Noch ist es bei Tiago noch nicht zu spät für eine Behandlung mit Zolgensma. Foto: de Freitas

Teuerstes Medikament der Welt könnte bald in Europa zugelassen werden.

Geislingen-Binsdorf - Gute Neuigkeiten für Tiago: Der an Muskelatrophie Typ 2 erkrankte Junge aus Geislingen wartet noch immer auf Zolgensma, das teuerste Medikament der Welt, welches in Deutschland nicht zugelassen ist und von der Krankenkasse daher nicht ohne weiteres finanziert wird. Nun gibt es für den Zweijährigen aber gleich mehrere positive Nachrichten.

Es wird nun höchste Zeit für die Zolgensma-Spritze, denn ab zwei Jahren entwickeln die betroffenen Kinder eine Immunität gegen das Medikament, wodurch er unwirksam wird. Das ist bei Tiago noch nicht der Fall. "Es wurde ein Antikörper-Test bei ihm gemacht", sagt seine Mutter Stephanie de Freitas. "Und der ist negativ ausgefallen. Es spricht aus medizinischer Sicht also nichts dagegen, dass er das Medikament noch bekommt, obwohl er schon über zwei Jahre alt ist", freut sie sich. Das bringe der Familie schon einmal eine große Erleichterung.

Gutachten vom Kinderarzt nicht ausreichend

Inzwischen liegt auch ein Gutachten von Tiagos Kinderarzt vor, in dem dieser das Medikament für Tiago ausdrücklich empfiehlt. "Nach Prüfung der erreichbaren Datenlage und Literatur ist davon auszugehen, dass Tiago von einer Behandlung mit Zolgensma deutlich profitieren würde, auch wesentlich über das bisher durch Spinraza erreichte Maß hinaus", ist dem Text des Arztes zu entnehmen, in den Tiagos Eltern auf ihrer Facebook-Seite Einsicht gewähren. Es sei zu erwarten, dass der Therapie-Erfolg mit dem neuen Medikament nachhaltiger sein werde, als der durch die bisherige Therapie.

Auf Facebook geben Tiagos Eltern Einblick in das Gutachten des Kinderarztes:

"Das Gutachten wird von der Krankenkasse jedoch nicht berücksichtigt, weil es nicht von einem Neuropädiater, also einem Facharzt für Nervenkrankheiten bei Kindern, stammt", erklärt de Freitas. "Es gab auch telefonischen Kontakt mit der AOK, da wurde uns gesagt, das Gutachten zähle nur, wenn es vom Experten komme." Der Anwalt der Familie sei jedoch zuversichtlich. Noch gibt er die Hoffnung nicht auf, dass das juristische Verfahren zugunsten der Familie ausgehen kann. "Er meint, es spreche momentan alles dafür, dass Tiago Zolgensma doch noch bekommt."

Zolgensma bald in Deutschland zugelassen

Einen weiteren Hoffnungsschimmer bringt der Familie eine Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur an die EU-Kommission, das Medikament innerhalb der nächsten zwei Monate in Europa zuzulassen. Damit wäre Zolgensma nach deutschem Reglement einen Monat später hierzulande verfügbar. "Ich glaube, wenn das Medikament hier zugelassen wäre, müsste die Kasse es sogar bezahlen", überlegt de Freitas.

Die Regelung, dass nur Kinder bis zwei Jahre Zolgensma bekommen, gelte zwar in den USA, müsse in Deutschland aber nicht zwingend so übernommen werden. Tiagos Antikörpertest zeigt: Das Medikament kann auch in einem höheren Alter noch wirken. "Soweit wir wissen, ist bis jetzt ist angedacht, es für Kinder mit Typ1 zur Verfügung zu stellen und für Kinder mit Typ2, die nicht mehr als drei Kopien des defekten Gens haben. Und Tiago hat genau drei." De Freitas hofft darauf, dass in Deutschland keine Altersbegrenzung festgelegt wird.

Mehr als eine Million Euro auf dem Spendenkonto

So lange will die Familie dennoch nicht warten, mit jedem weiteren Monat sinken Tiagos Chancen darauf, dass das Medikament noch Wirkung zeigt und seinen Zustand verbessert. Der Antikörpertest sei nur vier Wochen lang gültig. Danach müsse er neu gemacht werden, weil sich dann schon wieder etwas verändert haben könne.

"Wir kämpfen weiter", meint Tiagos Mutter. "Auf dem Spendenkonto ist inzwischen mehr als eine Million Euro zusammen gekommen." Das ist zwar nur gut die Hälfte dessen, was eine Zolgensma-Spritze kosten würde, aber es gehen weiterhin Spenden ein. "Inzwischen werden uns die Schecks sogar vor die Tür gestellt, weil wir sie momentan nicht persönlich annehmen dürfen. Tiago gehört ja auch noch zur Corona-Risikogruppe", sagt de Freitas. "Aber trotz der Krise ist die Großzügigkeit der Menschen ungebrochen. Es ist wirklich unglaublich", freut sie sich.