Firmeninhaber Hansjörg Bucher (im Vordergrund rechts) informierte die Kinzigtäler "Reisegruppe" über das Nahwärmenetz, das seit 30 Jahren einen Großteil des Schweizer Orts Escholzmatt versorgt. Foto: Dorn

Das Fischerbacher Rathaus, Samstagmorgen 6.30 Uhr. Pünktlich setzt der Reisebus sich in Bewegung Richtung Schweiz. An Bord: Bürgermeister Thomas Schneider und zahlreiche Gemeindevertreter. Sie wollen ein Nahwärmenetz besichtigen.

Fischerbach - Schneider fährt zusammen mit dem Fischerbacher Gemeinderat, Revierförster Frank Werstein, dem Vorsitzenden der örtlichen Forstbetriebsgemeinschaft Jürgen Kornmaier und einigen interessierten Bürgern. In Haslach wird wenig später noch der Geschäftsführer der Forstlichen Vereinigung Schwarzwald Joachim Prinzbach zusteigen.

Über die Heidburg geht es auf die Autobahn, im ersten Morgenlicht serviert Reiseleiter Thomas Schneider Kaffee, Brezeln und Nusszopf. Der Fischerbacher Bürgermeister hat lange auf diese Bildungsreise in die Schweiz hingefiebert. Im Sommerurlaub im Bayrischen Wald hatte er den Prototyp eines Reaktors zur Holzvergasung direkt in einer Industriehalle beim Hersteller inspiziert, jetzt möchte er seinem Gemeinderat eine solche Anlage im Realbetrieb vorstellen.

Am Ziel Escholzmatt angekommen, wartet gegenüber vom Sägewerk inmitten des Dorfs bereits Hansjörg Bucher, der den Familienbetrieb in dritter Generation führt. Von außen deutet nur wenig auf den Reaktor im Inneren des Sägewerk-Komplexes hin. Auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes zeugen mehrere Kammern mit Hackschnitzeln davon, dass dort nicht nur die Holzabfälle aus dem Säge- und Hobelwerk verbrannt werden, immerhin versorgt Bucher seit 30 Jahren einen Großteil des kleinen Orts mit Nahwärme.

Inzwischen hat sich auch noch die hauptamtliche Gemeinderätin Jeannette Riedweg-Lötscher unter die Zuhörenden gemischt. Riedweg-Lötscher ist im Gemeindeteil Marbach für die Nahwärme aus Hackschnitzeln zuständig, anders als in Escholzmatt fand sich dort kein privater Betreiber. 1992 musste die Gemeinde im Schulhaus die marode Ölheizung ersetzen und fasste den visionären Entschluss, ein kommunales Nahwärmenetz in Eigenregie zu betreiben. Jahr um Jahr wurde das Netz um Abnehmer erweitert, inzwischen sind alle öffentlichen Gebäude und 45 Privathäuser angeschlossen. Eine Käserei ist Großkunde und fordert Prozesswärme von bis zu 95 Grad.

In Escholzmatt wird nur "normale" Wärme benötigt, seit 2015 und dem Bau des ersten Reaktors fällt diese als Prozesswärme der Holzvergasung an. Im Inneren wummert ein wuchtiger MTU-Zwölfzylinder mit 22 000 Kubikzentimern Hubraum und treibt mit 1500 Umdrehungen einer Turbine zur Stromerzeugung an. "Wir produzieren hier 8500 Stunden im Jahr Strom für die Basislast", liefert Bucher stolz die Bilanz seines Blockheizkraftwerks, das mit aus den Hackschnitzeln mittels Pyrolyse gewonnenem Holzgas befeuert wird.

Sägewerk in Escholzmatt erzeugt Holzgas

"Unsere Hackschnitzel aus dem Fischerbacher Wald sind zu schade um nur für die Nahwärme verbrannt zu werden", gibt Schneider vor der Brennkammer des Holzvergasers seine Vision für Fischerbach zu Protokoll, während gut hörbar die Transportschnecken und die automatische Hackschnitzel-Schleuse ihre Arbeit versehen. Vor den Bunkern mit auffallend wohlgeratenen Hackschnitzeln erläutert Bucher den Prozess der Holzgasgewinnung. Hier schaffen es nur die auf unter zehn Prozent Holzfeuchte getrockneten "Filetstücke" in den Reaktor und werden dort zu nur noch etwa stecknadelkopfgroßen Holzkohle-Stücken verkokelt. Als Nebenprodukte fallen Holzteer und Holzessig an, wo beim normalen Verbrennen Holzasche in großen Mengen entsteht, die kostenpflichtig entsorgt werden muss.

Die Holzkohle wird im Emmental kompostiert und gibt einen hervorragenden Dünger ab, Teer und Essig können ebenfalls weiterverarbeitet werden. Der Teer sei dennoch der Hauptgegner, alle 400 Betriebsstunden müsse beim BHKW ein Ölwechsel vorgenommen werden. Der Reaktor laufe seit 2015 aber weitgehend störungsfrei, blitzt die Begeisterung des Energiemachers hervor.

Zum Aperitif lädt Bucher in das ans Wärmenetz angeschlossene Pflegeheim, auch der große Traditionsgasthof Krone, in dem das Mittagessen eingenommen wird, ist ebenfalls ans Wärmenetz angeschlossen. Mit den Eindrücken aus der Zeit der Schindelmacherei und der modernen Strom- und Energieerzeugung aus Hackschnitzeln macht sich die Gruppe um 15 Uhr wieder auf die Rückfahrt.

Für das Ziel der Klimaneutralität 2040 kann sich zumindest der Bürgermeister eine Veredelung der im Fischerbacher Gemeindewald anfallenden Biomasse zu Strom sehr gut vorstellen. Selbst wenn der Reaktor im Sommer still stehe, weil die anfallenden zwei Drittel Prozesswärme nicht genutzt werden können, amortisiere sich die Anlage schon nach acht Jahren. Im Winter trüge die Stromproduktion aber dazu bei, die Stromflaute bei Windrädern und Photovoltaik-Anlagen abzumildern.

Zeitreise dank Schindeln

Als touristische Abrundung der Bildungsfahrt führt Bucher die Gruppe durch die Werkstatt der Schindelmacher, wo aus mehr als 100 Jahre alten Lärchenstämmen Holzschindeln geschnitten werden. Quersubventioniert mit den Erträgen aus dem Sägewerk und später auch der Energieerzeugung hat die Schindelproduktion die Jahrzehnte der billigen Eternit-Konkurrenz überlebt, jetzt stehen wieder elf Schindler in Lohn und Brot und steuern ein Drittel zum Unternehmenserfolg bei. Der Gang durch die Werkstatt ähnelt einer Zeitreise, sind doch noch eine Bandsäge (die Attraktion der Weltausstellung 1900 in Paris) und zwei Holzspalter in Betrieb, die noch über Transmissionsriemen betrieben werden könnten.