaltet wird.

Eine Kirchenbank aus der Erlöserkirche findet im Retro-Raum Platz. Noch liegt sie. Foto: Eyrich

Der Retro-Raum im Untergeschoss hat eine holzvertäfelte Wand von früher behalten – frisch geschliffen und poliert ist sie ein Hingucker hinter einer Kirchenbank der Erlöserkirche. In dem Raum sollen ein Tischkicker und auch hohe Tische mit Barhockern stehen, damit er gemütlich wird für Begegnungen.

Der Lagerraum wird auf lange Sicht der einzige der evangelischen Kirchengemeinde Tailfingen sein. Foto: Eyrich

Der Lagerraum im Souterrain wird auf lange Sicht der einzige der evangelischen Kirchengemeinde sein: „Wir investieren ins Kleinerwerden“, sagt Hartmann und weist darauf hin, wie wichtig es sei, in Zeiten knapper Kassen Ballast abzuwerfen, um die Aufgaben weiter erledigen zu können.

Schön und hell: die Räume im Souterrain Foto: Eyrich

Die Teeküche im Souterrain wird eine große Kaffeemaschine und immer einen Kühlschrank voller Getränke haben.

Im künftigen Sitzungssaal des Kirchengemeinderats können auch Feste gefeiert werden. Foto: Eyrich

Der Tagungsraum gleich daneben wird mit Multifunktionsbildschirm und Beamer ausgestattet und bietet nicht nur Platz für Sitzungen und Seminare aller Art, sondern auch einen barrierefreien Zugang zum „Tiefhof“, wie Hartmann sagt. Mehr als einen Meter Erdreich mussten die Helfer entfernen, um ihn freizulegen. Gesäumt ist er von Sitz-Stufen – und so gebaut, dass er bei Starkregen „nicht zur Badewanne wird“. Somit eigneten sich Raum und Hof auch für Feiern mit Sitzgruppen draußen.

Alles barrierefrei: Das Untergeschoss erreichen Besucher nicht nur über den Haupteingang im Erdgeschoss, sondern auch über den „Tiefhof“ ebenerdig. Foto: Eyrich

Die Aufteilung: Ober- und Untergeschoss sind separat nutzbar. Während im Erdgeschoss die große Küche und zwei einzelne WC-Kabinen sowie ein Behinderten-WC und ein Wickeltisch sind, stehen im Untergeschoss große Sanitärräume mit mehreren WC-Kabinen zur Verfügung. Beide Stockwerke und alle Räume darin sind barrierefrei erreichbar.

Die Farbe der Innentreppe hatte laut Pfarrer Johannes Hartmann einige Diskussionen ausgelöst. Foto: Eyrich

Die Botschaft: „Wir wollten ein Zeichen setzen, dass man etwas tun kann – und muss“, sagt Johannes Hartmann mit Blick auf Barrierefreiheit, klimafreundliche Ausrichtung und das offene Nutzungskonzept für das Gemeindezentrum Stiegel, mit dem die evangelische Kirchengemeinde Tailfingen Maßstäbe setzen wollte, wie ein modernes Gemeindehaus ausschauen soll. Wichtig ist dem Pfarrer, „dass hier immer Leben ist, dass immer Autos auf dem Parkplatz stehen – oder noch besser Fahrräder“, fügt er schmunzelnd hinzu. Um das Haus auch in Saure-Gurken-Zeiten zu beleben, wird der Mietpreis nachfragegesteuert sein: „Wenn wenig los ist, wird die Miete bis zu 40 Prozent niedriger“, sagt Hartmann und betont: Das eröffne auch Menschen mit schmalem Budget, den „Raum für Dich“ für eine Veranstaltung zu nutzen.

Viele weitere Fotos vom Gemeindezentrum auf Stiegel im Internet unter der Adresse www.schwarzwaelder-bote.de