Die "Königin der Instrumente" war die Berufung seines Leben. Die Geislinger Kirchenorgel hat Wolfgang Amann 59 Jahre lang als Organist von St. Ulrich gespielt. Foto: Kirchengemeinde Foto: Schwarzwälder Bote

Porträt: Der Geislinger Wolfgang Amann beendet seine lange Tätigkeit als Organist der katholischen Gemeinde St. Ulrich

Zum Diamantjubiläum hat es nur ganz knapp nicht gereicht: Im 60. Jahr hat der Geislinger Wolfgang Amann seine Tätigkeit als Organist der katholischen Kirchengemeinde St. Ulrich beendet.

Geislingen. Geboren wurde Wolfgang Amann 1941 in Geislingen, dem Jahr der "Weiberschlacht". Sein Vater Franz sorgte dafür, dass er bereits im Alter von sieben Jahren Klavierunterricht erhielt. Mit zehn hat er erstmals in Binsdorf Orgel gespielt, mit zwölf dann in Erlaheim.

Die "Königin der Instrumente", die Orgel, erwies sich als seine Berufung: Amann war von 1955 bis 1958 Schüler des musischen Internats Martinihaus in Rottenburg. Dort und später auch in Trossingen, wo er von 1958 bis 1961 an der Musikhochschule als Hospitant eingeschrieben war, erhielt er Privatunterricht von namhaften Lehrern.

"Künstlerisch wäre er mindestens ein B-Kirchenmusiker gewesen", weiß Hubert Gulde, der viele Jahre lang gemeinsam mit Amann im Kirchenchor tätig gewesen ist. Doch der Organist hat nie einen formalen Abschluss im Orgelspiel erworben. Die Musik blieb "nur" ein Hobby, das der heute 78-Jährige mit Leidenschaft und Begeisterung im Eigenstudium pflegte.

Beruflich beschritt Amann die Laufbahn eines Verwaltungsbeamten im gehobenen Dienst: Von 1963 bis 2005 arbeitete er für die Gemeinde, später die Stadt Geislingen, unter anderem als Kämmerer und Hauptamtsleiter. Er hätte jederzeit eine musikalische Karriere beschreiten können, doch das wollte er anscheinend nicht: "Er ist ein äußerst bescheidener Mensch. Er hat nie sein Können plakativ gezeigt", weiß Gulde.

Die Pfarramtssekretärin Elke Lang erinnert sich, wie Amann bei einem Mitarbeiterausflug in der Tübinger Stiftskirche für die Gruppe spielte. "Das war bombastisch", als ob er mit dem fremden Instrument innig vertraut wäre – er zeigte einfach seine große Begabung.

Für seine Kirchengemeinde wurde Amann ein Eckpfeiler: Seit 1960 und ohne Unterbrechung bis 2019 hat er als Organist die Gestaltung der Gottesdienste übernommen. Zeitweise waren das drei Feiern an einem Wochenende sowie eine Werktagsmesse. Mit großem liturgischen Verständnis und Feingefühl hat er die passenden Lieder und Strophen ausgewählt. "Es dürften etwa 12000 Gottesdienste sein, die er hier begleitete", hat Gulde ausgerechnet.

Neben dieser Hauptaufgabe gestaltete er auch viele andere besondere Gottesdienste und Feiern. Ob Hochämter, Andachten, Tauf- und Hochzeitsfeiern oder Requien, "er hat eigentlich nie abgesagt", blickt Lang zurück. "Es war für alle wie selbstverständlich, dass er da ist."

1972 trat Amann die Nachfolge seines Vaters als Leiter des Kirchenchors an und übte dieses Amt bis 2011 aus. Durchschnittlich 15 Gottesdienstfeiern pro Jahr hat er mit dem Chor begleitet, insgesamt also rund 600.

Daneben gaben die Sänger unter seiner Leitung viele Konzerte. Einer der Höhepunkte war die Aufführung des Requiems in d-Moll, Mozarts letztem Werk, im November 1988. Ein anderer war die Altarweihe 1985, als der Dirigent zusammen mit dem Ensemble eine ganze Reihe festlicher Chöre und liturgischer Gesänge darbot.

Mit der Geislinger Orgel kannte Amann sich aus wie kein Zweiter, und war auch an der Planung beteiligt, als ein neues Instrument her musste. 1992 wurde die neue Fischer-Krämer-Orgel in St. Ulrich eingeweiht. Die "französische" Klangfarbe des neuen Instruments nutzte Amann bewusst, indem er immer wieder Konzerte mit Werken französischer Komponisten gab.

Über die Musik hinaus engagierte er sich für St. Ulrich: Von Februar 1969 bis Dezember 1992 war er "nebenbei" Kirchenpfleger. Die Gemeinde profitierte dabei von seinem Fachwissen in Finanzdingen. Für sein großes Engagement hat der Kirchenmusiker 1997 die Landesehrennadel erhalten.

Wolfgang Amann ist schon länger gesundheitlich angeschlagen gewesen. Trotzdem spielte er die Orgel, solange es ging. Erst im August hat er das geliebte Amt als Geislinger Organist aufgeben müssen. Die Kirchengemeinde sucht seither einen Nachfolger für ihn – wohlwissend, dass einer wie er nur schwer zu ersetzen ist.