Der Wahlkampf will bezahlt sein – daher möchte die CDU von ihren aussichtsreich platzierten Gemeinderatskandidaten je 6000 Euro haben. Foto: Leif Piechowski

Je 6000 Euro möchte der Stuttgarter CDU-Kreisverband von jedem aussichtsreich platzierten Kandidaten, um den Wahlkampf zu bezahlen. Andere Parteien kassieren auch, aber nicht so heftig.

Je 6000 Euro möchte der Stuttgarter CDU-Kreisverband von jedem aussichtsreich platzierten Kandidaten, um den Wahlkampf zu bezahlen. Andere Parteien kassieren auch, aber nicht so heftig.

Stuttgart - Wenn man im Stuttgarter Gemeinderat sitzt, ist man wer. Für das Stadtrats-Ehrenamt in der Großstadt erhält man eine Aufwandsentschädigung von 1200 Euro im Monat sowie Sitzungsgelder. Man legt Ehre ein, man kommt auf viele Einladungslisten und man mischt in der Kommunalpolitik einer Landeshauptstadt mit. So mancher amtierende oder ehemalige Stadtrat sieht gern den entsprechenden Zusatz auf seiner Visitenkarte. Für viele ist dieses Ehrenamt auch hilfreich bei Geschäften. Den Sitz im Rathaus und den Beginn einer vielleicht noch größeren politischen Karriere gibt es allerdings nicht umsonst: Die Parteien fordern Beiträge zum Wahlkampf.

Die Stuttgarter CDU rechnet zur Finanzierung des Wahlkampfs fest mit jeweils 6000 Euro von jeder Kandidatin und jedem Kandidaten auf einem aussichtsreichen Listenplatz. Sprich: von den ersten 20 der 60 Personen, mit denen sie sich am 25. Mai um die insgesamt 60 Sitze im Stuttgarter Gemeinderat bewirbt. So viel Geld sollen es sich die Betreffenden Wert sein lassen, dass sie von einem guten Platz ins Rennen gehen. Wer weiter hinten auf der Liste platziert ist, aber so sehr in der Gunst der Wähler steht, dass er trotzdem in den Gemeinderat einzieht, soll auch nicht ungeschoren davonkommen.

Im Januar bereits haben die Parteioberen die Ansprüche formuliert. „Wir erwarten Ihre Spende spätestens bis zum 31. März 2014 auf unser Konto mit Angabe Ihres Namens und dem Stichwort ‚Kommunalwahl‘“, hieß es in einem Brief an die Kandidaten, der unserer Zeitung vorliegt. Bewerber auf den Plätzen 1 bis 20 sollten je 6000 Euro bezahlen, alle anderen je 200 Euro. Den sechs aussichtsreich platzierten Stuttgarter CDU-Kandidaten für das Regionalparlament berechnete die Partei je 2500 Euro, den übrigen zwölf je 100 Euro. „Der Ordnung halber verweisen wir darauf, dass wir von allen Kandidaten, die in den Gemeinderat oder die Verbandsversammlung der Region gewählt werden, ebenfalls erhoffen, ihre Spende bis spätestens zum 30. Juni 2014 auf 6000 Euro bzw. 2500 Euro zu erhöhen“, heißt es im Rundschreiben.

So kann man Kasse machen. Allein die 20 ersten Listenbewerber für den Gemeinderat sollen auf diese Weise 120 000 Euro beibringen – egal, ob sie alle gewählt werden oder nicht. In die nächste Fraktion werden sicherlich aber auch einige Bewerber einziehen, die hinter dem Platz 20 gesetzt waren. Das erhöht den Eingang der offiziell als „freiwillig“ deklarierten „Kandidatenspenden“.

So kann der Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann gelassen und lächelnd sagen, die Kreispartei habe ein Wahlkampfbudget von bis zu 200 000 Euro. Andere Parteien haben deutlich geringere Beträge genannt, die Sozialdemokraten zum Beispiel 100 000 Euro für ihren Wahlkampf. Aber diesbezüglich, sagt Kaufmann, glaube er längst nicht alle Verlautbarungen der politischen Konkurrenz: „Die haben sicherlich ein ähnlich hohes Budget.“

Den Obolus, den die Kreispartei den Bewerberinnen und Bewerbern auferlegt, hält er für vertretbar. „In der Regel stammt das Geld nicht vom eigenen Bankkonto“, sagt er, vielmehr würden die Bewerber Spenden für ihren Wahlkampf einsetzen. „Da bittet man auch im Umfeld, bei Verwandten, Freunden und Nahestehenden um Spenden.“ Zwingen könne man letztlich keinen Bewerber, sagt Kaufmann, er widerspricht allerdings auch nicht der Einschätzung, dass die Betroffenen mit klaren Erwartungen der Partei konfrontiert sind.

Für die Weiterleitung der 6000 Euro an die Partei erhielten die Kandidaten aber auch Gegenleistungen, sagt Kaufmann: etwa kleine Wahlkampfwerbemittel, sogenannte Giveaways, anderes Werbematerial und Fotos für eigene Plakate. Die Partei trage auch die Kosten für die Werbeagentur, die den Wahlkampf betreue. Der Kreisverband finanziere mit den Kandidatenspenden den Wahlkampf und lege noch einiges drauf, sagt Kaufmann, man saniere nicht etwa die Kasse. Nur den Druck eigener Kopfplakate müssten die Kandidaten, sofern sie sie wollten, extra bezahlen.

So halte es die Stuttgarter CDU seit Jahren – die 6000 Euro seien zwar etwas höher als der frühere Obolus, „aber in der gleichen Größenordnung“, sagt Kaufmann. Dennoch ist die Geldbeschaffung des Kreisverbands nicht unumstritten. „Manche sagen schon, ich würde ja gern kandidieren, kann es mir aber nicht leisten“, sagt ein CDU-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden will. Neidvoll geht der Blick zu den Grünen, bei denen man auch keine schlechten Wahlchancen hat, aber weniger zahlen muss.

Den ersten 18 Personen auf der Liste sei angeraten, einmalig 600 Euro zu bezahlen, im Fall der Wahl noch einmal 600, sagt die Grünen-Kreisvorsitzende Petra Rühle. Dafür bekomme man ein „Kandidatenpaket“ von Dienstleistungen wie Flyern und persönlichen Plakaten. Zwei weitere Bewerber hätten freiwillig die Bezahlung auch zugesagt. Wer will, kann auch ein Teilpaket von Dienstleistungen zu einem Teilbetrag buchen. Wenn es wo klemme, sagt Rühle, könne man sich über sozialverträgliche Konditionen unterhalten wie Ratenzahlung.

Bei der SPD geht es um ähnliche Summen. Für die Plätze 1 bis 20 wünscht sich die Kreispartei je 250 Euro, für die Plätze 21 bis 30 sind es 175 Euro, für die restlichen Listenplätze 100 Euro. Wer gewählt wird, soll dann noch 1000 Euro nachschießen. „In der Vergangenheit haben eigentlich immer alle bezahlt“, sagt Schatzmeister Ulrich Henke. Manchmal müsse man den einen oder anderen dran erinnern. Dagegen pfeifen bei der CDU die Spatzen von den Dächern, dass einen Monat nach der Frist noch nicht alle Kandidaten bezahlt hätten. Da handle es sich aber um weniger als fünf Fälle, sagt Kaufmann.

Dennoch bietet die CDU der Konkurrenz Angriffsfläche. So zuzulangen wie die CDU, halte sie für falsch, sagt die Grünen- Vorsitzende Rühle. Man wolle doch in erster Linie gute Leute im Gemeinderat, aber manche könnten sich die 6000 Euro nicht leisten.