Im Nagolder Gemeinderat stimmte eine knappe Mehrheit dafür, die Grundsteuer ab 2022 zu erhöhen. Foto: Fritsch/Montage: Helber

Das Abstimmungsergebnis ist zwar das gleiche wie bei der Erhöhung der Kita-Gebühren, aber die Mehrheit eine andere: Ebenfalls mit 14 zu zwölf Stimmen sprach sich der Nagolder Gemeinderat für eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B um 50 Prozentpunkte von 420 auf 470 von Hundert aus.

Nagold - Wurde der Kita-Entscheid noch maßgeblich von der FWV, den Grünen und der FDP getragen, erhielt diese kommunale Steuererhöhung nach wieder ausführlicher und durchaus leidenschaftlicher Diskussion ihre Mehrheit von FWV und CDU. Die Erhöhung wird nun zum 1. Januar 2022 wirksam. Mit einem Hebesatz von 470 Punkten stößt die Stadt Nagold nach eigenen Angaben bei der Grundsteuer B "in die Spitzengruppe des Landes Baden-Württemberg" vor. Weshalb hier künftig der Spielraum – vorbehaltlich der Effekte der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten und von der Bundesregierung geplanten Grundsteuerreform im Jahr 2025 – zumindest vorläufig grundsätzlich ausgereizt sein würde.

Stadt will mit dem Geld "infrastrukturelle Aufgaben" finanzieren

Notwendig sei die Erhöhung der Grundsteuer B (gilt für Immobilien und Grundstücke), die voraussichtlich für 500 000 Euro Mehreinnahmen im Jahr sorgen wird, um die "infrastrukturellen Aufgaben" der Stadt Nagold auch weiterhin finanzieren zu können, wie Finanzbürgermeister Hagen Breitling zur Einführung des Tagesordnungspunktes auf der jüngsten Sitzung des Gemeinderats in der Stadthalle erläuterte. Vor allem der Nagolder Ergebnishaushalt sei "ein Sorgenkind": Allein im laufenden Jahr wird mit einem Minus von rund sechs Millionen Euro für die Stadtfinanzen gerechnet. Auch für mindestens die nächsten vier Jahre werde hier mit einem "strukturellen Defizit von regelmäßig mindestens vier bis sechs Millionen Euro" gerechnet – was, wie berichtet, bereits vom Regierungspräsidium als zuständiger Finanzaufsichtsbehörde in einem Schreiben an die Stadt gerügt wurde; und deshalb einen Sanierungsentwurf für die mittelfristige Finanzplanung Nagolds eingefordert hatte.

Eine zusätzliche Unsicherheit für die Stadtkasse stellen die Unwägbarkeiten beim Gewerbesteuer-Aufkommen dar – etwa wegen den Folgen der Pandemie, aber auch wegen der allgemein schwankenden Konjunkturlage. Die finanzielle Situation Nagolds würde, so der Wortlaut der Sitzungsunterlage zum Thema, "insbesondere dann noch weiter verschärft werden", wenn hier "keine regelmäßigen Planansätze für die Gewerbesteuer von deutlich über zwölf Millionen Euro" mehr erreicht werden könnten. Aus diesen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten heraus sei daher auch eine alternative oder ergänzende Erhöhung der Gewerbesteuer "nicht sachgerecht". Aktuell liegt der Gewerbesteuerhebesatz der Stadt Nagold mit 390 vom Hundert (seit 2015) in Baden-Württemberg im vorderen Mittelfeld.

Zugeordnet hat die Stadtverwaltung die von ihr beantragte Anhebung der Grundsteuer B den in den vergangenen Jahren für die Stadt neu erwachsenen Aufgaben in der Schulsozialarbeit und der IT-Infrastrukturbetreuung an den Nagolder Schulen – die sich auf ähnliche Beträge summieren wie die künftigen Mehrerlöse aus der Grundsteuer. Alternativ hätten diese auch "durch die Aufgabe freiwillig angebotener Einrichtungen" finanziert werden können. Die Sitzungsvorlage listet hier beispielhaft den Badepark (rund 804 000 Euro Fehlbetrag), das Heimatmuseum (142 000 Euro), die Stadtbibliothek (325 000 Euro) oder die Musikschule (623 000 Euro) auf. Auch diese jährlichen Fehlbeträge würden durch Steuern finanziert.

Brigitte Loyal (Grüne-Fraktionssprecherin) mochte der Erhöhung der Grundsteuer ad hoc so nicht zustimmen, weil der Antrag der Verwaltung "ein bisschen plötzlich" eingereicht worden sei. Sie hätte sich da eine Vorberatung im Verwaltungsausschuss gewünscht, vor allem wegen der "sozialen Komponente", da die Grundsteuer B über die Nebenkosten auch von Mietern – auch solchen mit geringem Einkommen – getragen werde müsste. Auch, dass man mit dem neuen Hebesatz in der Spitzengruppe in Baden-Württemberg liege, sei "nicht in unserem Sinne".

Auch Daniel Steinrode (SPD-Fraktionssprecher) sprach sich gegen die Erhöhung der Grundsteuer aus, wobei er eine solche Erhöhung zur Kompensation der Kita-Gebühren wiederum mitgetragen hätte. "Hier aber nicht."

Jürgen Gutekunst (FDP) fand die Grundsteuer-Erhöhung dagegen insgesamt unangemessen, sie "passt nicht ins Bild momentan", wo die Haushalte die Lasten der Pandemie noch zu verkraften hätten. Zudem rechnete Gutekunst vor, dass die Einnahmen der Stadt aus der Grundsteuer B eh steigen müssten, weil das "Bauland wächst" in der Stadt, also die Zahl der Steuerpflichtigen sich insgesamt erhöht. Alternativ schlug Gutekunst vor, zum Beispiel den Badepark im Winter zu schließen, um über die dann eingesparten immensen Heizkosten das Geld für die Schulsozialarbeit und die IT-Betreuung wieder reinzuholen. Was aber, wie Oberbürgermeister Jürgen Großmann postwendend erwiderte, nicht reichen würde – da so nur "vielleicht 300 000 Euro" zusammenkämen.

Günther Schöttle sieht wachsende Kreditlast kritisch

Günther Schöttle (AfD) sprach sich ebenfalls für den Sparansatz aus – anstatt Steuern weiter zu erhöhen: "Wir müssen uns von Aufgaben trennen, die wir uns nicht leisten können." Auch die wachsende Kreditlast bezeichnete Schöttle als kritisch – was ebenfalls für das Streichen von freiwilligen Leistungen spräche. Direkte Entgegnung des OBs: Seit dem Zweiten Weltkrieg seien die öffentlichen Haushalte in Deutschland stets "kreditfinanziert", würde die öffentliche Hand mehr ausgeben als einnehmen. Um etwa durch Investitionen Impulse für die Konjunktur zu setzen. Dem Wolfgang Schäfer (CDU-Fraktionssprecher) beipflichtete, der es "wohlfeil" nannte, die öffentliche Hand zum Sparen aufzufordern, ohne selbst konkret zu sagen "wo und wie".

Wolfgang Schäfer fürchtet bei Schließungen geringere Lebensqualität

Schäfer wies auch auf den Infrastruktur-Auftrag der Kommunen hin, der mit einer soliden Finanzierung in Einklang zu bringen sei. Und natürlich könne man Musikschule, Schwimmbad, Bibliothek und das Steinhaus schließen – "dann hätten wir kein Finanzierungsproblem mehr", aber eben "auch keine Lebensqualität" für die Bürger der Stadt. Wenn eine Aufgabe von Bund oder Land an die Kommunen delegiert werde ohne entsprechende Finanzierung, bliebe vor Ort nur die Grundsteuer, um die Lasten zu stemmen. Und hier seien die Beträge, die jeder Einzelne im Jahr zu tragen habe, ungleich niedriger als zum Beispiel bei der Erhöhung der Kita-Gebühren – weil "mehr Schultern" die Lasten tragen würden.

Letztlich nannte auch Eberhard Haizmann (FWV-Fraktionssprecher) die Erhöhung der Grundsteuer "nicht schön, aber notwendig", weshalb seine Fraktion dem Vorschlag der Verwaltung zustimmen würde. Auch er begründete dies mit dem Umstand, dass die Grundsteuer B "den einzelnen nicht so extrem" belasten würde wie etwa gezielte Gebührenerhöhungen.