Tauberbischofsheim (hier der Marktplatz) muss neu gewählt werden. Foto: dpa/Ronald Wittek

Mehr als drei Jahre nach der Kommunalwahl muss Tauberbischofsheim den Gemeinderat neu wählen – wegen der unechten Teilortswahl. Fällt sie nun auch anderswo?

Der Gemeinderat von Tauberbischofsheim muss neu gewählt werden. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim hat die Wahl vom Mai 2019 in der 13 300 Einwohner zählenden Kreisstadt für verfassungswidrig erklärt (Az. 1 S 2975/21). Er gab damit der Klage einer Einwohnerin aus dem Stadtteil Impfingen statt. Sie hatte sich darüber beklagt, dass ihr Teilort im Gemeinderat nicht ausreichend vertreten sei. Zuvor hatte ihr schon das Stuttgarter Verwaltungsgerichts Recht gegeben.

 

Stein des Anstoßes ist die so genannte unechte Teilortswahl. Eigentlich soll sie jedem der sechs Ortsteile sowie der Kernstadt eine angemessene Vertretung garantieren. Doch seit einer Verkleinerung des Gremiums auf 18 Mitglieder ist in Tauberbischofsheim für jeden Teilort nur noch jeweils ein Sitz reserviert – für Dienstadt mit 315 Einwohnern ebenso wie für den größten Teilort Impfingen mit 1023 Einwohnern. Impfingen ist dadurch selbst gegenüber der Kernstadt unterrepräsentiert, die bei 8500 Einwohnern immerhin zwölf Sitze hält.

Wie viel Ungleichheit ist noch akzeptabel?

Der Senat habe keine grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der unechten Teilortswahl, erklärte das Gericht. Jedoch müsse die Sitzverteilung den Vorgaben der Gemeindeordnung entsprechen. Demnach müssten für eine Über- oder Unterrepräsentation eines Teilorts zumindest sachliche Gründe vorliegen, zum Beispiel eine Konzentration öffentlicher Einrichtungen. Fehlten solche Gründe, werde üblicherweise eine Abweichung von 20 Prozent toleriert, sagte eine Sprecherin. Im vorliegenden Fall ist Impfingen aber zu 38 Prozent unter- und Dienstadt zu 57 Prozent überrepräsentiert.

Wann die nun fällige Neuwahl stattfinden wird, ließ das zuständige Landratsamt im Main-Tauber-Kreis am Dienstag offen. Es müsse geprüft werden, ob gegen das Urteil mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof vorgegangen werde, sagte ein Sprecher. Die nächste Kommunalwahl in Baden-Württemberg findet im Mai 2024 statt. „So lange werden wir nicht warten können“, sagte die Bürgermeisterin Annette Schmidt (CDU). Der gegenwärtige Gemeinderat bleibt bis zur Neuwahl geschäftsführend im Amt und muss nun die Hauptsatzung entsprechend ändern. Denkbar ist eine Vergrößerung des Gremiums oder die Abschaffung der unechten Teilortswahl.

Auswirkungen aufs ganze Land

Solche Diskussionen würden nun wohl in vielen Orten neu angefacht werden, sagte Norbert Brugger, Kommunalreferent beim Städtetag. Auch anderswo müsse die Sitzverteilung neu austariert werden. Gegenwärtig wird noch in 384 der 1100 Gemeinden im Land nach der unechten Teilortswahl gewählt. 1989 waren es noch 680 gewesen.