Hier im großen Saal des Hechinger Landgerichts wird gegen den Angeklagten aus Binsdorf verhandelt. Foto: Schnurr

56-jähriger steht in Hechingen vor Gericht. Schwester tritt als Nebenklägerin auf.

Geislingen-Binsdorf - Ein 56-jähriger Mann soll im März mit einem Messer seine Mutter lebensgefährlich verletzt haben. Die Frau ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft an den Folgen dieses Angriffs gestorben. Deshalb ist auch eine Verurteilung wegen Mordes möglich.

Oberstaatsanwalt Beiter verlas am Montag im großen Saal des Hechinger Landgerichts die Anklage: Der gelernte Industriemechaniker sei am 24. März, einem Sonntagmorgen, von seinem Wohnort Grosselfingen aus nach Binsdorf gefahren, um seine Mutter zu töten. Vor dem Haus der 80-Jährigen in der Friedrichstraße habe er kurz vor 8 Uhr ein zwölfeinhalb Zentimeter langes Survivalmesser aus seinem Auto genommen und unter seiner Jacke verborgen.

Im Haus traf der Mann auf seine Mutter, die arglos mit ihm ins Wohnzimmer ging. Dort habe der Angeklagte ihr ohne Vorwarnung mit dem Messer in den Bauch gestochen.

Nachdem sie reglos am Boden lag, sei ihr Sohn ins Obergeschoss gegangen, wo seine Schwester noch schlief. Diese habe der Mann geweckt und ihr mit der Tatwaffe vor dem Gesicht herumgefuchtelt: Der "Familienwahnsinn" habe jetzt ein Ende, soll er gesagt haben, die Mutter sei fast tot.

Seine Schwester attackierte er nicht, sondern ging wieder ins Erdgeschoss, wo er seine Waffe neben die Schwerverletzte legte. Er rief selbst bei der Polizei an und teilte mit, dass er seine Mutter erstochen habe. "Dem Angeschuldigten war es gleichgültig, ob seine Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits tot war oder noch gerettet werden konnte", so Beiter in der Anklage. Wenige Minuten nach dem Anruf nahmen Polizisten den Mann fest. Seit 25. März sitzt er in Untersuchungshaft.

Das mutmaßliche Motiv führte der Oberstaatsanwalt aus: "Er war wütend auf seine Mutter, weil sie ihn nicht am Nachlass seiner Tante beteiligen wollte und sich weigerte, ihr Haus zu verkaufen." Der Mann habe gewollt, dass die Frau ins Altenheim oder betreute Wohnen ziehe. Außerdem habe er seiner Mutter "die Schuld für seine persönlichen und beruflichen Fehlschläge im Leben gegeben."

Die Anklage lautet auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung; sie erging, bevor die Ende Juni Frau starb. Weil die Frau möglicherweise an den Folgen des Stichs zu Tode kam, könnte indes eine Verurteilung wegen Mordes erfolgen. Durch den Stich erlitt die Binsdorferin Verletzungen an Leber, Bauchspeicheldrüse und einer Darmvene. Sie konnte zwar durch eine Notoperation gerettet werden, zog sich aber eine Bauchspeicheldrüsen- und Bauchfellentzündung zu.

Angesetzt sind vorerst drei weitere Verhandlungstage. Am Montag kündigte der Angeklagte an, über sich selbst und die Tatumstände Auskunft geben zu wollen. Er erbat auch die Neubewertung seines Sicherheitsstatus’: In der Justizvollzugsanstalt dürfe er nicht alleine in seiner Zelle sein, das schränke seine Privatsphäre ein. Grund dafür ist, dass ein Sachverständiger ihn auf Grundlage eines Briefes an eine Bekannte als suizidgefährdet eingeschätzt hat. Richter Breucker schlug ein Gespräch mit der JVA-Psychologin vor, um eine neue Einschätzung zu erhalten.

  Nächster Verhandlungstermin ist Montag, 14. Oktober, ab 9 Uhr. Dann soll unter anderem die Schwester des Mannes als Zeugin befragt werden, die als Nebenklägerin auftritt, sowie ein Finanzermittler. Tags darauf sind eine Notärztin und eine Gerichtsmedizinerin als Zeuginnen geladen. Möglicherweise kann damit bereits die Beweisaufnahme beendet werden, sodass am Montag 21. Oktober, die Plädoyers folgen können.