Das Geburtstagskind in der Mitte: Tiago wurde am Dienstag zwei Jahre alt. Seine Eltern Jens Hafner und Stephanie de Freitas hoffen darauf, dass er möglichst bald mit dem Gentherapeutikum Zolgensma behandelt wird. Foto: Maier

Erkrankter Junge aus Binsdorf feiert zweiten Geburtstag. Beispiellose Spendenaktion läuft.

Geislingen-Binsdorf - Der an spinaler Muskelatrophie erkrankte Tiago, für den derzeit die wohl größte Spendenaktion in der Geschichte des Zollernalbkreises läuft, hat am Dienstag seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Seine Eltern Stephanie de Freitas und Jens Hafner sind voller Hoffnung, dass es bald mit der Behandlung durch das Medikament Zolgensma klappt.

Zu Hause bei der Familie war am Dienstag alles schön geschmückt. Papierbänder, Luftballons, in der Küche dufteten Schoko-Küchlein. Es war Tiagos großer Tag, gefeiert wurde mit Familie und Freunden.

Der zweite Geburtstag bedeutet zugleich einen Einschnitt: Die Zeit, in der die Zolgensma-Gentherapie verabreicht werden kann, wird immer knapper. Für Kinder, die am Typ 1 der spinalen Muskelatrophie erkrankt sind, wirkt es nur bis zum zweiten Geburtstag; bei Kindern, die wie Tiago am Typ 2 leiden, kann das in Deutschland noch nicht zugelassene Medikament auch noch einige Wochen darüber hinaus angewendet werden.

Kosten für Spritze liegen bei zwei Millionen Euro

Mit Muskelatrophie verbunden ist ein stetiger Muskelverlust. Davon betroffen sind mit steigendem Alter auch die Organe. Die Lebenserwartung beträgt rund 25 Jahre.

Derzeit wird Tiago an einer Klinik in Freiburg mit dem Medikament Spinraza behandelt. Dieses schlage durchaus auch gut an, sagen seine Eltern: Der Knirps könne zwar seine Arme nicht frei bewegen, aber etwa wieder ein Glas anheben und sich wieder selbstständig drehen, wenn er sich anstrenge.

Mit Spinraza einher gingen indes auch heftige Nebenwirkungen. Eine deutliche Verbesserung von Tiagos gesundheitlicher Situation und Zukunft versprechen sich Stephanie de Freitas und Jens Hafner von der Gentherapie mit Zolgensma. Das Zulassungsverfahren dafür läuft in Deutschland, in den USA ist es bereits am Markt.

Die Kosten für die einmalige Spritze belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro. Tiagos Krankenkasse, die AOK, will und, wie sie betont, darf die Kosten dafür nicht übernehmen: Gründe dafür seien die erfolgreich verlaufende Therapie mit Spinraza und eben die noch fehlende Zulassung von Zolgensma in Deutschland. Man habe Tiagos Fall intensiv geprüft und eine medizinisch-fachliche Meinung eingeholt, so die AOK.

Keine Ausnahmeregelung möglich

Und auch die gesetzliche Möglichkeit einer Ausnahmeregelung sei in Tiagos Fall nicht anwendbar: Diese käme in Betracht, wenn eine unmittelbare Lebensgefahr ohne die Behandlung mit dem nicht zugelassenen Arzneimittel bestehen würde und dieses Arzneimittel eine hinreichende Aussicht auf erfolgreiche Behandlung biete sowie keine alternative Behandlungsmöglichkeit gegeben sei.

Die Familie von Tiago steht derzeit über ihren Anwalt in Kontakt mit dem behandelnden Mediziner in Freiburg, um möglicherweise doch noch einen Umschwung zu erreichen: Wenn gutachterlich bestätigt würde, dass Zolgensma bessere Therapiechancen verspricht als Spinraza, dann würde die AOK vielleicht doch die Behandlung bezahlen.

Auf die reguläre Zulassung des Medikaments kann und will die Familie nicht warten: Niemand wisse, wie lange das Verfahren noch andauere, so Stephanie de Freitas, und wenn es so weit sei, sei es für Tiago möglicherweise zu spät. So starteten sie die Spendenaktion, verbunden mit der Hoffnung, das aus ihrer Sicht so vielversprechende Medikament selbst bezahlen zu können.

"Schönes Gefühl, dass wir nicht alleine sind"

Seit Tiagos Schicksal Ende vergangenen Jahres bekannt geworden ist und die Eltern offensiv um Spenden für die Bezahlung des Medikaments geworben haben, rollt eine wohl beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft durch den Zollernalbkreis. Allerorten gibt es Aktionen zugunsten von Tiago, fast täglich neue Spendenmeldungen.

Den bisher größten Einzelbetrag steuerte die Rosenfelder Firma Blickle bei – 100.000 Euro. Insgesamt sind bislang mehr als 800.000 Euro zusammengekommen. "Dass es so viel wird, hätten wir nie gedacht", sagten Stephanie de Freitas und Jens Hafner am Dienstag. Und: Es sei ein schönes Gefühl, mit diesem Kampf für tiago nicht allein zu sein.

 Spenden für Tiago de Freitas sind möglich – Empfänger ist die Deutsche Muskelstiftung, Bank für Sozialwirtschaft, IBAN DE 70 6602 0500 0008 7390 05, Verwendungszweck: Tiago.