Schlaglöchern wird in Neuweiler jetzt digital zu Leibe gerückt. Foto: © WoGi - stock.adobe.com

Die Gemeinde Neuweiler hievt seine Erfassung des Straßenzustandes ins 21. Jahrhundert und verabschiedet sich von "Stift und Zettel". Künftig werden die Straßen mit einem Smartphone-gestützten Analyseprogramm automatisch erfasst.

Neuweiler - Schlaglöchern, Rissen und anderen Straßenschäden geht es nun in Neuweiler an den Kragen. Dafür rüstet die Gemeinde den eigenen Bauhof digital auf. Das Analysesystem "Vialytics" soll nämlich künftig dabei helfen, die Straßenschäden objektiv beurteilen zu können. Wer jetzt aufhorcht und meint, dass Thema schon einmal gehört zu haben, der liegt goldrichtig. Denn bereits im März 2021 hatte der Gemeinderat mit dem Straßenanalysesystem zu tun – und lehnte das mit Verweis auf die zu hohen Kosten im Vergleich zum Nutzen ab. Denn zu dieser Zeit gab es auch keinen Bauhofleiter in der Waldgemeinde. Der ist jetzt aber wieder vorhanden, weshalb das Thema nun wieder im Gemeinderat diskutiert wurde. Jonas Hock von Vialytics prieß natürlich die Vorteile des Systems und erklärte die Funktionsweise. Das ganze sei ein "Straßenmanagementsystem für den Bauhof", erklärte Hock. Man komme dadurch weg von "Stift und Zettel" und beschreite digitale Wege.

Windschutzscheibe genügt

Denn das System basiert auf der Grundlage eines Smartphones und kann ganz einfach an der Windschutzsscheibe eines jeden Fahrzeugs befestigt werden. "Während der täglichen Fahrten werden in regelmäßigen Abständen von vier Metern Bild- und Erschütterungsdaten übertragen", heißt es in der Sitzung des Gremiums. "Das System wertet die Bilder mit Hilfe einer KI automatisch aus", verdeutlicht Hock. Wobei der Begriff "künstliche Intelligenz" da etwas hochtrabend sei, gab der Vialytics-Gesandte zu verstehen. Konkret sind im Hintergrund 300 000 Bilder von zig verschiedenen Schlaglöchern, Rissen und anderen Straßenschäden als Referenz hinterlegt. Das App-basierte Analysetool lerne stetig weiter und werde trainiert. Das sei mit einem Kind vergleichbar, so Hock, das beigebracht bekomme, was ein Apfel sei: "Man zeigt dem Kind den Apfel, dann lernt es, den später wiederzuerkennen. Hat man dann mal einen Pfirsich, wird das Kind vielleicht auch darauf tippen, dass es ein Apfel ist, weil es eben rund und rötlich ist. Dann kann man aber sagen, nein, schau her, das ist ein Pfirsich, weil leicht pelzig." So oder so ähnlich funktioniere das beim Vialytics-System auch – nur eben mit Verschmutzungen, Schlaglöchern oder tiefen Rissen anstelle von Obstsorten.

Daten werden gebündelt

All diese Daten werden dann gebündelt erfasst und ausgewertet. Die künstliche Intelligenz kategorisiere die erfassten Straßen auch direkt, sagt Hock. Der Bauhof sehe dann unmittelbar, wo es Handlungsbedarf gibt, welche Noten ein Straßenabschnitt habe. Alle vier Meter wird ein Foto aufgenommen und der Zustand des Asphaltbandes analysiert. All diese Daten der 50 Kilometer Straßennetz sind dann auf digitalen Karten für die Gemeinde zugänglich. Man könne auch ins Detail gehen und heranzoomen, auch eine Art "Street-View-Modus" soll es geben. Mehr noch: Auch den Winterdienst kann mit der Software ausgestattet werden und so wird eine GPS-Spur erfasst, um beweisen zu können, dass und vor allem wo der Winterdienst unterwegs war. Auch Verschmutzungen oder ausgeblichene Schilder werden so direkt entdeckt. Die Idee von Bürgermeister Martin Buchwald war, dass man das System-Gerät einfach in die Kehrmaschine hängt und dann mit der Zeit alle Straßen der Gemeinde erfasst.

Fragen des Gremiums

Nach der ausführlichen Vorstellung des Systems kamen einige Fragen im Gremium auf. Markus Fenchel wollte wiessen, wie viele Geräte denn gleichzeitig aufnehmen könnten? Eines reiche da eigentlich völlig aus, erklärte Hock. Für das Winterdienst-Szenario, in dem ja mehrere Winterdienstler in den Ortsteilen unterwegs sind, könne man dann auch Zusatzgeräte zur Verfügung stellen. Klaus Hartmann erfragte, ob im Preis von 5460 Euro auch die Schulungen für die Mitarbeiter inbegriffen seien? Das konnte Hock wiederum bejahen. "Woher hat die Bewertungs-KI denn den Notenschlüssel?", fragte Ratskollege Reinhard Kussack. Das werde abgeleitet von der Norm für Autobahnen und das werde dann eben runtergebrochen auf kommunale Ebene, erläuterte Hock und ergänzte zur Gewichtung durch das System: "Ein Einzelriss ist natürlich weniger gravierend als ein Schlagloch."

Fragenbatterie von Rätin Doris Hammann

Gemeinderätin Doris Hammann hatte gleich eine ganze Fragenbatterie, die sie in Richtung Verwaltung und Hock feuerte: "Wie ist das mit der Zustandserfassung angedacht, das ist doch nicht in diesem Zeitraum zu schaffen? Wie wird dann die Priorisierung vorgenommen?" Denn Risse gebe es ja überall in den Straßen und da "sitzt das Wasser rein und schafft", so Hammann. Hock zeigte sich daraufhin überzeugt, dass die Kehrmaschinen-Taktik zur schnellen Erfassung der Grunddaten aufgehe.

Selbst in einem einzelnen Fahrzeug könne man in zwei Stunden gut und gerne bis zu 25 Kilometer Straßennetz erfassen. Und weiter zur Priorisierungsfrage: "Die Zuständigkeiten für Ihre Straßen gibt es jetzt ja auch schon. Und natürlich können Sie nicht alle Schäden auf einmal beheben." Genau da helfe das System ja, um richtig zu priorisieren. Auch Bauhof-Boss Frank Hammann stellte fest: "Das System zeigt mir, welches Schlagloch dringender ist." Ob das so von Nöten sei, daran hatte Rat Bernd Greule so seine Zweifel: "Das hört sich alles gut an, aber ob unsere kleine Gemeinde das braucht ist die Frage." Bürgermeister Buchwald hielt nochmals fest, dass es sich bei Vialytics um eine "hilfreiche Unterstützung" handle. Manuel Günthner hatte ein passendes Schlusswort in pettto: "Ich finde das gut, bis jetzt sind wir immer überrascht, wenn die Straßen schlecht sind. Vielleicht brauchen wir jetzt mal den Hammer, der uns sagt, was alles kaputt ist." Wisse man das, könne man gezielt gegensteuern und die Reparaturarbeiten angehen. Das segnete dann auch der Gemeinderat so ab und stimmt bei einer Gegenstimme (Greule) für die Anschaffung des Systems.