Manuela Heider (Freie Wähler) Foto: Kistner

Den dritten Krisenhaushalt in Folge hat am Donnerstagabend der Albstädter Gemeinderat verabschiedet. Das Leitmotiv war dasselbe wie vor Jahresfrist: der Spagat zwischen Schuldenmachen einerseits und Investitionsstau andererseits.

Albstadt - Auch in den fetten Zehner-Jahren wurde in der Albstädter Fiskalpolitik gerne mal geächzt und gestöhnt, aber der Blick zurück ist dennoch nostalgisch verklärt. Die Welt hat sich seit 2019 grundlegend geändert; Corona, Ukraine-Krieg, Inflation, Energie- und Klimakrise bestimmen das Bild, und ein Ende ist nicht abzusehen. Genaugenommen ist gar nichts abzusehen; auch in diesem Jahr bemühten mehrere Haushaltsredner das Bild von der Kristallkugel, die leider niemand habe. Nur eines scheint klar zu sein: Das Lavieren zwischen der Pest Schuldenanstieg und der Cholera Investitionsverzicht wird die Albstädter Kommunalpolitik in den kommenden Jahren dauerhaft begleiten.

Der Haushaltsplanentwurf, den die Stadtverwaltung im November vorlegte, sieht eine Neuverschuldung von 18,7 Millionen Euro im kommenden Haushaltsjahr und bis Ende 2026 einen Anstieg der städtischen Schulden auf 60 Millionen Euro vor – das ist beinahe doppelt so viel wie heute. Die Stadt betont dabei, dass sie keineswegs in Luxus investiere, sondern Pflichtaufgaben erfülle und unverzichtbare kommunale Infrastruktur erneuere: Kürläufe seien nicht drin; es gelte, Prioritäten zu setzen. Die Forderung ist weder strittig noch originell; allerdings zieht sie seit jeher automatisch die Frage nach sich, was denn eigentlich die Prioritäten sind. Es war die Gretchenfrage, die jeder Debattenredner am Donnerstag auf seine Weise zu beantworten suchte.

Flauer Magen angesichts der Kostenprognose

Im Grundsatz schien man sich oft einig zu sein; der Teufel liegt im Detail: Dass Kindergarten- und Schulbildung eine Ressource ist, die nachhaltig bewirtschaftet sein will, darüber besteht seit Jahr und Tag Einigkeit, desgleichen, dass in Infrastruktur und Personalausstattung der Kindergärten, aber beispielsweise auch in die Schulsozialarbeit investiert werden müsse. Ein Projekt wie die neue Kindertagesstätte Schwabstraße in Onstmettingen wird von niemandem in Frage gestellt – indes bekannten sowohl CDU-Fraktionschef Roland Tralmer als auch Manuela Heider von den Freien Wählern, dass ihnen angesichts der von Baubürgermeister Udo Hollauer prognostizierten Kostenentwicklung flau im Magen werde. ZUG-Stadträtin Elke Rapthel ist dagegen der Meinung, dass längst nicht genug getan werde, und fordert den Verzicht auf die Erhebung von Kindergartengebühren.

Mehr Leben in der Ebinger Innenstadt

Ein Schwerpunkt der städtischen Investitionen soll in den kommenden Jahren die unter Auszehrung und Verwahrlosung leidende Ebinger Innenstadt werden; das Thema nahm in den Haushaltsreden breiten Raum ein. Dass wieder Leben in die Innenstadt einkehren muss, ist Konsens, dass mehr städtisches Grün, mehr Straßengastronomie, mehr Einbindung der Jugend – halbwüchsig oder studentisch – wünschenswert wäre, ebenfalls.

Lauter Masterpläne – in der Schublade

Aber genügt das, um die Albstädter wieder in ihr kommunales Wohnzimmer zu locken? CDU-Mann Tralmer setzt auf den Masterplan "Sicherheit und Sauberkeit", Susanne Feil von den Grünen ließ dagegen erkennen, dass ihrer Ansicht nach hier am Symptom und nicht an der Ursache kuriert werde: Integration, Inklusion und eine "Kultur der Nachbarschaft" täten Not, LED und Schutzmann allein würden es nicht richten. Feil warf der Stadt in diesem Zusammenhang unverhohlen Flickschusterei und Inkonsequenz vor: Albstadts Wege seien gepflastert mit guten Vorsätzen, die Schubladen im Rathaus randvoll mit Masterplänen und Konzepten. Doch seien diese nie zu einem "großen Ganzen" zusammengefügt geschweige denn umgesetzt worden.

Für die Grünen ist das Hallenkonzept eine Totgeburt

Beispiel Hallen: Für die Grünen ist die städtische Hallenkonzeption eine Totgeburt; sie fordern einen neuen Anlauf, den Verzicht auf die nicht realisierbare Kulturhalle sowie auf die provisorische Umnutzung der Zollernalbhalle zum "aufgehübschten" Kulturtempel, dazu den Erhalt der Ebinger Festhalle. Manuela Heider räumte ein, dass das Kulturhallenprojekt "in weite Ferne gerückt sei", will aber im Interesse der kulturtreibenden Vereine ebenso daran festhalten wie Tralmer, der hofft, dem Kostenproblem mit Hilfe privater Investoren beikommen zu können.

Albstadtwerke sollen sich bewegen

Beim Thema Energie scheint die Einigkeit relativ groß zu sein. Unisono verwiesen Tralmer, Feil und auch WSA-Sprecher Martin Braun auf die Notwendigkeit einer Neuausrichtung und plädierten für eine dezentralere Energieerzeugung, Wärmenetze und mehr Solarenergie; Adressatin der Forderungen waren neben der Stadt vor allem die Albstadtwerke. Marianne Roth von der SPD brach sogar eine Lanze für die unbeliebte Windkraft. Zurückhaltender gab sich die FDP: Ulrich Deufel lässt sich Photovoltaik auf dem Dach durchaus gefallen, aber nicht auf der Wiese.

Vergnügungssteuer wird erhöht

Die Erhöhung der Vermögenssteuer von 23 auf 25 Prozentpunkte, die der Stadt alljährlich zusätzliche 400 000 Euro bringen soll, trägt der Gemeinderat gerne mit; die ebenfalls mit großer Mehrheit beschlossene Übernachtungssteuer bereitet Roland Tralmer dagegen im Nachhinein Kopfzerbrechen – er habe angenommen, dass die Stadt zuvor mit den betroffenen Betrieben gesprochen haben; augenscheinlich sei das aber nicht der Fall. Susanne Feil trauerte der im Vorjahr vertanen Chance nach, bei der Erhöhung der Gewerbesteuer mit 360 v. H. einen richtigen Schluck aus der Pulle zu nehmen, statt es bei homöopathischen 345 v. H. zu belassen.

CDU will Vereinsförderung reformieren

Dass die Stadt Albstadt auf Bewerbungen für künftige UCI-Weltcups verzichtet, kann Roland Tralmer verschmerzen – die Bedeutung der "Sportstadt Albstadt" sieht er dadurch nicht gefährdet; viel wichtiger ist ihm in diesem Zusammenhang die Erneuerung der Vereinsförderung. WSA-Sprecher Braun ging auf den Weltcup-Ausstieg nicht ein, obwohl der immerhin als Fall jener Priorisierung gelten darf, die Braun vehement einforderte: Eine Prioritätenliste müsse her, dazu Worst-Case-Budget-Planungen; WSA vermisse "eine klare Vision und Ziele".

Zwei stimmen dagegen

Dass die Haushaltsplanung der Stadt in diesem Jahr auf überaus optimistischen Annahmen beruht – die Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst, unterstellt sie, wird lediglich drei Prozent betragen, die Zinsen steigen nicht mehr weiter, und die Kreisumlage bleibt, wie sie ist – merkten mehrere Redner an. Angenommen wurde der Haushalt am Ende doch. Mehrheitlich: Zwei Ratsmitglieder votierten mit Nein, drei enthielten sich der Stimme.